Dialog erwünscht

Fünfte Geschichtswerkstatt mit Fokus auf Osteuropa

Die Teilnehmer am Internationalen Forum 2011 vor einem der Mahnmale in Babyn Jar. Foto: die Verfasserin

Zum fünften Mal veranstaltet die „Geschichtswerkstatt Europa“ ein Internationales Forum: Die Tagung soll das Thema „Transnistrien – Der vergessene Holocaust, 1941 bis 1944“ behandeln und vom 23. bis 29. September in Chişinău (Republik Moldau) und Odessa (Ukraine) stattfinden. Das „Global and European Studies Institute” der Universität Leipzig und die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ), zu der das Programm „Geschichtswerkstatt Europa“ gehört, verleihen vornehmlich an Teilnehmer aus Mittel- und Osteuropa 25 Stipendien für Reise und Unterkunft. 

Die Bewerber sollten 18 bis 30 Jahre alt sein, Interesse am Thema beweisen und die Tagungssprache Englisch beherrschen. Die Bewerbungsunterlagen bestehen aus einem Motivationsschreiben von 600 bis 1000 Wörtern und dem Lebenslauf in englischer Sprache und müssen bis spätestens den 24. Juni eingereicht werden. Interessierte Studenten, Promovierende oder Absolventen erhalten mehr Informationen im Internet unter www.geschichtswerkstatt-europa.org, per E-Mail ifgwe@uni-leipzig.de (Kontaktperson Ulrike Breitsprecher) oder Telefon 0049/341/9733493.

Im Rahmen der internationalen Tagungen der Geschichtswerkstatt Europa werden unterschiedliche bis gegensätzliche Erinnerungskulturen der europäischen Zeitgeschichte analysiert und neue wissenschaftliche Ergebnisse über die kollektive und kulturelle Erinnerung der Europäer besprochen. In Chişinău wird das Internationale Forum von den Leipziger Historikern Matthias Middell und Stefan Troebst geleitet. Das einwöchige Forum umfasst Seminare und Vorträge, sowie Museumsbesuche (z. B. das Geschichtsmuseum der Juden in Odessa) und Ausflüge (etwa zum KZ Bogdanovka). Es befasst sich mit der moldauischen, rumänischen und ukrainischen Erinnerungskultur an die traumatischen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs – u. a. an den Tod von 300.000 rumänischen und ukrainischen Juden und von 11.000 rumänischen Roma in Transnistrien. 

Dass es mehrere Interpretationen der gleichen historischen Ereignisse oder unterschiedliche Arten von (Nicht)Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gibt, bewies auch das Internationale Forum 2011, das mit 35 Teilnehmern aus Belarus, Polen, Deutschland, Rumänien, Mazedonien, der Ukraine, Russland, Litauen, Tschechien, Österreich und den USA in der ukrainischen Hauptstadt Kiew stattfand. Das Thema lautete „1941: Der deutsche Vernichtungskrieg in der Ukraine und seine Akteure“. Die Tagung wurde inhaltlich rund um den 70. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion (22. Juni 1941) aufgebaut. Zu den Höhepunkten des Forums zählten der Vortrag von Prof. Frank Golczewski über Besatzung, Widerstand und Kollaboration („Befreiung oder Besatzung? Deutsche und Ukrainer im Jahre 1941“), sowie das Rundtischgespräch zum Jahr 1941 in der ukrainischen Erinnerungskultur mit führenden ukrainischen, amerikanischen und deutschen Experten – es ergaben sich auch energische Wortmeldungen aus dem Publikum und heftige Diskussionen. Die Teilnehmer besuchten Babyn Jar, den Schauplatz der größten einzelnen Mordaktion, die unter Verantwortung des Heeres der Wehrmacht durchgeführt wurde, sowie die Holodomor-Gedenkstätte, die an den Tod von 3,5 Millionen Ukrainern durch Hunger in den Jahren 1932-1933 erinnert. Hinzu kamen Besuche im Nationalen Museum des „Großen Vaterländischen Krieges“ und bei der Grabstätte des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko in Kaniw am Ufer des Dnjepr, ein Dokumentarfilmabend sowie Workshops über „Oral History” und Erinnerungskultur. Eine halbtägige Stadtführung mit wertvollen Hintergrundinformationen über Kiew ermöglichte einen Einblick in das Leben der modernen Ukraine.