„Sammler sind glückliche Menschen“ soll einst Johann Wolfgang von Goethe gesagt haben. Jedenfalls wird ihm dieser oft zitierte Ausspruch zugeschrieben. Vielleicht aber auch darum, weil er einst selbst ein vielseitiger Sammler war, wie man heute noch bei einem Besuch im Weimarer Goethe-Nationalmuseum sehen kann.
Einen erfahrenen Kunstfreund von herausragender europäischer Bedeutung hatte es bereits im 18. Jahrhundert auch in Siebenbürgen gegeben. Es war der Gouverneur Baron Samuel von Brukenthal (1721-1803), dessen berühmte Sammlungen sich heute in einem der wichtigsten Museen Rumäniens befinden – im Brukenthal-Museum am Großen Ring in Hermannstadt/Sibiu.
Später, im 20. Jahrhundert, folgten diesem eminenten Vorbild noch andere Kunstfreunde und -sammler, die im damaligen Königreich Rumänien lebten, wie zum Beispiel Dr. Atanase Simu (1854-1935), der Arzt und Volkskundler Dr. Nicolae Minovici (1868-1941), der Kunsthistoriker Prof. George Oprescu (1881-1969), Krikor H. Zambaccian (1889- 1962) und Barbu Sl²tineanu (1895-1959).
Atanase Simu errichtete 1910 sogar ein imposantes Museumsgebäude im Stil eines griechischen Tempels mit ionischen Säulen, das bis in die Ära Gheorghiu-Dej im Zentrum der rumänischen Hauptstadt, unweit des Boulevard Magheru, stand.
Dieser Prachtbau musste dann 1962, im Zuge der sogenannten „Systematisierung“, einem sozialistischen Wohnblock und einem Kaufhaus, dem „Magazinul Eva“, weichen. Ein Teil von Simus Sammlungen – darunter z.B. auch Werke von Eugéne Delacroix, Honoré Daumier, Jean Antoine Houdon, Antoine Bourdelle, Constantin Brâncu{i u.a. – kamen nun in eine kleine Kunstgalerie, die im neuen Simu-Museum in der gleichnamigen Straße unweit des ehemaligen Kunsttempels eingerichtet wurde. Das sollte so etwas wie eine „Wiedergutmachung“ sein, war aber dann letztendlich ein unvergesslicher „Kollateralschaden“ damaliger „sozialistischer Zerstörungswut“.
Rückblickend kann man heute Prof. George Oprescu als den bedeutendsten rumänischen Kunstsammler des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Seine vielfältige Sammlung, die annähernd 10.000 Objekte umfasst, darunter Gemälde, Grafiken und andere Kunstwerke – z.B. auch Arbeiten von Dürer, Rembrandt, Courbet, Delacroix und Picasso – sind inzwischen zum Teil in dem von ihm gegründeten Museum der Rumänischen Akademie in Bukarest ausgestellt.
Außerdem gab es auch bereits in der Ceau{escu-Ära eine Reihe bekannter siebenbürgisch-sächsischer Kunstfreunde und -sammler, an die man hier ebenfalls erinnern sollte, wie zum Beispiel Erhard Andrée in Agnetheln/Agnita. Er war der Gründer des dortigen Harbachtalmuseums, das 1952 von ihm in einem inzwischen unter Denkmalschutz stehenden ehemals siebenbürgisch-sächsischen Wohnhaus aus dem Jahr 1800 in weitgehender Eigeninitiative eingerichtet wurde. Eine Besonderheit in diesem Museum ist heute z.B. auch ein Gemälde von Erasmus von Rotterdam.
Andere bekannte rumäniendeutsche Kunstfreunde und -sammler waren im 20. Jahrhundert z.B. Dr. Julius Bielz, Stadtarchitekt Otto Czekelius und Horst Klusch, die während der Ceau{escu-Ära in Hermannstadt lebten. Dr. Klaus Kessler, der aus Temeswar stammte, kam nach seinem Medizinstudium als Arzt nach Bukarest und wurde dort bekannt als Schriftsteller und vielseitiger Sammler siebenbürgischer und rumänischer Volkskunst.
Hans W. Gabányi stammte aus Hermannstadt und lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in München und in Reitberg bei Wasserburg. Er hat die bisher umfangreichste und bedeutendste Sammlung siebenbürgisch-sächsischer Töpferwaren des 18. und 19. Jahrhunderts zusammengetragen. Gabányi fuhr damals mit seinem Auto immer wieder nach Siebenbürgen und ins Banat und so entstand im Laufe der Jahre eine einzigartige Sammlung, die sich heute zum Teil im Siebenbürgischen Museum (Gundelsheim) befindet. Ein Kunstkatalog, der 1998 anlässlich der großen Hans-Gabány-Ausstellung im Haus des Deutschen Osten (München), im Callway Verlag herausgebracht wurde, dokumentiert eine Auswahl von „Kostbarkeiten siebenbürgischer Töpferkunst“. So auch der Titel dieses reich illustrierten Buches.
Die aus Bukarest stammende Kunstfreundin Ileana Sonnabend, geborene Schapira, die nach dem Zweiten Weltkrieg in New York lebte, wurde zuerst bekannt als Galeristin und dann auch als Sammlerin. Damals lancierte sie einen noch unbekannten jungen Maler, dessen Eltern aus dem heutigen Nordosten der Slowakei stammten. Das war Andy Warhol, der später als Initiator der neuen Pop-Art weltbekannt und somit einer der berühmtesten Künstler Amerikas wurde.
Daher nannte man Ileana Sonnabend in amerikanischen Künstlerkreisen auch „Mam of Pop“. Zusammen mit Ehemann Michael Sonnabend gehörten sie beide damals in New York zum Kreis der Förderer moderner Kunstbestrebungen und zu den wichtigsten Initiatoren und Promotoren der neuen Pop Art, die bald auch Eingang in die europäische Kunstszene fand. Das Ehepaar Sonn-abend veranstaltete dann 1963,1965 und 1968 in Paris große richtungsweisende Ausstellungen, wo Werke von Künstlern zu sehen waren, die bald danach weltbekannt wurden und heute zur Elite der modernen Kunst gehören, wie z.B. Andy Warhol, Robert Rauschenberg, James Rosenquist und Tom Wesselmann, um nur an einige der wichtigsten Namen zu erinnern.
Hans Mattis-Teutsch soll, wie sich 1960 seine Witwe, die aus Wien stammende Pianistin und Klavierlehrerin Marie Mattis-Teutsch erinnerte, gesagt haben, nachdem er in Berlin zum ersten Mal zusammen mit Künstlern des „Blauen Reiters“ ausgestellt hatte: „Wenn ein Künstler weiß, woher er kommt, weiß er auch, wohin er gehen muss und somit wohin er gehen wird. Manchmal ist das vielleicht zuerst zeitweilig ein kleiner Umweg durch eine Sammlung, danach vielleicht ein Aufenthalt in einer Ausstellung oder wichtigen Galerie, oder schließlich in einem berühmten Museum.“
So begann Mattis-Teutschs Weg eigentlich schon 1918 in Westeu-ropa, und zwar in Berlin, in der Galerie des bekannten Mäzens und Kunstsammlers Herwarth Walden, wo ihn Marc Chagall zu seinem Ausstellungspartner auserwählt hatte. Danach führte ihn dieser Weg schließlich weiter, von Berlin nach New York, Chicago, Rom, Paris, Budapest, Bukarest und auch zurück nach Kronstadt/Brașov, wo er immer wieder auch von privaten Sammlern und Galeristen erwartet und gefeiert wurde.
Damals entstand Mattis-Teutschs eigene Sammlung mit Werken von befreundeten Künstlern, die ihn in jenen Jahren auf seinem Lebensweg zeitweilig begleitet und dabei beschenkt hatten, wie z.B. Lajos Kassák, Paul Klee, Marc Chagall, Lyonel Feininger, Alexander Archipenko, Arthur Goetz, Kurt Schwitters, Arthur Segal, Gerhard Marcks u.a. Diese reichhaltige Privatsammlung enthielt außer Gemälden, Grafiken, Zeichnungen, auch handsignierte Ausstellungskataloge, sowie Plakate, ganze Jahrgänge bekannter Kunstzeitschriften und Veröffentlichungen der damaligen Avantgarde („MA“, „Der Sturm“, „Integral“, „Punct“, „Contimporanul“ u.a.), Kunstbücher, Briefe und seltene Fotos von bekannten Künstlern.
In den unsicheren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese umfangreiche Sammlung – verpackt in einigen Kisten und in mehreren großen Reisekoffern – in einem verschlossenen Gartenhaus auf dem Grundstück der Familie Teutsch in der Kronstädter Langgasse aufbewahrt.
Dieses private, damals noch nicht verstaatlichte Anwesen – mit alten Bäumen und dem stilvollen Gartenhaus – wurde dann bald nach dem Tod des Künstlers (1960), als Marie Mattis-Teutsch aus Gesundheitsgründen vier Wochen abwesend war, auf Anweisung eines Baustellenleiters im Schnellverfahren einfach weggebaggert. Dabei wurde die Sammlung zuerst „geplündert“ – viele Aktbilder schmückten zeitweilig die Wohnbaracken der Arbeiter, bis alles vollständig vernichtet war. Danach entstanden auf diesem historischen Grundstück eine asphaltierte Zufahrtstraße und einige sozialistische Wohnblocks.
Damit endete die „lokale Ära“ eines renommierten und vielseitigen Kronstädter Künstlers, der einst auch ein bedeutender Sammler gewesen war. Doch davon hat man später kaum noch etwas erfahren, denn „die guten alten Zeiten“ änderten sich dann nach 1947 plötzlich ganz anders, als man vorher gedacht und vielleicht auch im Stillen gehofft hatte. Und so bleibt – vielleicht als einziger Beleg der einst wertvollen Sammlung und wie ein stiller vielfarbiger Nachruf — nur noch ein Aquarell von Arthur Goetz. Das hatte dieser bekannte Künstler, der auch Mitglied der Berliner „Novembergruppe“ war, handschriftlich „1920 Mattis-Teutsch zugeeignet“, wie am Bildrand rechts unten mit dunkler Tinte vermerkt ist.
Es heißt, dass dieses farbenreiche, surrealistisch gestaltete Bild den Brand der Gartenlaube und der Sammlungen „nur darum überlebt hat, weil es zufällig von einem Windstoß fortgetragen wurde“. So flog es unbeachtet bis zur ebenerdigen Terrasse einer rumänischen Nachbarin, die im Hinterhof des Anwesens wohnte. Die gab es dann Marie Mattis-Teutsch, die ich bald nach dieser Vernichtungsaktion besuchte (ich lebte schon in Bukarest). Marie Mattis-Teutsch meinte damals: „Das war vielleicht ein Zeichen des Himmels …“
Wie man sieht, haben sich seit Goethe die Zeiten immer wieder „geändert“, und manches ereignete sich dann ganz anders, als man vorher vielleicht gedacht oder sogar gehofft hatte. Vergessen wir daher Goethes viel zitierten Ausspruch.
Doch vergessen wir nicht die Künstler und die Namen ihrer Sammler. Denn ohne diese Sammler gäbe es heute keine Museen.