Die Kirchenburg Trappold und der Burghüter neuen Typs

Sebastian Bethge aus Berlin hat sich vor 25 Jahren dort etabliert und viel bewirkt

Die Kirchenburg in Trappold | Foto: Stiftung Kirchenburgen

Die Kirchenburg Trappold/Apold südlich von Schäßburg/Sighișoara am Ende des Schaaser Tals am südlichen Nebenfluß der Großen Kokel hat eine sehr alte, aber in den letzten Jahren wieder neu belebte Geschichte: Vor 25 Jahren kam der wandernde Zimmermann Sebastian Bethge aus Berlin  zufällig hier vorbei. Er war vorher in vielen Ländern Nord- und Osteuropas, u.a. in Polen, Ukraine, Russland und Bulgarien unterwegs. Die verlassene, dem Verfall preisgegebene, auf einem Bergsporn hoch über dem Dorf thronende Kirchenburg Trappold erregte sein Interesse...

Es ist eine nahezu vollständig erhaltene, wenn auch in Teilen baufällige, für die siebenbürgischen Kirchenburgen typische Anlage. Alle Siebenbürger Sachsen hatten das Dorf nach dem Umsturz 1990 Richtung Deutschland oder Österreich verlassen. Im Dorf war niemand mehr, der sich anhaltend um die Kirchenburg kümmern konnte. Sebastian Bethge sprach beim zuständigen Pfarrer Johannes Halmen in Schäßburg vor und bekundete sein Interesse, zum Erhalt dieses bedeutenden Bauwerks beizutragen. Er bekam Unterkunft in der halb verfallenen Burghüterwohnung und begann mit Ausbesserungs- und Erhaltungsarbeiten. Je länger er untersuchte und arbeitete, desto mehr wurde er gefesselt von diesem hochkomplexen vielgliedrigen Bauwerk und seiner Geschichte. Er kam nicht mehr davon los. Er ließ sich in Trappold nieder. Er gründete einen kleinen Handwerksbetrieb, spezialisiert auf die Restaurierung alter Gebäude und Denkmäler. Er ließ sich taufen. Er heiratete; mit seiner polnischen Frau Anja hat er zwei Kinder, die mehrsprachig aufwachsen: polnisch, deutsch, rumänisch, englisch. Anja arbeitet im Projekt tatkräftig mit. Er gründete erst einen deutschen und dann den rumänischen Verein CasApold. Nach und nach übernahm CasApold die Kirchenburg Trappold und die Aufgaben zu ihrer Erhaltung, aber auch für sozio-kulturelle Bildungsarbeit im Dorf.

CasApold hat seinen Sitz im ehemaligen Pfarrhaus von Trappold und ist anerkannt als Aufnahmeverein für den Einsatz von Freiwilligen aus Deutschland. So kommen jedes Jahr einige junge Leute aus Deutschland nach Trappold, um bei den Restaurierungsarbeiten an der Kirchenburganlage mitzuschaffen, aber auch um Bildungs- und Freizeitprojekte für die Roma-Kinder des Dorfes anzubieten. In die verlassenen Sachsenhöfe der Ausgewanderten sind mittlerweile viele Roma-Familien eingezogen. Einige der Ausgewanderten haben jedoch ihr Haus behalten, sie kommen jetzt als Urlauber in den Sommermonaten und nutzen es als Ferienwohnung.

Sebastian Bethge hat mit der siebenbürgischen evangelischen Landeskirche eine vertragliche Abmachung geschlossen, die ihn sozusagen als „Burghüter neuen Typs“ bestätigt.  Was Besseres hätte der Landeskirche und der Kirchenburg Trappold gar nicht passieren können! Mit Sorgfalt, mit Sachverstand, mit viel Gefühl für historische Echtheit und den geistlichen Charakter des Bauwerks kümmert sich Sebastian Bethge nun schon seit über 20 Jahren um den Erhalt der Trappolder Kirchenburg. Vieles macht er selbst. Er arbeitet eng mit Architekten, Restauratoren, Denkmalschützern, Politikern, Handwerkern und Kirchenleuten zusammen. Ziel ist, die Kirchenburg als kirchliches und kulturelles Zentrum des Ortes zu beleben. Immer wieder finden Konzerte statt, mit verschiedenen Musikstilen, von Klassik bis Jazz. Zu Begegnungs- und Kulturfesten werden speziell auch die Dorfbewohner eingeladen.  Kinder, Jugendliche und Erwachsene können bei „Sommerschulen“ handwerkliche und kunsthandwerkliche Fähigkeiten lernen und erproben.  Es ist sozusagen eine offene Werkstatt, ein Bildungscampus zum Arbeiten, aber auch zum  Verweilen und Innehalten.„Eine belebte und gelebte Kirchenburg“ nennt Sebastian sein Projekt.

Immer am vierten Sonntag im Monat lädt Pfarrer Johannes Halmen nachmittags zu einer Orgelvesper mit Andacht ein. Touristen sind da, Freiwillige, Gemeindemitglieder aus Schäßburg. Die Orgel war völlig desolat und sollte in eine Stadtgemeinde verlagert werden. Nach langwierigen Bemühungen konnte sie aber dann doch noch vor Ort behalten werden. Gemeinsam mit Orgelbauern aus Bautzen, aus der Lausitz und aus Hermannstadt und mit vielen kleinen, aber wichtigen  „Orgelpfeifenpatenspenden“ wurde sie wieder spielfähig gemacht.

Sebastian Bethge hat es im Zusammenwirken mit dem Landeskonsistorium in Hermannstadt  geschafft, dass die Kirchenburg Trappold in ein EU-Förderprogramm für siebenbürgische Kirchenburgen aufgenommen wurde. 500.000 Euro hat die EU allein für Trappold bewilligt! Das ist großartig und auch eine Anerkennung für die Beharrlichkeit, den Idealismus und die Schaffenskraft Sebastian Bethges.

Nicht ganz unkompliziert ist das Verhältnis Sebastian Bethges zu den ausgewanderten Siebenbürger Sachsen des Ortes, die sich in Deutschland zu einer „Heimatortsgemeinschaft   Trappold“ zusammengeschlossen haben.  Einerseits müssen die Ausgewanderten lobend anerkennen, dass da einer ist, der sich hingebungsvoll um „ihre“ Kirchenburg, ihr eigenes kulturelles Erbe, kümmert, das sie selbst aufgegeben haben (oder soll man sagen: „im Stich gelassen“?)  Andererseits betrachten sie die Aktivität Bethges auch mit einer gewissen Skepsis.  Da gibt es leise Bedenken dagegen, die Kirche - das Gotteshaus! - auch für solche weltlich-kulturellen Zwecke zu nutzen wie sie Sebastian Bethge und der CasApold-Verein verfolgen. Wahrscheinlich spielt auch ein Unbehagen eine Rolle, das daher kommt, dass da ein „Fremder“ ihnen vor Augen hält, was sie selbst eigentlich hätten tun müssen, um das Erbe ihrer Vorväter und -mütter zu erhalten.  Da mag sich eine Art schlechtes Gewissen einstellen. Außerdem entkräftet Sebastian Bethge mit seinem Einsatz und seinem Erfolg das Argument, man hätte aus Siebenbürgen weggehen müssen, weil sich in Rumänien nichts erreichen ließe. Bethge hat viel erreicht und lässt in seinem Engagement nicht nach: als nächstes steht der Aufbau eines Bildungs- und Gästehauses für den Verein im alten evangelischen Pfarrhaus an. Dieses steht im Schatten der zeitintensiven Kirchenburg und bedarf einer Grundsanierung. Aller Anfang ist schwer und es fehlt an der nötigen Finanzierung. Ein erster Lichtblick ist die für Sommer 2025 geplante 2. Denkmalpflege-Sommerschule. Da werden mit Studenten zwei Zimmer handwerklich-traditionell restauriert. Aber zuvor bedarf es vor allem der Instandsetzung des Daches und des Einbaus von Sanitäranlagen. Denn hier können  dann auch  freiwillige Helferinnen und Helfer unterkommen.      

Sebastian Bethge ist  über Trappold hinaus auch für die siebenbürgischen Kirchenburgen insgesamt aktiv. Seit acht Jahren  ist er mittlerweile bei der „Stiftung Kirchenburgen“ als Denkmalpfleger tätig. Er forscht und betreut mit anderen im Team die Erhaltungsmaßnahmen und  Restaurierungen vieler Kirchenburgen. Eine Sisyphus-Arbeit, wenn man bedenkt, dass die klein gewordene siebenbürgische evangelische Landeskirche mit ihren etwa 11.000 Gemeindemitgliedern rund 160 Kirchenburgen zu erhalten hat!

Wer in Siebenbürgen mit offenen Augen unterwegs ist, wird öfter mal solche Idealisten und Einzelkämpfer vom Schlag Sebastian Bethges treffen. Sie stellen sich dem Verfall und Vergessen siebenbürgischen Kulturguts entgegen. Was mich dabei fasziniert, ist die Tatsache, dass das keineswegs rückwärtsgewandte oder „ewiggestrige“ Traditionshüter sind. Sondern es sind Menschen mit Liebe zur Vielfalt des Landes und seiner Geschichte, mit einem realistischen Blick für die jetzigen Gegebenheiten, mit einer aktiven und vorurteilslosen Offenheit für das interkulturelle Miteinander der verschiedenen Volksgruppen.