Das Kommärzchen

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Nun haben wir sie wieder hinter uns gebracht, die acht Märzchentage plus Weltfrauentag, von der die Frau von Welt in der Regel zum ersten Mal erfährt, wenn sie ihren Fuß nach Rumänien setzt. Oder sagen wir, zum ersten Mal persönlich damit konfrontiert wird. So, nun bin ich stolzer Besitzer von 11 Schneeglöckchen, zwei Tulpen, einer Freesie und einer Orchideenblüte, einem Plüsch-Marienkäfer, einer glitzernden Anstecknadel und einem silbrigen Blümchen, beides mit der obligaten rot-weißen Kordel dekoriert. Und dies, obwohl sich meine männliche Verehrerschar dank fortgeschrittenen Alters mittlerweile stark in Grenzen hält.

Was lernen wir daraus? Erstens, dass der Frühling kommt. Oder zumindest kommen sollte, was in diesem Jahr mehr als ungewiss ist. Vermutlich wird der Winter wieder schlagartig am ersten Mai mit einem Temperatursprung von 30 Grad in den Hochsommer umschlagen. Zweitens aber lernen wir, dass trotz Wirtschaftskrise und Kaufkraftflaute in Rumänien noch ungeahnte Geschäftschancen schlummern. Es ist das Geschäft mit den Märzchen (mărţişor) – oder Kommärzchen – je nach Betrachtung. Den Rumänen erzähle ich jetzt wohl nichts Neues. Für die Rumänien-Neulinge oder alle, die aus der Ferne jemals mit diesem Land zu tun haben wollen, sei dieser Artikel jedoch Teil einer wichtigen Initiation. Denn wer das Märzchen nicht kennt, ist – tschuldigung – eben einfach nicht rumänientauglich!

Auf der einen Seite freut es einen als (Wahl-)Patriot natürlich, dass das anson-sten so auslandshörige Land den adoptierten Valentins- und Halloweensbräuchen eigenes Brauchtum entgegensetzen kann. Wenn schon der Dragobetetag leichtherzig geopfert wurde, das Märzchen, soviel verriet der Blick der letzten Jahre auf Straßenrandbuden, fliegende Händler und rappelvolle Ramschmärkte, wird niemals untergehen. Es wird, im Gegenteil, immer variationsreicher: von Anhängern aus Plastik und Billigmetall für zwei Lei bis hin zu handgemachten kleinen Kunstwerken aus Perlen, Ton oder Federn, von kitschigen Plüschkissen und Kaffeetassen mit der Aufschrift „für die beste Ehefrau“ (das sollte einem zu denken geben, der Geber hat offenbar einen Vergleich!) bis hin zu – nun, bis wohin eigentlich? Im Prinzip gibt es keine Grenzen, denn ein Märzchen definiert sich einzig und allein durch die rot-weiße Kordel, die man sich wohl von den bemalten Holzkirchen der Maramuresch abgeschaut hat: das verschlungene Seil, dort aus Holz geschnitzt, wobei die roten und weißen Stränge den Wechsel von Gut und Böse, Glück und Leid, Leben und Tod symbolisieren. Folkloristischer Tiefsinn, dem Unsinn auf den Marktständen gnadenlos aufgepfropft.

Und doch unverzichtbares Beliebtheitsbarometer in der Schule und am Arbeitsplatz, wobei der diplomatische Bub oder Mann am besten gleich alle Kolleginnen, Lehrerinnen und Chefinnen beschenkt, damit man auch nur ja keine falsche Schlüsse daraus zieht und ihn die Konsequenzen den Rest des Jahres spüren lässt. Nein, da greift Mann oder Mama, für den Fall, dass das Männlein noch klein und finanziell abhängig ist, lieber tief in die Tasche und rüstet sich mit einer Riesentüte voller Märzchen, plus Extramärzchen für unerwartet auftauchende Exemplare des anderen Geschlechts. Wer viele soziale Kontakte pflegt – freiwillig oder unfreiwillig – kann so schnell zum Sozialfall werden.

Oder aber er meldet sich für eine Woche krank, eine Rechnung, die natürlich nur dann aufgeht, wenn der Arzt, der den „Krankenurlaub“ verordnet, keine Ärztin ist. Was mit all den Märzchen nach dem 8. März passiert, habe ich allerdings trotz langjähriger Rumänienerfahrung noch nicht herausgefunden. Hier eine Geschäftsidee für alle Kommärzianten: Wie wärs mit einem Recycling? Oder zumindest einem Pfand auf die Rückgabe der rotweißen Bändchen? Oder aber wir verkaufen den Chinesen und Amerikanern diese Idee und werden Nummer Eins Exporteur von Second-Hand-Märzchen mit nur ganz geringen Gebrauchsspuren...