„Der Anfang war verdammt schwierig“

Henri Ossevoort wirbt für umweltbewusstes Handeln und engagiert sich für seine neue Heimat Michelsberg

Henri Ossevoort vor dem von ihm entworfenen, runden Haus. Foto: Holger Wermke

Er ist Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde Michelsberg/Cisnădioara, jeden Mittwoch singt er im Hermannstädter Bachchor und auch bei den Treffen des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen ist er ein regelmäßiger Gast. Der Holländer Henri Ossevoort ist aus der deutschsprachigen Gemeinschaft Hermannstadts nicht mehr wegzudenken. Der gelernte Maschinenbauingenieur besitzt eine Beratungsfirma für Energie- und Umwelttechnik. Seit 14 Jahren lebt der 69-Jährige in Siebenbürgen. Im Gespräch mit ADZ-Redakteur Holger Wermke spricht er über seine Erfahrungen im vergangenen Jahrzehnt und über Dinge, die ihn bewegen.

Warum sind Sie 1998 nach Rumänien gezogen?
Ich bin damals (1994, d. R.) von der Stadt Deventer eingeladen worden zu einem Besuch in Hermannstadt. Ich kam zurück und war ganz beeindruckt von Rumänien und habe mich dann der Deventer-Stiftung angeschlossen, die damals humanitäre Hilfe geleistet hat bzw. Schulprojekte unterstützte. Hilfsgüter war nicht meine Abteilung, aber dafür Projekte mit Wasseranlagen oder Toilettenbau in Schulen, das habe ich gemacht. Durch diese Besuche habe ich mich in Rumänien verliebt und einige Jahre später habe ich dann gesagt, ich bleibe hier. Noch etwas später habe ich meine Frau hier kennen gelernt und beschlossen, ein Haus zu bauen. 

Sie haben hier eine Firma aufgebaut...
Ich hatte meine Beratungsfirma in Holland im Energie- und Umweltbereich. Diese habe ich hierher „mitgenommen“. Eines meiner ersten Projekte war die Heizung in der evangelischen Stadtpfarrkirche (in Hermannstadt, d. R.). Dann kamen Beratungsaufträge auf den Gebieten Bauphysik, Holzbau u. a. Später kam das Projekt Solaranlage für das Carl-Wolff-Altenheim, dann kleine Wasserkraftanlagen bei Albota oder in Gura Râului. In Mediasch haben wir mit Architekt Fabini die Energieanlage für das Gemeindehaus der evangelischen Kirche geplant, und so weiter.

Am Anfang wird es schwer gewesen sein für Sie, sich hier zu etablieren.
Ja, der Anfang war verdammt schwierig. Naja, meinen ersten Auftrag habe ich verloren, weil ich ihn (den Auftraggeber, d. R.) nicht gekauft habe. Das war eine Erfahrung für mich, die ich gar nicht kannte. In Holland geht das einfach nicht so, dass man in das Angebot was reinsteckt. Den zweiten habe ich auch verloren, weil die rumänischen Industrieunternehmen keine Ahnung hatten, was eine Beratungsfirma machen kann. Die waren es so gewohnt, dass wenn sie ein Problem hatten, gingen sie zum Installateur. Ich legte einen Plan vor, und sollte anfangen zu bauen. Ich baue aber nicht, sagte ich. Und dann war Schluss. Nach anderthalb Jahren kamen sie zurück, nachdem das, was die Installationsfirma gebaut hatte, nicht funktionierte. 

In den vergangenen 15 Jahren hat sich Hermannstadt enorm entwickelt. Welches sind für Sie die größten Veränderungen?
Das sind Riesenveränderungen hier. Zum einen die Stadtentwicklung, die sich an westliches Niveau angepasst hat. Zum Beispiel war 1994 abends um zehn die ganze Stadt dunkel, jetzt sieht das wie Las Vegas aus. Ich habe schon gefragt, wo die das Geld herhaben, die Beleuchtung die ganze Nacht brennen zu lassen. In Deutschland und Holland müssen sie schon wieder Energie sparen, weswegen die Lampen ausgemacht werden abends nach 11 Uhr. Sehr positiv entwickelt hat sich die Industrie, auch wegen der deutschen und holländischen Unternehmen.

Gibt es Entwicklungen, die Ihnen nicht gefallen?
Was sich gar nicht entwickelt hat und was mich auch stört, ist die Landwirtschaft. Die entwickelt sich nicht, weil die Regierung in den letzten 20 Jahren nicht einen Pfennig in die Landwirtschaftsentwicklung gesteckt hat. Rumänien ist im Grunde ein Agrarland. Agrar und Wälder. Ich war an einem Projekt in Westen (Veştem) beteiligt; drei Jahre haben wir geschuftet und nichts erreicht. Die Bauern waren nach der Wende so sauer, dass sie die Zentralbauernhöfe abgebrochen haben und um 50 Jahre zurückgefallen sind. Alles kleine Bauern. Kooperation ist ein lustiges Wort hier in Rumänien. Die Zusammenarbeit haben sie den Bauern abgewöhnt in 40 Jahren Kommunismus. Um aus diesem tiefen Tal herauszukommen, braucht man doch Unterstützung von der Regierung, und Ideen. 

Sind Agrarinvestoren aus dem Ausland eine Lösung?
Die Landwirtschaft hier ist Überlebenslandwirtschaft, keine Landwirtschaft mit Profit. Die Betriebe hier sind meistens gemischte Betriebe mit Tieren und Pflanzenbau, das gibt es in ganz Europa nicht mehr. Das hat sich alles spezialisiert. Nur die ausländischen Bauern machen das. Und die ausländischen sind zehnmal schneller als die rumänischen Bauern. Die werden überflügelt und dann können die Rumänen wieder schuften beim Großbauern, wie sie das 50 Jahre lang im Kommunismus gemacht haben. Mir gefällt die Vorstellung nicht.

Engagieren Sie sich auch im Energiebereich, ihrem eigentlichen Arbeitsbereich?
Mit meiner kleinen Firma arbeite ich kleine Projekte aus. Mein Hauptauftrag, finde ich, ist die Übertragung von Wissen. Es gibt die Sommerschule für Architekten hier in Hermannstadt, die von der Architektenkammer organisiert wird. Ich gebe dort Vorträge auf dem Gebiet Energie und Umwelt, Bauphysik oder aktive und passive Solarenergie. Die Studenten wissen dann überhaupt nicht, wovon ich rede (schmunzelt). Gestern habe ich wieder eine Umweltveranstaltung gehabt, wo ich zeige, dass es auch anders geht, dass es profitabel gehen kann bei Wasser oder Abfall.

Das Thema erneuerbare Energien wird auch in Rumänien immer wichtiger. Wie schätzen Sie das Potenzial für diese Energieformen im Kreis Hermannstadt ein?
Windenergie geht in dieser Gegend gar nicht. Solarenergie und Fotovoltaik sind in der Entwicklung, hier gibt es mehr Sonnenstunden als in Deutschland. In meiner Heimat sind auf jedem Dach bei den Bauern Solaranlagen installiert. Da müssen die Bauern jedoch selbst investieren, das können die hier nicht. Möglich sind hier zentrale, größere Projekte, beispielsweise an öffentlichen Gebäuden. Wasserenergie hat ein Riesenpotenzial. 

Was ist mit Biomasse bzw. Biogas?
Weil die Agrarwirtschaft sich nicht entwickelt hier, ist das ein Riesenproblem. Die Bauern wohnen so verstreut. Wie sammelt man die Sachen? Das wird richtig teuer.

Ihr rundes Haus ist wohl das ungewöhnlichste Haus in ganz Michelsberg. Warum bauten Sie kein konventionelles Haus?
Bei der Planung des Hauses kam ich nicht zurecht mit der Organisation der Zimmer in einem rechteckigen Grundriss. Dann habe ich angefangen, Kreise zu machen mit den Beziehungen zwischen den Zimmern. Und dann habe ich um alles einen großen Kreis herum gemacht und dachte, das sieht auch toll aus. Das hat mich zweieinhalb Monate gekostet, das auszuarbeiten. Aber es funktioniert.

Sie bemühen sich auch um die Entwicklung im Dorf. Was genau machen Sie?
Wir haben vor vier Jahren die Asociaţia Cisnădioara gegründet. Wir engagierten uns anfangs, weil wir kein Wasser und keine Kanalisation hier haben, außerdem wurde hier nicht sauber gemacht. Wir haben uns gesagt, dann müssen wir uns selber helfen. Wenn wir zusammenhalten und uns einigen, können wir auch etwas erreichen. Wir haben derzeit 180 Mitglieder. Aber auch in der Kirchengemeinde wollen wir Verantwortung für das Dorf übernehmen. Wir bemühen uns um die Rückgabe der Kirchenburg, der Schule und des alten Rathauses, um diese selbst zu verwalten (siehe ADZ vom 25.2.). 

Gibt es eigentlich noch mehr Landsleute von Ihnen in dieser Gegend?
Es gibt etwa 25 Holländer, von denen ich weiß. Einige sind im Tourismus tätig, beispielsweise mit einem Hostel in Hermannstadt, ein anderer betreibt einen Zeltplatz in Porumbacu de Jos, ein anderer hat eine Softwarefirma. Ein anderer betreibt die wohl größte Landwirtschaft in Siebenbürgen in Urwegen/Gârbova auf 4000 Hektar. 

Was gefällt Ihnen an Rumänien?
Das Land gefällt mir und auch die Menschen. Die Menschen sind offen und haben eine mediterrane Mentalität. Das passt zu mir. Eine andere Sache ist: In Holland hast du unheimlich viel Stress. Den hast du hier nicht.