„Das ganze Programm war ein Aha-Erlebnis“

Interview mit Raluca-Andreea Șolea, ehemalige IPS-Stipendiatin im Deutschen Bundestag

Stipendiatin Raluca-Andreea Șolea mit ihrer Abgeordneten, Dr. Bettina Hoffmann von Bündnis 90/Die Grünen

Raluca-Andreea Șolea hat 2018 fünf Monate als IPS-Stipendiatin in Berlin verbracht. Dort begleitete sie drei Monate lang Dr. Bettina Hoffmann, die seit 2017 als Mitglied des Deutschen Bundestages in der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, in verschiedenen Ausschüssen für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit, Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung tätig ist. In einem hervorragenden Deutsch erzählt die heute 27-jährige IPS-Alumna im Gespräch mit ADZ-Chefredakteurin Nina May über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in Berlin, die sie nicht nur persönlich enorm bereichert haben, sondern auch Türen und Tore im Berufsleben geöffnet haben.

Frau Șolea, können Sie sich bitte kurz vorstellen – und uns auch verraten, wo Sie so gut Deutsch gelernt haben?

Ich komme aus Buzău, lebe aber seit fast zehn Jahren in Bukarest. Deutsch habe ich in Buzău ab der fünften Klasse gelernt und dann im Rahmen meines Studiums der Fremdsprachen an der Uni in Bukarest vertieft. Ich habe einen Master in internationalen Beziehungen und Völkerrecht absolviert und schreibe jetzt an meiner Promotion in Völkerrecht an der juristischen Fakultät Bukarest. Außerdem arbeite ich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). 

Was hat Sie vor fast fünf Jahren bewogen, sich für das IPS-Programm in Deutschland zu bewerben?

Ich habe mich beworben, weil ich dieses Programm als einzigartige Möglichkeit betrachtet habe, um Einblicke in die deutsche Politik zu bekommen. Ich bin politisch interessiert und es hat gut zu meinem Masterstudium an der nationalen Hochschule für politische und administrative Studien gepasst.

Was beinhaltete das Programm alles?

Ich war insgesamt für fünf Monate in Deutschland. Drei Monate dauerte das Praktikum im Abgeordnetenbüro bei Frau Dr. Hoffmann und in der übrigen Zeit hatten wir Veranstaltungen, Seminare, Ausflüge... Wir waren mehrere Stipendiaten aus zirka 50 Ländern und wurden in Gruppen aufgeteilt. Aber im Büro der Abgeordneten war ich alleine. 

Wie sind Sie an diese Abgeordnete gekommen? Waren Sie vorher schon an Umweltthemen interessiert?

Ich habe diesen Bereich gewählt – also, eigentlich habe ich mehrere Parteien gewählt, aber auch Bündnis 90/Die Grünen waren auf meiner Liste – und wurde dann Frau Dr. Hoffmann zugeordnet. Umweltpolitik war ein neuer Bereich für mich, ich hatte mich vorher nicht so sehr damit befasst, außer ein paar Veranstaltungen in der Schule. Aber ich wollte etwas Neues lernen – und es war mir wichtig, vor allem wegen des Klimawandels. 

Wie hat Ihr Alltag im Büro der Abgeordneten ausgesehen?

Ich habe Veranstaltungen der Fraktion und Anhörungen im Umweltausschuss besucht, habe Bürgerbriefe beantwortet, mich um Besuchergruppen gekümmert, habe an der Erstellung eines Berichts zur Luftverschmutzung gearbeitet. Nach der Arbeit habe ich entweder die Abgeordnete zu verschiedenen parlamentarischen Veranstaltungen begleitet  oder ich bin zu Sprachkursen gegangen, die vom Sprachzentrum der Humboldt-Uni angeboten wurden, oder zu anderen Kursen an dieser Uni. Oft habe ich mich auch mit anderen Stipendiaten getroffen und das schöne Berlin in einem schönen Sommer genossen.

Gibt es eine spezielle Erinnerung an etwas Besonderes oder an ein Aha-Erlebnis aus dieser Zeit?

Ich denke, ein Aha-Erlebnis war das Programm selbst! Stellen Sie sich vor: man arbeitet mit den Menschen im Deutschen Bundestag, man nimmt an verschiedenen Veranstaltungen dort teil, wo man auch andere Stipendiaten trifft. Dann geht man nach Hause und nimmt an kulturellen und interkulturellen Aktivitäten mit Kollegen teil. Es ist eine Zeit, neue Leute kennenzulernen, man entwickelt sich, man hat sehr viel Spaß!

Was hat Ihnen die Erfahrung konkret gebracht, persönlich wie beruflich?

Vieles!  Persönlich: wertvolle Kontakte, sowohl mit Frau Dr. Hoffmann als auch mit den Stipendiaten aus den anderen Ländern. Beruflich: Als ich aus Berlin zurückgekommen bin, habe ich ein Jahr im Umweltministerium gearbeitet. Wenn ich das Praktikum im Bundestag bei den Grünen im Umweltausschuss nicht gemacht hätte, hätte ich mich nie getraut, mich auf so eine Stelle zu bewerben! So hat mir das Programm die Tür für eine andere schöne Erfahrung geöffnet. Außerdem habe ich Frau Dr. Hoffmann im Rahmen meiner jetzigen Tätigkeit beim DAAD 2021 nach Bukarest eingeladen, um eine Rede zu halten. Ihre Zusage hat mir große Freude gemacht und es war sehr schön, sie wiederzusehen. 

Wie können Sie Ihre Erfahrungen heute beruflich einbringen?

Bei den Veranstaltungen, die wir beim DAAD organisieren oder bei der Beratung von Studenten, die Interesse an Berlin als Praktikums- oder Studienort haben. Es sind sehr viele, die Interesse an Berlin haben!

Wem würden Sie ein IPS-Praktikum empfehlen und welche Vorraussetzungen sollte derjenige dafür mitbringen?

Eine solche Erfahrung kann ich eigentlich allen Hochschulabsolventen empfehlen, unabhängig vom Studiengang. Ich bin der Meinung, dass das IPS-Programm ein Türöffner und eine schöne Erfahrung ist, die kein Absolvent, der Deutsch kann, verpassen sollte.  
Neben guten Sprachkenntnissen sollte man auf jeden Fall politisches Interesse und Engagement mitbringen, Motivation – und zu guter Letzt: Offenheit! 


„Rückblickend kann ich ohne Zweifel sagen, dass das IPS-Programm (2004 hieß es noch IPP) mein Leben verändert hat. Diese fünfmonatige Erfahrung hat mir damals eine klare Richtung gegeben, wie ich meine berufliche Laufbahn in Rumänien gestalten möchte. Schon als Studentin, also einige Jahre vor meinem Praktikum im Bundestag, wusste ich, dass ich in einem Bereich arbeiten möchte, der mit Politik zu tun hat. Diese Richtung habe ich über die Jahre konsequent beibehalten. Alles, was ich damals im Büro von MdB Gunther Krichbaum oder bei all den Tätigkeiten, Veranstaltungen oder Reisen rund um das Praktikum lernen und erleben durfte, konnte ich später in meinem Beruf erfolgreich anwenden. Besonders jetzt, wo ich als Projektkoordinatorin für die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Rumänien arbeite.“

Adriana Șteau, Projektkoordinatorin Friedrich Naumann Stiftung