Deutsch und die osteuropäischen Sprachen

Wenn sie das Glück hatte, in der sozialistischen Mangelwirtschaft in der Metzgerei Fleisch zu bekommen, bereitete meine Mutter sonntags meist Schweineschnitzel mit Kartoffelpüree zu, und zwar auf der Kochplatte eines mit Holz geheizten sogenannten Sparherds. Da ich zweisprachig aufwuchs, fiel mir schon als Kind auf, dass das besagte Schnitzel, beziehnungsweise der Kartoffelpüree wie auch der Sparherd mit minimalen phonetischen Abweichungen auch auf Rumänisch so hießen, nämlich snitel, piure de cartofi und spoherd. Die Wäsche bügelte meine Mutter damals mit einem heiß glühenden Kohlebügeleisen, im rumänischen Dialekt des Banats piglais genannt, und wenn einem Rumänen etwas prima gefiel, dann rief er begeistert: Zeiss!

Das war freilich nicht als spontane Werbung für eine Optikprodukte-Firma aus Jena gedacht, der Begriff Zeiss stellte einfach nur ein Synonym für eine 1a-Leistung dar, und so sieht man, wie die deutsche Sprache die rumänische verschiedentlich aufpeppte.

Es ging aber natürlich auch in die andere Richtung, also wenn ich in der Familie oder mit einigen Spielkameraden Deutsch sprach, klang das bisweilen eher nach einem komischen Esperanto, da sich die überall auf der Straße lauernden rumänischen Vokabeln schlagfertig in die deutsche Alltagssprache einschlichen.

Deutsch und die osteuropäischen Sprachen haben schon immer eifrig mitei-nander kommuniziert, noch lange bevor man in Brüssel über das vereinte Europa debattierte. Und die linguistische Erweiterung erstreckte sich nicht nur von Westen nach Osten, sondern auch in die andere Richtung, denn das gefräßige Deutsch hat sich im Laufe der Zeit nach und nach jede Menge östliche Vokabeln einverleibt.

Denkt man zum Beispiel an heiße ungarische Sprachspuren in der deutschen Sprache, dann fallen einem nicht nur die feurige Julischka aus Buda-buda-pest ein, und Liselotte Piroschka-Pulver, sondern auch der Csardas, der Gulasch, und der tiefrote, scharfe Paprika, sodass es einem dabei ganz operettenhaft-heiß ums Herz wird. 

Für russische Wörter im Deutschen gibt es beinah so viele Beispiele wie es Sand am Kaspischen Meer gibt, von Laika bis zur Balalaika, vom Sputnik bis zum Samowar, und von der Troika bis zur Perestroika.

Auch das tschechische Wort Trabant (Begleiter) prangt fröhlich wie Karel Gott im deutschen Duden, und darüber hinaus stand es 1957 sogar Pate für ein hochgeschätztes DDR-Auto, über das sich Spötter jedoch bis heute lustig machen, nur weil es die Höchstgeschwindigkeit erst beim Abgeschlepptwerden zu entfalten vermochte. 

Aber Spaß beiseite und zurück zur Sprachwissenschaft! Eine überaus kräftige, nicht wegzudenkende osteuropäische Vokabel im Deutschen ist Wodka. Das semantisch hochkarätige, oder besser gesagt hochprozentige Wort stammt aus dem Russischen und bedeutet soviel wie Wässerchen, es ist also eine Verniedlichungsform des Russischen woda für Wasser. Aber das stimme ja gar nicht, behaupten die Polen, seinen Ursprung finde der Wodka in ihrem Land, denn im Polnischen heiße Wasser ja auch woda! 

Also, wo liegt nun die Wahrheit? Man könnte lange darüber streiten, aber lohnt sich das? Es macht sich viel besser mit einem Glas Wodka auf die europäische Freundschaft anzustoßen. Prost! Na sdarowje! Noroc!

Dawaj, dawaj, lasst uns Briderschaft trinken! Und runter mit dem Zeug!