Der Graben

Symbolbild: pixabay.com

In einem noch normalen Washington wurde der Begriff der „lahmen Ente“ geprägt, womit man einen Präsidenten nach dessen Abwahl meinte, der nichts mehr zu sagen hat und mit Zusammenpacken beschäftigt sein sollte, weil er das Weiße Haus am 20. Januar geräumt haben muss. Donald Unberechenbar ist insofern keine lahme, sondern eine unaufhörlich gründelnde Ente, weil er Twitter mit Unzusammenhängendem und sich Widersprechendem oder glatten Lügen bis zur Weißglut erhitzt – er hat wohl nie kapiert, dass ein Demokratiewettbewerb neben dem Sieger auch einen Verlierer hervorbringt.

Folglich tut er, was er am besten kann: eigenbrötlerisch Hetzen, Schuldige suchen und weiter in diesem auch ohne ihn gespaltenen Amerika den tiefen Graben noch vertiefen. Das Geheimnis seines Erfolgs war, dass er skrupellos die historischen Spaltungen Amerikas ausnutzte, um für sich – nicht für die Republikaner – eine Wählerbasis aufzubauen. Seine Prozesse („ein Prozesshansl“, schmunzelte der „Spiegel“) werden nach und nach von den Richtern gelangweilt abgewunken, er hat sogar schon zähnefletschend vom „Sieg der anderen“ getwittert – vielleicht bloß, um sich tags darauf selbstherrlich nochmal zum Wahlsieger zu krönen?… Oder war´s die Verwirrung dessen, der psychologisch keine Niederlage verwinden kann?

Der Star der Fernsehrealitäten – von seinem Lieblingssender holt er sich sein Wirklichkeitsbild – mit keinerlei politischer Erfahrung brachte, außer einem selbstgenährten Riesenego, nichts mit ins Weiße Haus als die Illusion der eigenen Unfehlbarkeit (trotz Pleiten im Privatleben…), Arroganz und Machthunger, die er auch seine engsten Mitarbeiter – vielleicht mit Ausnahme seiner mitregierenden Familienmitglieder und seines Vizes Mike Pence – spüren ließ, indem er für jeden einen Schleudersitz installiert hatte. Die Kombination von Populismus und Fundamentalismus, mit der Trump jonglierte, war für Amerika tödlich – wird aber in ihren Folgen von seinem Nachfolger, Joe Biden/Team, so leicht nicht zu ignorieren sein.

Machen wir uns nichts vor: Dass Donald Trump mit seinen simplen, brutal-primitiven Methoden eines der höchsten Wahlergebnisse der Republikaner in der Geschichte der USA eingefahren hat, das sagt enorm viel über die politische Kultur der Wählermassen in der „fortgeschrittensten Demokratie der Welt“ aus – genau die, welche sich alle osteuropäischen Wendeländer zum leuchtenden Vorbild genommen hatten. Trotz Skrupellosigkeit, Lügentürmen und Anwaltsarmeen: Trump hat es (als 9. von 45 Präsidenten) nicht geschafft, sein eigener Nachfolger zu werden (es bleibt ihm allerdings noch eine Chance, 2024… Grover Cleveland hat es 1892 so geschafft).Und Biden, der professionelle Versöhner? Ihm bleibt, bei allen guten (Wahl-)Vorsätzen, nichts übrig, als im Chaos und dem Gift, die ihm Trump vererbt, den Weg des Möglichen zu finden.

Irgendwie erinnerten die US-Wahlen an ein paar Wahlsituationen in Rumänien, wo der denkende Wähler gezwungen war, fürs kleinste der Übel zu stimmen. Symptomatisch die Wahl zwischen Corneliu Vadim Tudor und Ion Iliescu. Lobenswert Bidens Vorhaben, gleich in seiner ersten Stellungnahme nach der Wahl, als sich sein Sieg erst abzeichnete, zu erklären, er wolle die aufgerissenen Gräben in der US-Gesellschaft einebnen, weil er zum Faktor der Einigung werden möchte. Allein, sein Wahlsieg ist noch überhaupt keine Garantie für diesen radikalen politischen Schwenk. Um mit der Washington Post zu reden: Es ist leichter, Wahlsieger zu werden, als nach Trump zu regieren. Zudem haben die Demokraten etwas von ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus eingebüßt und die im Senat (noch?) nicht errungen. Das erschwert dem Präsidenten Biden zusätzlich das Regieren. Er muss also wohl seine probateste Waffe einsetzen: den Kompromiss. Vizepräsidentin Harris könnte das Zünglein an der Waage werden.