Auslotung des Geheimdienststaats

Randbemerkungen

Wenn der Präsident eines Staates in aller Öffentlichkeit und dazu noch im Rahmen einer Beschwichtigungserklärung sagt, es sei nicht in Ordnung gewesen, dass ein Gesetzentwurf mit Bezug auf die demokratischen Grundrechte der Bürger, der auch noch die Respektierung der Grundgesetz-Regelungen tangiert, „vorzeitig” den Bürgern zur Kenntnis gebracht wurde, dann ist „etwas faul im Staate Dänemark”. „Unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Nationale Verteidigung” sollte klammheimlich ein „Massnahmenpaket” (zehn Gesetze) „interministeriell” ausgekungelt werden. Wer glaubt, dass das, wie präsidial angedeutet, ohne Wissen und Mittun des Präsidialamtes geschah, ist auf dem Holzweg!

Das Paket hätte auf dem Dringlichkeitsweg zu einer Art „Geheimdienst-Totalitarismus” geführt, meint die Zivilgesellschaft, der weit über alles hi-nausgegangen wäre, was sich die Securitate und Ceau{escu je leisteten. Zum Glück für die Demokratie – aber für uns alle und für alle – hat das Präsidialamt, als es in der Öffentlichkeit in die Bredouille geriet, den Schritt zurückgetan, sich von der Initiative – spät, aber doch noch – deutlich distanziert. Die Öffentlichkeit hat eine Ruhe zurückgewonnen, die jetzt von gegenseitigem Belauern geprägt ist. Aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß man: Geheimdienste geben kaum je ihre Absichten auf, genauso wie es kein ehemaliges Geheimdienstmitglied (und auch keinen Spitzel des Geheimdienstes) gibt, der  irgendwann  wirklich „deaktiviert” wird. Ganz nach der Formel: einmal Geheimdienstler - immer Geheimdienstler; einmal Spitzel - immer Spitzel.

Dass alles unter der Schirmherrschaft der Armee geschehen sollte, fußte auf dem guten Ruf, den die Armee bei der Vertrauensfrage genießt – und sollte diesen, die öffentliche Meinung besänftigend, nutzen. Kaum glaubhaft ist in dieser Affäre auch, dass alles bei Umgehung des Parlaments passieren sollte: Zumindest der Geheimdienstausschuss und der für die Armee zuständige Ausschuss können kaum umgangen worden sein...

Außerdem ist da eine „Vorgeschichte”. 2021 stimmten 228 Volksvertreter (87 Prozent der Anwesenden) dafür, dass der Inlandsgeheimdienst SRI Strafverfolgungsdokumente ausarbeiten kann; 73 Prozent der Kabinettsmitglieder der Ciuc˛-Regierung haben geheimdienstliche Ausbildung. Günstige Prämissen für die Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste, vor allem des SRI und des Auslandsgeheimdienstes SIE. Neben Terrorismusbekämpfung besteht der Geheimdienstwunsch nach Erweiterung des Wirkungsbereiches auf Verwaltung, IT, Energiewirtschaft,
Gesundheitswesen, Bildung und Kultur. Dass die Gesetzentwürfe von den Medien rechtzeitig aufgedeckt wurden – nicht umsonst sollten die Pakete hinter dem Rücken und fern der Blicke der Öffentlichkeit geschnürt werden – ist erfreulich und erschreckend. U.a. sollten die Geheimdienste per Gesetz befähigt werden, jedwelchen der Bürger dieses Landes zu zwingen, ein Spitzel zu werden, den man zu absoluter Geheimhaltung dieser Tatsache verpflichten hätte können. Zur Ceau{escu-Zeit verdienten sich Spitzel noch ein „Zubrot”.

Zudem sollte den „Diensten” das Recht zugestanden werden, eigene NGOs und eigene Firmen zu gründen (vorhandene Organisationen sollten nachträglich legalisiert werden...). Damit wäre der Wettbewerb im rumänischen „Kapitalismus” praktisch ausgeschaltet worden. Denn durch frühere Gesetze haben die Geheimdienste bereits die Möglichkeit, ihnen missliebige Konkurrenten bei Ausschreibungen auszuschalten...

Zu alldem sollten noch (u.a.) kommen: Haus- und Firmendurchsuchungen der „Dienste”, ohne gerichtsinstanzliche Genehmigung; Beschränkung der Untersuchungsmöglichkeiten gegen Geheimdienstler; Beschränkung auf einige Staatsanwälte, die für solcherlei Untersuchungen befugt sind und die von SRI und SIE „akzeptiert” werden usw.

Rumänien hat den Geheimdienststaat ausgelotet.