„Auf der Bühne bin ich maximal 18!“

Ricky Dandel ist nach wie vor in die Musik verliebt

Nach wie vor ansteckend optimistisch: Ricky Dandel. Foto: privat

Der Sänger auf der Bühne seiner Heimatstadt im Sommer 2007.
Foto: Ovidiu Matiu

Die Vorbereitungen für das Open-Air-Konzert „Smart Hermannstadt Rock“ vom 15. August laufen zurzeit auf Hochtouren – mitten drin und treibende Kraft ist Ricky Dandel, der zugleich als Musiker und Veranstalter des Events mitwirkt. Auch nach mehr als 45 Jahren Karriere ist der bekannte Sänger, Komponist, Textdichter und Showmaster mit Herzblut und ansteckender Freude dabei. Er ist glücklich, gemeinsam mit seinem Sohn Elvin – inzwischen selber ein bekannter Musiker – vor dem Publikum seiner Heimatstadt aufzutreten.

Ricky Dandel ist 1952 geboren und war schon als Kind von der Musik fasziniert. An Inspirationsquellen fehlte es im Elternhaus keineswegs: die Mutter spielte Violine, der Vater hatte eine gute Tenorstimme, die Großmutter sang gerne mit ihrem Enkelsohn sächsische Lieder. „Weihnachten war immer das wichtigste und schönste Fest – dort sangen wir viele Melodien aus Schaas, der Heimatgemeinde meiner Oma“, erinnert sich Ricky Dandel.

Zuerst war der begabte Knirps eher unentschlossen, ob er seinem musikalischen Talent nachgehen sollte oder eher dem Handballspiel, bei dem er seinem älteren Bruder nacheiferte und sich ein gewisses Maß an Technik und Flinkheit angeeignet hatte. „Aber mein Herz war eindeutig schon von Anfang an bei der Musik“, sagt er. „Deshalb habe ich mich mit 14 Jahren für sie entschieden.“
Auch da war die Großmutter der Hauptförderer. Sie schenkte dem Enkelsohn eine Gitarre, die in seinen Augen „ein Heiligtum“ war. „Diese Gitarre habe ich heute noch in Hermannstadt – sie ist nicht mehr funktionstüchtig, ich bringe es aber nicht übers Herz, sie wegzuwerfen“, sagt der Musiker. Anfangs fiel es ihm nicht leicht, mit dem neuen Instrument umzugehen. Für seine noch sehr jungen Finger war der Hals der Gitarre viel zu breit; außerdem musste er sich die modernen Akkorde zunächst selber ausdenken oder sie bei älteren, erfahrenen Gitarristen abgucken; gleichzeitig widmete er sich hingebungsvoll dem Gesang, der heute noch für ihn die wichtigste musikalische Sparte bleibt.

So verging nicht lange, bis seine Begabung entdeckt wurde und er im rumänischen Fernsehen mit Romanzen sein Debüt gab. Der Journalist Hans Liebhardt erkannte sein Potenzial und machte ihn zum musikalischen Stammgast der deutschen Fernsehsendungen in Bukarest. Wenn er auf seine ersten Erfahrungen im Studio zurückblickt, muss Ricky Dandel heute lächeln: „Damals wurde alles live aufgenommen. Ton, Bild, Orchesterbegleitung, Gesang – alles geschah direkt vor der Kamera, und es wurde einem ein gewisser Grad an Professionalität abverlangt. Die Studiotechnik war viel komplizierter als die heutige, und niemand war bereit, einen Song fünf- oder sechsmal aufzunehmen, bis er gelang. Man musste von Anfang an sein Bestes geben.“

Selbst Schallplatten ausländischer Musiker waren im damaligen Rumänien keine Selbstverständlichkeit. Der junge Musiker hörte gerne Soul-Musik und Jazz und war ein großer Fan von Otis Redding, Percy Sledge, Mahalia Jackson oder Ella Fitzgerald, aber es gelang nur selten, eine Schallplatte „aus dem Westen“ zu bekommen. Dafür hörte er eifrig Radio Luxemburg, schrieb die Songtexte Wort für Wort ab und sang sie nach. Seine Begeisterung war grenzenlos: „Musik machte mich einfach glücklich. Es klingt vielleicht absurd, aber ich hätte sogar dafür bezahlt, um Musik zu machen. Mit meiner Gitarre war ich auf jeder Schulveranstaltung, auf jeder Privatparty dabei, und sang alles, was ich nur konnte.“

Doch die Aufnahmeprüfung am Brukenthal-Gymnasium rückte näher und näher. Die Familie, die anfangs mit großer Freude gesehen hatte, wie sich der junge Ricky der Musik widmete, musste feststellen, dass für Mathe nicht der gleiche Enthusiasmus vorhanden war. „Mein Bruder hat meine Gitarre ganz einfach in den Schrank eingesperrt und hat mir versprochen, sie mir nur dann wieder zu geben, wenn die Prüfung erfolgreich bestanden ist“, lächelt der Musiker. „Man hätte sehen müssen, wie ich mich angestrengt habe, um wieder in den Genuss der musikalischen Freude zu kommen.“

Ricky Dandel bestand die Prüfung und gründete mit einigen Mitschülern die Band „Solaris“, mit der er wöchentlich in Hermannstadt und später in ganz Siebenbürgen auftrat. Nach und nach entdeckte er auch seine „zweite große Liebe“, die englische Sprache – später sollte er Anglistik in Hermannstadt studieren und Englischlehrer werden. Das Pendeln mit dem Nachtzug zwischen der Schule in Hermannstadt und dem Fernsehstudio in Bukarest nutzte er als Schüler, um zu lernen und später, als Lehrer, um die Arbeiten seiner Schüler zu korrigieren. Auch das Unterrichten war eine große Freude für ihn – „denn Unterrichten ist im Grunde genommen nichts anderes als Vermitteln.“

Ricky Dandel vermittelte seinen Schülern nicht nur englische Vokabeln  sondern auch die Freude an der Musik, indem er Schulbands gründete, mehrstimmiges Singen mit den jungen Leuten einübte oder sie bei Schulfeiern auftreten ließ. Parallel hatte er immer wieder Tourneen in der DDR, der Tschechoslowakei, Russland und anderen Ländern des Ostblocks. Als aber die Zensur der Songtexte in Rumänien zu streng wurde, mehrmals sogar für „den Osten“ sein Pass verweigert wurde und Tourneen abgesagt werden mussten, beschloss er im Einvernehmen mit seiner Familie, sich in die Bundesrepublik abzusetzen. Es war der Sommer 1989.

„Ich habe vor der Wende in Rumänien sehr gut verdient, aber irgendwann konnte eine Textzeile wie zum Beispiel ’die Taube fliegt fort’ sehr viel Ärger bringen“, sagt Ricky Dandel. „Man musste begründen, worauf die ’Anspielung’ hinaus will, wohin die Taube denn fliegt. Textzeilen wurden gestrichen, Lieder blieben unaufgeführt, oder man wurde kritisiert, dass man zu rockig wirkt und ’westlich beeinflusst’ ist.“

In München konnte der Musiker seine Karriere fortsetzen: seine Single-CD „Du bist mein Licht“ war 1999 vier Wochen lang auf Platz eins der Deutschen Schlagerparade auf „Bayern 1“; die Single „Mein Truck fährt immer weiter” schaffte es im September 2002 ebenfalls an die Spitze der Rangliste; auf der Platte „Superhits of US Country Music” singt Ricky Dandel im Duett mit den Stars seiner Jugend, Percy Sledge, Wanda Jackson, Aaron Neville und Freddy Fender. Internationale Preise und Auszeichnungen ergänzen seinen Bühnenerfolg, während ihn das Publikum auch zunehmend als Entertainer und Moderator kennen lernt. Nicht nur bei dem Kronstädter Festival „Goldener Hirsch“, das er mehrmals moderiert, steht er auf der Bühne neben Stars wie Ray Charles, Tom Jones, Jerry Lee Lewis, Kylie Minogue, Patricia Kaas oder UB 40.

Seine Lehrertätigkeit gab er auch in Deutschland nicht auf, im Gegenteil: er promovierte mit Auszeichnung und unterrichtete weiterhin. Parallel gründete er sein eigenes Label und den Verlag „Rick’s music“. Im Kulturhauptstadtjahr 2007 feierte er mit einem Freiluftkonzert in Hermannstadt sein 40jähriges Bühnen- und Fernsehjubiläum.

Dass er gerne in der Heimatstadt arbeitet, zeigt auch sein derzeitiges Projekt. Am 15. August wird er sowohl bekannte Hits, als auch sechs brandneue Kompositionen am Großen Ring aufführen. Seine Begeisterung ist unverändert: „Seit gut zwei Monaten hat bei mir eine sehr kreative Phase begonnen, die mir unentwegt neue Songideen durch den Kopf wirbelt, die ich mit Spaß und Fleiß in fertige Songs verwandle“, erklärt der Sänger. Ich bin nach vielen Reisen und Erkundungsausflügen in die verschiedensten musikalischen Gefilde, die an sich recht schön und auch spannend waren, ’back to the roots’ (zurück zu den Wurzeln) gekehrt. Es ist ehrlicher Blues-Rock mit einigen Country-Elementen.“

Ein Rezept für den Erfolg hat Ricky Dandel nicht, weil Erfolg an sich nicht sein Ziel ist. Vielmehr geht es ihm um ein Credo: „Das Publikum spürt, wenn jemand ehrlich ist und Freude an der Musik hat“, sagt er. „Wenn ich vergleichen würde, wie Ricky Dandel früher gespielt hat und wie er jetzt spielt, stelle ich fest, dass er damals technisch viel unerfahrener war – das ist aber nicht der Punkt. Es geht darum, wieviel Herzblut und Gefühl man in die Musik investiert. Musik und der direkte Kontakt mit dem Publikum bleiben in meinem Leben unheimlich wichtig. Diese kindliche, naive Urfreude, die ich bei meinem Debüt hatte, habe ich heute noch. Wenn ich auf die Bühne gehe, bin ich maximal 18!“