Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Andrada Mazilu und ihr Bildungsprojekt „InEdu“

Ein altes Bild, das viel Liebe ausstrahlt: Andrada Mazilu zusammen mit der Autorin des Artikels, Gabriela Sireanu, als diese noch ein Kind war. | Fotos: privat

Als Grundschullehrerin und als Mensch beliebt: Andrada Mazilu wurde 2019 mit dem Merito-Preis ausgezeichnet.

Andrada Mazilu möchte mit ihrem Verein zur Bildungsförderung „InEdu” viele Erziehungsprojekte in die Wege leiten.

Die junge Frau strahlt aus, dass sie in ihrem Leben etwas gefunden hat, das sie glücklich macht. Etwas, das mehr ist als ein reiner Job. Sie ist Grundschullehrerin und vor einigen Jahren wurde ihr der Merito-Lehrerpreis verliehen. Andrada Mazilu ist in die kleine und gemütliche Buchhandlung gekommen, um von ihrem Traum zu erzählen. Sie wollte Lehrerin sein. 

Die junge Frau mit den langen Haaren stammt ursprünglich aus einem Dorf. Dort ging sie vier Jahre lang zur Schule. Dann zog sie mit ihrer Familie nach Temeswar/Timișoara und besuchte die deutschsprachige Schule. Hier träumte sie zum ersten Mal davon, zu unterrichten, und hier reifte auch ihr Entschluss, diesem Traum zu folgen. 

Doch die einzige Schule in Rumänien, die Schüler umfassend für einen Beruf im Lehramt vorbereitet, lag in Hermannstadt/Sibiu. „Das war mehr als drei Stunden von Temeswar entfernt. Es war sehr schwer, meine Eltern zu überzeugen, mich auch wirklich gehen zu lassen.” Aber die 14-Jährige ließ nicht locker. Sie zog tatsächlich in ein Internat, nach Hermannstadt, ganz allein in eine neue Stadt. Dort besuchte sie das „Päda“, eine Lehranstalt, in der Jugendliche für den Lehrerberuf vorbereitet wurden. Nach vier Jahren war sie qualifiziert für den Beruf der Grundschullehrerin. Sie hätte sofort von der ersten bis zur vierten Klasse unterrichten können. Aber sie wollte noch tiefer in die Pädagogik eindringen. Ihre Eltern aber wollten auf gar keinen Fall, dass sie weiter Lehramt studiert. „Sie waren überhaupt nicht einverstanden. Höchstens wenn ich drei Bedingungen erfülle. Zuerst sollte ich ein paar Jahre an einer Schule arbeiten, um zu wissen, wie es ist und ob es wirklich das Richtige für mich ist. Dann sollte ich mich alleine von meinem Gehalt ernähren. Die dritte Bedingung war, dass ich zusätzlich noch etwas anderes studiere“, sagt sie.

Also begann sie ihre berufliche Karriere mit 18, als Erzieherin in einem deutschsprachigen Kindergarten. Gleichzeitig besuchte sie zwei Hochschulen, eine pädagogische und eine mit Spezialisierung in Fremdsprachen. Ihr erster Realitätsschock war die Erkenntnis, dass ihr Gehalt nicht einmal für die Miete reichte. Um es sich zu leisten, Lehrer zu werden, musste sie neben ihrer Arbeit als Erzieherin immer nebenbei arbeiten. „Das war wirklich schwierig”, erklärt sie.  „Ich sagte immer: Lehrer in Rumänien zu sein, ist eher wie ein Hobby als ein Beruf, denn man muss dafür extra bezahlen.” 

Während ihres Studiums bekam sie ein Stipendium, das es ihr erlaubte, zwei Jahre in Deutschland zu studieren. Sie besuchte die Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg. „Ich hatte sehr gute Kurse und sehr gute Lehrer. Ich hatte ein gutes Leben in Deutschland. Nicht unbedingt schöner, aber leichter als in Rumänien. Ich beschloss aber, nach Rumänien zurückzukehren. Ich wollte etwas verändern. In meinen Schuljahren habe ich in einigen Fächern schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb wollte ich immer, dass Kinder in Rumänien eine bessere Schulzeit haben. Auch deswegen stand es für mich fest, dass ich zurückkommen würde. Ich wollte zur Entwicklung des rumänischen Schulsystems beitragen.“ Sie kehrte also nach Rumänien zurück und für die nächsten acht Jahre arbeitete sie als Grundschullehrerin. Zwei Generationen von Kindern begleitete sie in ihren Schulanfängen. 

„In Rumänien kann man von diesem Beruf allein kaum leben, und ich glaube, das ist das Schwerste.“ Trotzdem blieb sie bei sich und ihren Zielen und kämpfte dafür, dass ihre Schüler gute Erfahrungen machen können, mit der Schule und mit dem Lernen. „Als ich zum ersten Mal eine Klasse bekam und in ihrem zukünftigen Klassenraum stand, habe ich gefragt: ‘Wo sind die anderen Sachen, das Schulmaterial, die Spiele? Dinge, die die Kinder anfassen können, die sie fühlen und mit denen sie basteln können?“ Mir wurde geantwortet: „Was für Sachen denn? Du hast alles, was du brauchst.“ Genau dafür wollte sie sich einsetzen. „Tische, Stühle und Tafel sind eben nicht alles, was nötig ist, um junge Menschen zu erziehen und ihnen etwas beizubringen.“ Spielsachen, Bücher und Materialien gestaltete oder kaufte sie dann selbst und bemalte sogar die Wände des Raumes selbst. „Weil man so einen großen Einfluss auf das Leben der Kinder hat, habe ich immer viel vorbereitet“. Sie blickt kurz vor sich hin und lächelt. „Was mir immer am meisten gefallen hat, ist, dass man so viel Zeit mit den Kindern verbringen kann. Man lernt sie wirklich kennen und dann findet man heraus, was der eine sehr mag und worin der andere besonders gut ist. Das fand ich am Schönsten.” 

Zu einer guten Erziehung und zu einem funktionierenden Erziehungssystem gehören aber nicht nur die Schüler, sondern es ist auch wichtig, dass es den Lehrern gut geht. „Viele Lehrer fühlen sich manchmal allein. Sie wissen nicht, ob sie alles richtig machen. Sie brauchen jemanden, mit dem sie sich austauschen können. Manche trauen sich auch gar nicht, über ein Problem zu sprechen. Also habe ich gedacht, sie brauchen etwas, was sie zusammenbringt.“ Daraus sollte ihr Lebensprojekt „InEdu“ werden. 

„InEdu“ ist eine NGO auf dem Gebiet der Erziehung, die von Andrada Mazilu und ihrem Partner gegründet wurde. Sie organisiert Projekte und Kurse sowohl für Kinder, als auch für Lehrer. Das „In“ im Namen steht für Inspiration, Innovation, Information, Interaktion. Damit ist das Motto der Organisation umrissen. Information bedeutet, dass Lehrer Neues für die Verbesserung des Unterrichts lernen können. Innovation steht für die Brücken, die „InEdu“ zwischen verschiedenen Organisationen und Projekten schafft. Interaktion soll zwischen den Lehrern stattfinden, sie sollen sich austauschen, ermutigen, Ideen teilen, neue Ideen finden. Denn vor allem Inspiration erhofft man sich aus dem gemeinsamen Arbeiten. „In einer Gruppe entstehen die besten Ideen. Man kommt auf ganz andere Lösungen, wenn man zusammen überlegt. Wir haben manchmal einfach gesagt ‚Wie wäre es, wenn...?‘ und so entstanden neue Träume. Und dann haben wir überlegt, wie wir sie verwirklichen können.“ „InEdu“ hatte am Anfang nur drei Mitglieder, die sich um die ganze Arbeit kümmerten – jetzt gibt es ein Team von 20 Mitgliedern, die zusammen an verschiedenen Projekten im Bereich der Erziehung arbeiten. „Unter uns sind 17 Lehrer und Lehrerinnen, die jeden Tag nach der Arbeit freiwillige Arbeit bei ´InEdu´ machen und Projekte entwickeln. Durch ihre Hingabe ist ´InEdu´ sehr groß geworden. Allein letztes Jahr haben wir 511 Veranstaltungen organisiert.“ Dazu gehören Projekte für Kinder, Jugendliche, Eltern und Lehrer. „Es geht um ganz verschiedene Themen, angefangen bei Umweltschutz oder Recycling, bis hin zur Musik und Kinderliteratur.“ Daneben geht es auch um Hilfe. „Wir organisieren auch Programme, bei denen Firmen und Schulen zusammenarbeiten. Zum Beispiel, um Schüler mit Schulsachen zu versorgen, die sie sich nicht leisten können.“

Heute engagiert sich Andrada Mazilu mit Leib und Seele bei „InEdu“ und studiert zugleich Museumspädagogik an der Universität. Sie lächelt und man glaubt es ihr, dass sie offen ist für alles Neue und dass sie etwas verbessern will. Es geht ihr um Bildung und natürlich um die Weitersuche nach guten Lehrmethoden. „Das soll mir und meinen künftigen Schülern helfen“, betont sie. Die neuen Generationen von Schülern verdrängen die vergangenen jedoch nicht. „Ich habe immer noch Aufsätze und Zeichnungen der Kinder bei mir aufbewahrt. Denn ich habe mir gedacht, wenn wir uns in zehn Jahren treffen, können wir uns diese anschauen und sehen, was daraus geworden ist. Jeder behält seinen festen Platz in meinem Herzen“, schließt sie. 

Ana Fălcușan, Gabriela Sireanu, 11.-MI-Klasse 


Der Artikel entstand im Rahmen des Projekts „Schüler schreiben“ an der Deutschen Spezialabteilung (DSA) des Nikolaus-Lenau-Lyzeums in Temeswar/Timișoara. Das Projekt wurde von Katharina Graupe, Deutschlehrerin an der DSA, koordiniert, die auch für die Korrektur der Schülertexte zuständig war. Für die Wahl und redaktionelle Bearbeitung dieses Textes war ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu zuständig. Wer die Stimme von Andrada Mazilu hören möchte, der kann sich den Podcast zur Jugendwelle vom Juni 2024 auf YouTube anhören.