„Die Infrastruktur des Guten“

Die Arbeit der NGO „Code for Romania“ in der Residenz des deutschen Botschafters vorgestellt Von Jochen Empen

Bogdan Ivanel, CEO von Code for Romania, spricht in der Residenz des deutschen Botschafters. Daneben: Botschafter Dr. Peer Gebauer, Dr. Raed Arafat (rechts) Foto: der Verfasser

Als die russische Armee die Ukraine im Februar 2022 überfiel und die ersten Flüchtlinge in Rumänien ankamen, war den Machern von „Code for Romania“ sofort klar, dass sie aktiv werden müssen. Nur ca. zwei Wochen später konnten sie in Kooperation mit dem staatlichen rumänischen Katastrophenschutz die Website dopomoha.ro (ukrainisch für Hilfe) online stellen.  Ukrainer können sich dort informieren, wie ihr rechtlicher Status ist, welche Hilfen und Unterstützung es gibt usw. Aufbauen konnte „Code for Romania“ dabei auf ihre Arbeit und ihre Kontakte aus der Covid-Pandemie, die in die Internetseite cetrebuiesafac.ro („Was ich machen muss“) mündeten. „Code for Romania“ spielte damit eine entscheidende Rolle im gesamtgesellschaftlichen Ansatz Rumäniens zur Unterstützung der Flüchtlinge aus der Ukraine, wie Dr. Raed Arafat, Staatssekretär im Innenministerium und Leiter des Katastrophenschutzes, ausführte.

Die Geschichte von „Code for Romania“ lässt sich als beeindruckende Erfolgsstory einer rumänischen NGO erzählen, die mit ihren Ideen und digitalen Lösungen inzwischen weltweit Beachtung findet. In Staaten unterschiedlicher Kontinente, von Armenien über Mexiko bis nach Jordanien, wird ihre Soft-ware bereits angewendet, um Menschen in Krisen- und Katastrophenfällen zu vernetzen und mit Informationen zu versorgen. Ihre Anwendungen richten sich dabei entweder direkt an die Bevölkerung (zum Beispiel dopomoha.ro) oder an Institutionen aus dem humanitären bzw. zivilgesellschaftlichen Bereich (zum Beispiel ein Programm zum Bau von Webseiten für afrikanische NGOs). Die Liste der Partner und finanziellen Förderer beinhaltet Staaten, internationale Organisationen, Stiftungen und zahlreiche Unternehmen. 

„Code for Romania“ bzw. das neu gegründete internationale Pendant „Commit Global“ möchten mit ihren digitalen Lösungen Menschen weltweit helfen und soziale Probleme lösen. Daher auch der Leitspruch „Infrastruktur des Guten“ (Infrastructura Binelui). Und genau hier zeigt sich der Unterschied zu einer klassischen Start-Up-Geschichte. Denn auch wenn Code for Romania ein weltweit nachgefragtes Produkt entwickelt hat (genau genommen bereits dutzende verschiedene Programme – man werfe einen Blick auf die Homepage commitglobal.org), geht es ihr nicht um Profit. Die digitale Infrastruktur wird kostenlos zur Verfügung gestellt, damit möglichst viele Regierungen oder Organisationen weltweit sie anwenden.

Vision einer globalen Hilfsinfrastruktur

CEO Bogdan Ivanel erläuterte die Idee dahinter: „Die Vision hinter ‚Commit Global‘ ist die Vision einer geteilten globalen humanitären Infrastruktur. Wa-rum geteilt? Weil wir nicht die Ressourcen haben, um weiterhin in Silos zu arbeiten. Jedes Land für sich selbst, jede NGO für sich selbst, jede UN-Agentur für sich selbst.“ Die Idee von „Commit Global“ sei es, all diese Ressourcen und Kapazitäten in einer Organisation zu bündeln, die dann „den anderen dient“.
Mehrfach betont wurde in der Residenz des deutschen Botschafters, wie wichtig es sei, präventiv und vorausschauend zu agieren: Wenn die digitale Infrastruktur einmal da ist, können Staaten, Hilfsorganisationen etc. die Informationen zu bestimmten Krisensituationen schon im Internet bereitstellen, bevor diese tatsächlich eintreffen, zumindest aber in sehr kurzer Zeit danach. Um sicherzustellen, dass die Informationen dann verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden und nicht erst Wochen oder Monate später.

Ein zweites gerne verwendetes Schlagwort war der „One-Stop-Shop-Approach“. Wer die Seite dopomoha.ro aufruft, ahnt, was damit gemeint ist. Dort finden sich Unterseiten zu allen möglichen Themen, von Arbeit über Bildung bis zu Unterkunft, die für ukrainische Flüchtlinge relevant sind. Sie müssen sich die Informationen also nicht erst auf unterschiedlichen Seiten zusammensuchen.

Die deutsche Regierung fördert „Commit Globals“ Entwicklung einer „digitalen Infrastruktur der humanitären Hilfe“ seit Kurzem mit 1,35 Mio. Euro (die ADZ berichtete). Der deutsche Botschafter in Bukarest, Dr. Peer Gebauer, zeigte sich auf der Veranstaltung überzeugt von Nutzen und Wirksamkeit des Projekts. Die Arbeit der NGO zeige, „wie durch intelligente Softwarelösungen und das Engagement aller involvierten Partner humanitäre Hilfe besser koordiniert und Leben gerettet werden können. Diese digitale Entwicklung aus Rumänien wird wirklich einen Unterschied machen.“ 

Sozialwissenschaftler entwickeln Anwendung

Eine Frage, die sich aufdrängt: Wird die rumänische NGO zukünftig weltweit die digitale Infrastruktur der humanitären Hilfe prägen? Das wird sich natürlich erst herausstellen müssen, doch „Code for Romania“ ist schon weit gekommen. Auf der Veranstaltung  erklärte Bogdan Ivanel den Erfolg seiner NGO mit dem Background seiner Gründer – eine Gruppe gesellschaftlich engagierter junger Menschen, die technologische Hilfsangebote für Krisensituationen entwickeln, die aber von außerhalb der „Tech-Welt“ kommen, nämlich überwiegend Sozialwissenschaftler sind. Den eigentlichen Code schreiben dagegen häufig Freiwillige, die bei Tech-Unternehmen angestellt sind.

Im Gespräch mit der ADZ erläuterte er, wie die digitalen Anwendungen entstehen: Ein Großteil der Arbeit wird gar nicht am Computer erledigt, sogenannte User Experience Designers recherchieren zunächst vor Ort und reden mit (möglichen) Betroffenen, um festzustellen, welche Informationen gebraucht werden und wie diese aufbereitet werden müssen. Auch Feedback-Runden mit Nutzern gehören dazu, um ein neues Produkt zu testen. Denn letzten Endes bringen die besten technologischen Lösungen nichts, wenn die Inhalte nicht passgenau, verständlich und einfach zugänglich sind. 

Fast unbegrenzte Einsatzmöglichkeiten

Haben Sie schon einmal versucht, auf einer offiziellen Regierungsseite verständliche Informationen über ein bestimmtes Gesetz zu erhalten? Kein einfaches Unterfangen. Code for Romania wollte ursprünglich ukrainischen Flüchtlingen den Inhalt bestimmter, für sie relevanter Gesetze in einfacher Sprache auf dopomoha.ro erläutern. Dann stellten sie fest, das Problem betrifft nicht nur Ukrainer, sondern viel mehr Bürger und das Projekt wurde ausgebaut, jetzt zu finden unter cezicelegea.ro (Was sagt das Gesetz). Ein Beispiel, das zeigt: Die Bereiche, in denen „Code for Romania“ mit ihrer Arbeit Gutes bewirken kann, ist quasi unbegrenzt.