Das Pilotprojekt „Deutsche Berufsschule Kronstadt“

Im Herbst beginnt der praxisorientierte Unterricht im ehemaligen Rulmentul-Industrielyzeum

Der Deutsche Wirtschaftsklub Kronstadt (DWK) ist der Initiator eines Pilotprojektes, das gleich mehrere Ziele hat: Der Mangel an qualifizierter Arbeitskraft, der seit einiger Zeit auch in Kronstadt/Braşov verzeichnet wird, soll gemindert werden. Außerdem sollen Jugendliche die Möglichkeit haben, einen praxisorientierten Lehrgang zu besuchen, der auf europäischem Standard betrieben wird und der sich nach dem deutschen dualen Unterricht orientiert. Die Absolventen sind Lehrlinge, die sich anschließend nicht ins Ausland auf Arbeitssuche begeben müssen, sondern die in Kronstadt und Umgebung die Arbeitsplätze finden, für die sie ausgebildet wurden. Das komme nicht nur den Jugendlichen selbst zugute, sondern auch den Firmen, die ihren Fachkraft-Nachwuchs sichern. Und auch Kronstadt profitiert davon: Arbeitskraft muss nicht „importiert“ werden, vor Ort gibt es gute Entwicklungsaussichten für die Industrie und somit auch für die Stadt.

Damit diese Überlegungen möglichst schnell und wirksam umgesetzt werden, war es notwendig, dass der DWK davon auch die Stadtverwaltung und das Kreisschulamt überzeugen konnte. Dort habe man großes Entgegenkommen und die Bereitschaft zur Mitarbeit erfahren. Das sei bereits 2010 geschehen, sagte der Direktor von „INA Schaeffler Romania“, Alexandru Blemovici, DWK-Mitglied, anlässlich eines Treffens mit Kronstädter Unternehmern im Aro-Hotel, wo das Projekt „Deutsche Berufsschule Kronstadt“ vorgestellt wurde. Hauptveranstalter dieser Gesprächsrunde war die Kronstädter Industrie und Handelskammer (CCI), die dazu außer den Schaeffler-Direktor Bürgermeister George Scripcaru, den neugewählten Rektor der Transilvania-Universität, Ioan Vasile Abrudan, DWK-Vorsitzenden Werner Braun, Chefschulinspektor Dorel Agache und den Vorsitzenden der Kronstädter Metropolbehörde, Dragoş David, als Podiumsgäste gewinnen konnte. CCI-Präsident Nicolae Şucunel moderierte dieses Treffen, das in kleinerem Rahmen fortgesetzt werden könnte – eine bessere Möglichkeit für einen effizienten Dialog.

Direktor Blemovici unterstrich den innovativen Charakter der neuen Ausbildungsform. Im ersten der beiden Schuljahre ist der praktischen Ausbildung 60 Prozent der Unterrichtszeit reserviert, im zweiten Schuljahr steigt dieser Prozentsatz auf 75. Eingerichtet werden acht Klassen für 228 Schüler, die für die Berufe Facharbeiter an computergesteuerten Werkzeugmaschinen und Facharbeiter im Bereich Mechatronik ausgebildet werden. Der Unterricht wird im Herbst im ehemaligen Rulmentul-Industrielyzeum beginnen. Die Neuerungen im Bildungsgesetz ermöglichten es, dass diese Schule ins staatliche Unterrichtssystem eingegliedert wird und somit nicht, wie ursprünglich vorgesehen, als Privatschule funktionieren muss. Die Anstalt wird „Deutsche Berufsschule Kronstadt“ heißen, wobei „Deutsch“ nicht bedeutet, dass Deutschkenntnisse eine Voraussetzung zur Einschreibung sind. Deutsch wird aber als bevorzugte Fremdsprache im theoretischen Teil unterrichtet und „Deutsch“ steht für die deutsche Erfahrung dieses alternativen Unterrichts sowie für die deutschen Firmen, die als DWK-Mitglieder hinter diesem Projekt stehen. Es sind elf an der Zahl, die bekanntesten sind: INA Schaeffler, Continental, Premium Aerotec, Dräxlmaier, Preh, Stabilus, Rolem, Autoliv.

Diese Firmen verdoppeln das vom Staat gesicherte Schülerstipendium (200 Lei), ermöglichen die praktische Ausbildung und bieten nach Schulbesuch (der mit einem weiteren sechsmonatigen Praktikum verlängert werden kann) einen Arbeitsplatz an oder die Fortsetzung der Studien auf höherem Niveau. Die Kriterien zur Schülerauswahl legt ebenfalls der DWK fest. Stadtverwaltung und Schulamt sicherten das Schulgebäude und tragen die Betriebskosten und die Hälfte der Stipendien. Auf ihren Wunsch wurde auch eine Klasse mit dem Profil Bauwesen hinzugefügt. DWK-Chef Werner Braun rechnet mit weiterer Einbindung deutscher Behörden in dieses Projekt (hauptsächlich Arbeitskammern aus München, Regensburg, Nürnberg), zum Beispiel im Bereich Ausstattung. Das Kronstädter Projekt soll in den nächsten Monaten auch am rumänischen Generalkonsulat in München vorgestellt werden. Desgleichen deutet sich die Gründung sogenannter Cluster an. Die Kronstädter Flugzeugindustrie sei dazu geeignet und in dieser Form der Zusammenarbeit könne dann auch die spezifische Fachausbildung gefördert werden. 

Die Initiative des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt sei beispielgebend und beachtenswert, hieß es anerkennend beim Treffen im Aro-Hotel. Die Initiatoren selbst unterstrichen, dass die Tore geöffnet bleiben für weitere Zusammenarbeit mit Partnern, die sich diesem Projekt anschließen wollen. Der Bedarf sei nicht nur im Maschinenbau, sondern auch in anderen Bereichen, wie touristische Dienstleistungen und Leichtindustrie, vorhanden.
Die „Deutsche Berufsschule Kronstadt“ (rumänischer Titel „Şcoala Profesională Germană Kronstadt“) wird im September vom Projekt zur Realität werden. Ihr kann nur das gewünscht werden, was Werner Braun sich von ihr verspricht: „Eine leistungsfähige Schulanstalt, auf die Kronstadt stolz sein kann.“