Brennholz oder/und Urwald

Von der Schlitzohrigkeit des Chefs der Forstverwaltung des Banater Berglands und der Reaktion der Umweltschützer

Gesunder Buchenwald am Rande des Nationalparks Semenik-Karasch-Schluchten, im Raum Anina Foto: der Verfasser

Blauäugig und voll gespielter Unschuld las Tabugan solche Aussagen vom Blatt herunter, als ihn die Institution der Präfektur vor den Präfekturrat geladen hatte, um über die Situation der Forste des Banater Berglands und die Winterversorgung mit Brennholz zu berichten. Das Banater Bergland gilt als jene Gegend Rumäniens, wo es dank verantwortungsbewusster Leiter von Forstamtbezirken in den 1990er Jahren heute die größten unter Schutz stehenden Forste sowie die meisten naturbelassenen und den europäischen Urwäldern zuzurechnende Waldareale ganz Rumäniens gibt.

Die Einladung vor den Präfekturrat kam in einem zeitlich zusammenfallenden Kontext: Einerseits die im Frühherbst von der Regierung beschlossene Deckelung der Preise für Brennholz, die auf heftigsten Widerstand der staatlichen Forstverwaltung Romsilva, vor allem aber der Holzeinschlagunternehmen und der Holzhändler (die, oft alle drei, in Personalunion arbeiten) gestoßen ist (eine Maßnahme, die inzwischen von der Regierung stillschweigend außer Kraft gesetzt wurde, bzw. nicht umgesetzt wird…). Und andererseits die von der EU geforderte – und von Rumänien akzeptierte – Ausweitung der Forstschutzgebiete: Naturschutzgebiete, Naturparks, streng geschützte/unter Vollschutz stehende Areale, vor allem deren Kerngebiete, die unter Totalschutz stehen. Von deren Umsetzung hängen weitere Tranchen Geldspritzen der Europäischen Union ab.

Der Aussage Tabugans über die Umweltfreundlichkeit der Heizung mit Brennholz – grundsätzlich: die Umweltfreundlichkeit des Verbrennens von Holz – wird in der Praxis schon allein durch das generelle Verbot widersprochen, dass in jeder Wirtschaft anfallende Vegetationsreste – herbstliche Blätter, trockenes Astwerk, Ruten und Triebe vom Schnitt der Obstbäume und Weingärten usw. – einfach verbrannt werden, implizite die Verpflichtung, der die Kommunen unterliegen, solcherlei anfallende Vegetationsreste zentral zu sammeln und eventuell zu verwerten, u.a. durch Zermahlen/Zerkleinern und/oder Kompostierung oder Kompaktierung.

Und da stellt sich ein Forstmann vor die Leute der Präfektur und erklärt ihnen, dass  Holzverbrennen umweltfreundlich sei. Von seiner Aussage stimmt nur das „Nachwachsen“, die Naturverjüngung, allerdings ist das im Forstwesen eine Sache von Generationen, nie von Jahrzehnten, wie der studierte Forstingenieur es mit Sicherheit weiß, aber falsch weitergibt…

Forstmann erklärt Urwälder für „problematisch“

Kaltschnäuzig, und als ob aus seinem Mund die Holzmafia spräche, las der oberste Forstmann des Banater Berglands vom Blatt herunter: „Im Banater Bergland gibt es eine ausreichend große Fläche, die mit Forsten bewachsen ist. Diese sind Gegenstand periodisch durchgeführter Pflege- und Instandhaltungsarbeiten, der Anwendung spezifischer forsttechnischer Behandlungen. Wir verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz in diesen Bereichen, den wir uns in Jahrzehnten der Anwendung angeeignet haben. Ich fühle mich verpflichtet, zu präzisieren, dass eine Ausweitung der streng geschützten Areale und der Vollschutzgebiete im Rahmen der Natur- und Nationalparks die Gefahr in sich birgt, zu Gleichgewichtsstörungen der Habitate zu führen. Denn es gibt keinerlei Fachstudien, die eine derartige Ausweitung der Vollschutzgebiete rechtfertigen würden.“

Vulgo: Wenn man einen Wald wachsen lässt, wie es die Mutter Natur einrichtet, oder: Wenn man nicht einen hochgeschulten Forstmann schalten und walten lässt im Wald – dann entsteht Chaos, dann kommt‘s zu den vom geschulten Forstmann (Tabugan weist häufig auf seine Forststudien hin und tut damit kund, dass er ein Fachmann des Bereichs sei) beschwörten „Gleichgewichtsstörungen der Habitate“ (im Original: „dezechilibre ale habitatelor“).

Im Umkehrschluss also: Lasst doch die Leute von der staatlichen Forstverwaltung tun, was sie (vorgeben,) am besten tun (zu) können – den Wald, die Forste „nutzen“. Andersrum: Ökonomie vor Ökologie. Und mischt euch da nur ja nicht ein in unser Wirtschaften, sonst kommt´s zu „Gleichgewichtsstörungen der Habitate“…

Der Bericht Tabugans ist voller leicht widerlegbarer Halbwahrheiten und Halbwahr-Behauptungen mit dem Anstrich von Fachwissen und -kompetenz. Er möchte dem Präfekturrat klarmachen, welches die kurz- und mittelfristigen (Negativ-)Folgen für die Wirtschaft des Banater Berglands wären, wenn dem Wunsch der EU Folge geleistet wird, die geschützten Areale im Banater Bergland auszuweiten.

Am schwärzesten malt Tabugan die Folgen der Vergrößerung der streng geschützten, unter Vollschutz stehenden Forstareale – wo (laut Definition des Vollschutzes) kein Grashalm geknickt und keine Blume gepflückt werden dürfte…

Der Legalität wird nachgeholfen

Der Kontext, in welchem die düsteren Behauptungen des obersten Försters des Banater Berglands in den Raum gestellt wurden, ist von der ADZ bereits öfter dargestellt worden: Die Umweltschutzorganisationen werfen der Forstdirektion Direcția Silvică (DS) Karasch-Severin seit Jahren vor, einerseits unter dem Vorwand von „Pflegearbeiten“ aus den geschützten und streng geschützten Arealen die als besonders wertvoll geltenden 200-jährigen und älteren Buchen, Bergahorn usw. „zu ernten“ (bei der Forstverwaltung spricht man vom „Extrahieren“, als ob es sich um kaputte Zähne handelte, die fürsorglich zu ziehen sind), vorgeblich, weil sie krank seien oder von Wetterunbilden verletzt wurden, andrerseits, dass Romsilva und ihre Kreisvertretung DS die Forsteinrichtung Amenajamentul forestier/pădurilor unter Druck setzen, das Areal der Vollschutzgebiete einzuengen, um wertvolles Holz am neu entstehenden Rand des eingeengten Vollschutzgebiets legal schlagen zu können.

Kurz nach dieser Tagung des Präfekturrats – auf der dem obersten Forstmann des Banater Berglands niemand konkrete Fragen stellte – organisierten die Umweltschutz-NGOs im und rund um den Nationalpark Semenik-Karasch-Schluchten sowie vor dem Sitz der Forstdirektion DS am Lupaker Berg in Reschitza Proteste. Hauptforderung an den Staat und ans einschlägige Ministerium sowie ans Ministerium für Umweltschutz: Die staatliche Forstverwaltung Romsilva muss aus der Verwaltung von Naturschutzgebieten ausgeschlossen werden, implizite: „Ministerul Mediului: STOP EXPLOATARII ÎN PARCURILE NATIONALE!“ Der Vorwurf, den die Forstschützer der staatlichen Forstverwaltung machen: Seit 18 Jahren, seit Romsilva die geschützten Areale verwaltet, hat die Forstverwaltung systematisch ihre Vertragsverpflichtungen gegenüber dem Ministerium für Umweltschutz verletzt. Oder einfach ignoriert. Obige Botschaft in rumänischer Sprache hatten die Volontäre von Agent Green an den Hängen des Semenik, auf einer durch Kahlschlag mitten im Nationalpark „entstandenen“ Freifläche, auf einem 96 Quadratmeter großen Transparent von Drohnen filmen lassen und ins Netz gestellt. Den Zaun rund um den Sitz der Forstdirektion hatten sie mit Spruchbändern verhüllt, auf denen stand: „Salvați Semenicul de Romsilva!“ (Rettet den Semenik vor Romsilva), „Romsilva – Game over!“  und „Protejați strict Parcul Național Semenic“ (Vollschutz für den Nationalpark Semenik).

Agent Green zu einem Deal bereit

Agent Green, eine der konsequentesten Umweltschutzorganisationen Rumäniens, hat seit Jahren Prozesse gegen Romsilva (aber auch gegen das Ministerium für Umweltschutz und gegen ANANP, die Nationale Agentur zur Verwaltung Geschützter Areale) angestrengt, die zum Teil vor höheren Gerichtsinstanzen immer noch laufen. Grundsätzlich geht es um die Stornierung des Verwaltungsvertrags, den Romsilva mit dem Ministerium für Umweltschutz und mit ANANP abgeschlossen hat und den Romsilva auslegt, wie es seine laufenden wirtschaftlichen Interessen diktieren: Vor allem in Richtung Holzernte, wo die schönsten, ältesten und wertvollsten Forste stehen – in den unter Vollschutz stehenden Arealen. Grundsätzlich gäbe es aber gar keinen Vertrag mehr zum Stornieren, denn der ursprüngliche Verwaltungsvertrag für den Naturpark Semenik-Karasch-Schluchten war 2004 für zehn Jahre abgeschlossen worden, lief also 2014 aus. Binnen zwei Jahren danach, also bis 2016, hätte Romsilva Zeit gehabt, einen Managementplan auszuarbeiten für das Schutzgebiet (den „Managementplan zur Konservierung des Nationalparks“). Obzwar es Anläufe zu einem Managementplan gab, ist keiner der Pläne von Romsilva jemals genehmigt worden (was mit der Unterschrift des Umweltministers besiegelt wird). Das hat Romsilva dazu genutzt, den Nationalpark Parzelle um Parzelle faktisch zu roden (bzw. die schönsten Bäume zu „extrahieren“ – daher auch der Verdacht, dass die Managementpläne – die den Status von Regelwerken zur Verwaltung und Nutzung geschützter Areale haben – absichtlich so ausgearbeitet wurden, dass sie nicht genehmigbar waren…).

„Extrahiert“ hat Romsilva einschließlich in den ausgewiesenen Urwaldresten in den Sonderreservaten „Karasch-Schluchten“, „Bârz²vi]a-Tal“ und im Raum Anina/Steierdorf bei Buhui-M²rghita{. Möglich war das, weil durch das Fehlen eines Managementplans die Grenzen der Vollschutzgebiete willkürlich festgelegt wurden, im Rahmen von Forsteinrichtungen, die offensichtlich unehrlich waren. Das „Projekt Inspire“, das durch den wissenschaftlichen Beirat des Nationalparks (den Romsilva nachher abgesetzt und personell ersetzt hat) und die Naturschutzorganisationen ausgearbeitet und klare Grenzen zwischen den einzelnen Zonen des Nationalparks festgeschrieben hatte, wurde einfach ignoriert. Die Krone setzte dem Ganzen der jüngste Forsteinrichtungsplan für den Forstamtbezirk Franzdorf/Văliug auf, der Holzeinschlagquoten auf dem gesamten Gebiet des Reservats „Bârzăvița“ vorsieht.

Agent Green startete eine neue Offensive: „Agent Green ist bereit, seine Prozesse gegen Romsilva, das Ministerium für Umweltschutz und gegen ANANP  einzustellen, wenn binnen dem nächsten Monat eine neue Verwaltung des Nationalparks Semenik-Karasch-Schluchten eingesetzt und der Park unter Vollschutz gestellt wird“, heißt es in einer Erklärung. „Desgleichen muss der Nationalpark erweitert werden durch Einschluss des Urwaldrestes von „Coșava Mică“ sowie des Unesco-Reservats „Nera-Quellgebiet“ auf dem Semenik-Plateau, wo es noch einen Buchenurwald gibt, der dieselben Charakteristika wie das Unesco-Reservat hat.“ Der von Agent Green gesetzte Termin wäre in der ersten Januarhälfte 2023 fällig.