Der Eiserne Vorhang im Supermarkt

Unterschiedliche Qualität bei Markenwaren in Ost- und Westeuropa

22 Jahre sind vergangen, seit der sogenannte Eiserne Vorhang zwischen Ost- und Westeuropa gefallen ist. Doch in den Supermärkten scheint die Trennlinie von einst immer noch Bestand zu haben. So jedenfalls behauptet es der Slowakische Verbraucherschutzverband. Selbst bei gleicher Verpackung und Beschriftung unterscheiden sich Markenprodukte, die in osteuropäischen Ländern im Regal stehen, ganz entscheidend von den gleiche Produkten auf den Regalen in Westeuropa – so die Feststellung der slowakischen Verbraucherschützer. 

Und die angebotene Qualität im Osten liege meistens nachweislich unter der im Westen. Der slowakische Verbraucherschutzverband belegt seine Behauptung mit dem Ergebnis von Testeinkäufen in Ost- und West. Wir haben uns zum Thema auch in Rumänien umgesehen.
 

Gleich ist nicht ganz gleich

Michael Szellner arbeitet als Lehrer in Arad. Ab und an fährt er schon mal nach Deutschland – und hat auf dem Rückweg den Kofferraum voll mit Lebensmitteln aus deutschen Supermärkten – dies, obwohl er eigentlich die gleichen Produkte auch zu Hause, in Rumänien, kaufen könnte. Aber eben auch nur eigentlich.

„Denn beim Vergleich der Produkte hat sich dann regelmäßig herausgestellt, dass die Qualität nicht so ganz übereinstimmt. Die Pralinen, die ich hier gekauft habe, haben zwar genauso ausgesehen. Aber der Geschmack war irgendwie herber, derber, nicht so überzeugend, auch nicht so fein wie die Pralinen derselben Marke, welche ich in derselben Geschäftskette in Deutschland gekauft habe. Der Kaffee hat auch nur einen ähnlichen Geruch. Aber irgendwie war der Geschmack bitterer. Den würden wir vielleicht als Kaffee zweiter Wahl nehmen.“

Diese Aussage deckt sich mit dem, was der slowakische Verbraucherschutzverband in einer Studie veröffentlicht hat. Die Verbraucherschützer aus Bratislava unternahmen Testeinkäufe in slowakischen, tschechischen, rumänischen und bulgarischen Supermärkten, ließen darauf die Lebensmittel in akkreditierten Labors untersuchen – und verglichen das Ergebnis mit untersuchten Waren aus dem westeuropäischen Einzelhandel.
 

Untersuchungsergebnis: Qualität schlechter

Ergebnis: Bei den Produkten, die in den osteuropäischen Ländern gekauft wurden, hatten die Labors durchweg schlechtere Qualitäten festgestellt, so Milos Lauko vom slowakischen Verbraucherschutzverband, zitiert im tschechischen Fernsehen: „Das Ergebnis der Tests hat gezeigt, dass die Firmen häufig schlechtere Qualität vor allem in den Ländern der so genannten Visegard-4-Staaten oder in den neuen EU-Ländern, wo sich die Verbraucher in der Regel noch nicht so wehren, abzusetzen versuchen.“

Minderwertige Ware für die vermeintlich armen Länder in Europas Osten – das ist ein schwerwiegender Vorwurf aus Bratislava. Die betroffenen Lebensmittelhersteller verwahren sich dagegen: Man liefere in alle Länder gleichbleibend hohe Qualität, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Schweizer Nestlé-Konzerns, dessen Produkt Nescafé Gold ins Visier der slowakischen Verbraucherschützer geraten ist.
 

Regionale Geschmackspräferenzen?

Allerdings berücksichtige die Zusammensetzung durchaus regionale Geschmackspräferenzen und könne sich daher von Land zu Land leicht unterscheiden. Ähnlich argumentieren Coca-Cola Europe und der Lebensmittelhersteller Knorr. 

Gunter Grieb kann das nur bestätigen. Der Deutsche arbeitete von 1996 bis 2010 im Auftrag mehrerer westeuropäischer Einzelhandelsketten in Rumänien und leitete zuletzt einen großen Supermarkt in Temeswar.

„Die Waren, die Lebensmittel, werden angepasst an das, was im Land üblich ist und was dem Kunden schmeckt. Zum Beispiel: bei Süßwaren sind die Produkte deutlich süßer. Und dann werden die Warengruppen angepasst auf das regionale Essverhalten.“

Das ist aber erst die halbe Wahrheit. Denn hinzu kommt, nach den Aussagen von Gunter Grieb, ein weiteres Kriterium: „Dann gibt es noch das zweite Thema: Da wird die Qualität der Lebensmittel angepasst an die Kaufkraft. Die ist natürlich niedriger.“ …weil auch die Löhne und Gehälter in osteuropäischen Ländern weiter unter dem liegen, was im Westen gezahlt wird. Da bleibt für Lebensmitteleinkäufe nicht mehr so viel Geld übrig.
 

Kaufkraftangepasste Qualität

Und dem trügen die Hersteller entsprechend Rechnung, betont Gunter Grieb: „Also um mal ein Beispiel zu nennen: Da sind halt bei den Nudeln weniger Eier drin und ist das Mehl von schlechterer Qualität. Da gibt es verschiedene Qualitätsstufen, sodass das Gesamtprodukt entsprechend billiger wird. Das wird aber nicht gemacht, damit man billige Ware da runter schummelt. Sondern das wird gemacht, damit das Gros der Leute, das im Monat vielleicht 200 bis 300 Euro netto verdient, sich diese Waren leisten kann.“

Doch derlei Geschäftspraktiken stoßen in den osteuropäischen Ländern bitter auf – nicht nur bei den Verbrauchern, sondern auch bei den Regierungen. Man wolle sich, was die Belieferung mit Markenprodukten anbelangt, nicht als Land zweiter Klasse abstempeln lassen, zeigte sich der bulgarische Landwirtschafts- und Ernährungsminister Miroslaw Najdenow ziemlich verärgert. Die bulgarische Regierung hat bereits Gespräche mit der Europäischen Kommission geführt mit dem Ziel, gleiche Qualität bei gleichen Marken zukünftig durch europäische Regelungen gesetzlich zu verankern.