„Die Studierenden sind oft sehr motiviert, ich habe ein schönes Gefühl“

Gespräch mit der DAAD-Lektorin Elisa Moczygemba

Die junge deutsche Dozentin Elisa Moczygemba unterrichtet seit einigen Jahren am Germanistik-Departement der Universität Bukarest im Auftrag des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Bekannter ist sie aber dafür, dass sie in der Gestaltung ihrer Sprachpraxis-Seminare über den eigenen Tellerrand schaut. 

Wo Studierende hierzulande an allerhand theoretischen Kenntnissen ersticken, versetzt sie ihre Studentinnen und Studenten in echte Lebenssituationen außerhalb des Klassenraums, wobei die vorhandenen und im Laufe des Semesters angeeigneten Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten zum Einsatz kommen. Neben der Umsetzung ihrer Sprachkenntnisse in Praxis, lernen Studierende auch alles, was zur Veranstaltung eines Events gehört, sie üben die Teamarbeit und behaupten, dabei auch viel Spaß zu haben. So viel, dass sie im darauf folgenden Semester im Rahmen des Sprachpraxiskurses aus einiger Initiative ein neues Event zusammen organisieren wollen. Ihre Seminararbeit umfasst unter anderem die Planung des Events, die Erarbeitung von Marketingstrategien und deren Umsetzung, die Gestaltung des Rahmenprogramms (Anstellung von Musikern) sowie die Durchführung des Events am Stichtag. 

Auf dem jüngsten Ereignis hat sich Elisa Moczygemba mit der ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu über ihre Unterrichtsmethoden und Arbeit mit den Studierenden unterhalten.


Frau Moczygemba, seit wann sind Sie DAAD-Lektorin an der Fremdsprachenfakultät in Bukarest?

Ich bin hier im Oktober 2019 gekommen, also schon fast fünf Jahre. 

Waren Sie davor DAAD-Dozentin auch in einem anderen Land?

Ja, ich war DAAD-Lehrassistentin in Kuba. Aber es sind schon ein paar Jahre her, 2011.

Was hat Sie nach Rumänien gelockt?

Das Land hat meine Familie und mich schon mal gereizt und wie manchmal die Wege des Lebens so gehen, hat’s mich dann hierher verschlagen. Die Stelle war frei, und ich glaube es war die richtige Entscheidung für uns.

In welchem Bereich haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?

Ich habe Germanistik und Romanistik studiert und habe mich dann nochmal in der Germanistik auf Deutsch als Fremdsprache spezialisiert.

An der Fremdsprachen-Fakultät der Universität Bukarest unterrichten Sie Sprachpraxis auch mal anders. Zusammen mit Ihren Studierenden haben Sie ein Konzert mit deutschen und rumänischen Sängerinnen und Sängern, einen Kinoabend mit deutschen Filmen, eine Keramikwerkstatt und jüngst den Maitanz veranstaltet. 

Neben den Einführungskursen zum Beispiel in der Phonetik, in der Lexikologie, also diese Basic-Geschichten, mache ich auch ganz viel Sprachpraxis mit den Studierenden und diese gibt mir die Freiheit, solche Events zu organisieren oder mit den Studierenden organisieren zu lassen. 

Der Maitanz ist wirklich auch das erste Event, wo ich sagen muss, dass die Idee 100 Prozent von den Studierenden stammte, weil ich mit dieser Gruppe nämlich schon mal ein Event organisiert habe, und zwar die Filmabende, die im Januar stattfanden. Die haben mich nach dem Seminar gefragt, ob sie noch mal was machen können. Hab ich gesagt: „Ja, aber ihr müsst diesmal mit Ideen kommen. Denkt euch über die Ferienwoche was aus!“ Im ersten Seminar hatte jeder zehn Minuten, seine Idee zu pitchen, danach stimmten wir ab, rein demokratisch, und die Idee mit der Tanzveranstaltung hat gewonnen. 

Was halten die Studierenden von der interaktiven Art und Weise wie Sie Ihre Kurse gestalten?

Ich glaube, es ist sehr durchmischt, denn am Anfang bilde ich mir ein, wahrscheinlich nach wenig Arbeit, wie es auch am Ende sein wird. Und es ist super viel Planung dabei, auch viel Brainstorming, „was wäre wenn…?“, bis dann wirklich der Tag X kommt, und dann schaut man, wie man auch mit total vielen spontanen Sachen irgendwie umgehen muss.

Dass Studierende hierzulande ziemlich scheu sind, ist nichts Neues. Sie sind nicht daran gewöhnt, bei den Seminaren intensiv oder überhaupt mitzuarbeiten. Wie schaffen Sie es, die Studierenden doch dazu zu bewegen?

Ehrlich gesagt, nach meiner Erfahrung schaffe ich es eigentlich durchweg ziemlich gut mit den rumänischen Studierenden. Erstens haben sie häufig ein sehr hohes Deutschniveau, beziehungsweise die Studierenden, die ich habe, oder selbst die mit wenigen oder gar keinen Sprachkenntnissen, die zur Universität kommen, sind oft sehr motiviert, ich habe ein schönes Gefühl. Ich muss sagen, ich habe da eigentlich fast ausschließlich gute Erfahrungen in diesem Sinn gesammelt.

Zu Ihrer Arbeitsmethode: Teilen Sie die Aufgaben jedem einzelnen Studenten oder jeder Studentin ein oder bilden die Studierenden Gruppen, so dass sie die Aufgaben untereinander besprechen und selbst aufteilen?

Es gibt schon verschiedene Gruppen, weil ich mir vor dem Seminar Gedanken mache, was erledigt werden muss und dementsprechend werden die Gruppen genannt, aber ich bestimme nicht die Studierenden: „Du musst das machen, du das usw.“, sondern jeder darf das tun, wo er sich am wohlsten drin fühlt. Mit der Gruppe vom Maitanz hatte ich vorher mal ein Projekt und einige haben dann zum Beispiel Gruppen gewechselt und gesagt: „Ok, ich mach mal Marketing“, „Ich würde jetzt lieber die Logistik übernehmen“ oder „Ich will mehr in der Organisation machen“. Also die haben sich, glaube ich, über die Zeit auch selber gut gefunden und am Tag des Events muss sowieso jeder mitwirken.

Sie geben ihnen jedoch einige Richtlinien und Anweisungen.

Ja, im großen Ganzen erkläre ich ihnen, was sie zu tun haben. Ich beobachte das dann von außen und wenn ich das Gefühl habe, es muss ein bisschen mehr gearbeitet werden, dann interveniere ich ein wenig. Aber grundsätzlich wird so ziemlich alles von den Studierenden selbst gemacht und wichtig ist, denke ich, in der Anfangsphase der Planung, dass es in der Organisationsgruppe jemanden gibt, der ganz genau weiß, wo wir hinwollen, was ist das Ziel und wie setzen wir das um. Ich glaube, dass es in dieser Gruppe (Anm.d.Red.: die den Maitanz veranstaltet hat) ziemlich gut funktioniert hat. Wenn man ein bisschen darüber schaut, haben alle ihre Aufgaben gemacht. Diese kleine Rolle soll rein der Beobachtung dienen.

Wie entstehen die verschiedenen Kollaborationen mit lokalen und deutschen Kunstschaffenden? Wie nehmen Sie und die Studierenden den Kontakt mit ihnen auf?

Da gibt es verschiedene Quellen. Natürlich  frage ich am Anfang die Studierenden, ob sie Kontakte haben. Beispielsweise sind die Kontakte für die Tanzveranstaltung rein durch die Studierenden entstanden. Deswegen haben wir die Tanzgruppe „Mugurelul Râșnov“ (Rosenauer Knöspchen) eingeladen, die uns deutsche und rumänische Tänze präsentiert hat, und die Musiklehrerin Claudia Miri]escu aus Kronstadt mit ihrer Band. 

Außerdem arbeite ich häufig mit dem Goethe-Institut zusammen. Die haben ein sehr gutes Netzwerk. Ich selber höre ja auch gerne Musik und wenn ich auf ein Konzert gehe, spreche ich die Leute danach an, bitte sie um ihre Nummer, plane ab und zu Projekte und suche immer Musiker usw. Oder es geht dann weiter, ich rufe diese an und sage ihnen, ich brauche zum Beispiel ein Jazz-Ensemble und die leiten mich an andere weiter und so wird das Netzwerk immer größer. Das funktioniert auch wirklich super gut in Bukarest. Dafür bin ich sehr dankbar, dass es doch eigentlich einfacher ist, als man denkt.

Können Sie uns etwas von den Themen Ihrer zukünftigen Seminare verraten?

Es gibt ein Projekt, dass ich sehr gerne wiederholen würde, „Bukarest, meine Stadt, meine Identität“ mit der Künstlerin Kristin Wenzel, wo die Studierenden einen Stadtspaziergang und Abdrücke gemacht haben von einer Oberfläche, die ihnen besonders gefällt und viel sagt und wo auch vielleicht eine Beziehung zwischen den Studierenden selbst und jenem Gebäude vorhanden ist. Das würde ich sehr gerne nochmal machen, weil da wirklich super viele schöne Geschichten zum Vorschein kamen und dabei war ich selber emotional total berührt und was da herauskam, war ein großartiges Ergebnis. Generell mache ich immer Projekte gern, die auch was mit Musik zu tun haben. Selbst die Filmabende, die wir organisieren, haben immer eine musikalische Umrahmung. Meistens suchen wir jemanden aus Rumänien und jemanden aus Deutschland, damit auch beide Partner abgedeckt sind. Und wir haben, meiner Meinung nach, immer die passende Musik gefunden. 

Herzlichen Dank für das angenehme Gespräch. Wir wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!


Ständige Partner der Projekte sind der DAAD und das Goethe-Institut, mit denen Elisa Moczygemba eng zusammenarbeitet. 

Das erste Ereignis nach der Corona-Pause war das „Let’s rock“-Konzert im Mai 2022, gewidmet der deutsch-rumänischen Freundschaft, im Rahmen dessen zwei Rockbands – eine deutsche, „Healing“ und eine rumänische, „Jack of all Trades“, – aufgetreten sind. Dieses wurde für geladene Gäste im Goethe-Pavillon des Goethe-Instituts und nochmal im Expirat-Club für die breite Öffentlichkeit ausgetragen. Für die nur wenige Wochen davor zum physischen Unterricht zurückgekehrten Studierenden stellte dies eine wahre Feuerprobe dar, die sie gut bestanden haben und die ihr Sommersemester abrundete.

Eine besonders beliebte Veranstaltung war „Bukarest – meine Stadt – meine Identität“, das Abschlussprojekt des Wintersemesters 2023/2024 für die Masterandinnen und Masteranden für Übersetzen und Dolmetschen in deutscher Sprache. Thema des Seminars war die Art und Weise, wie sie alle Bukarest mehr oder weniger geprägt hat und Teil ihrer Identität ist. Dies haben die Studierenden anhand von suggestiven Tonabdrücken von architektonischen Elementen der Gebäuden, die eine besondere Bedeutung für sie haben, veranschaulicht. In Kooperation mit der Künstlerin Kristin Wenzel wurden diese dann in Gips gegossen und im Goethe-Institut zusammen mit den jeweiligen interessanten und bewegenden Hintergrundgeschichten präsentiert.

Ebenfalls im Wintersemester 2023, aber auch im Vorjahr, mussten die Germanistikstudierenden  Filmveranstaltungen organisieren. Daher haben sie unter der der Koordinierung ihrer Seminarleiterin, jeweils im Januar, Filmabende mit neueren deutschen Produktionen zu verschiedenen psychologischen Themen veranstaltet. Gastgeber der Filmabende war diesmal die  Casa Universitarilor (Akademikerhaus), die in der Stadmitte unweit der Fremdsprachenfakultät liegt und von der Universität Bukarest verwaltet wird. 

Am selben Ort haben die Germanistikstudierenden des zweiten Jahrgangs am 25. Mai diesen Jahres ihre jüngste Seminarprüfung „abgelegt“ und dafür ein Maifest mit deutschen, siebenbürgisch-sächsischen und rumänischen Volksliedern und -tänzen organisiert. Auf dem Programm der Tanzveranstaltung standen ein Tanzworkshop, wobei Teilnehmer einige Schritte zu rumänischen Volkstänzen lernen konnten, sowie Volksmusik- und -tanzaufführungen siebenbürgischer Ensembles und eine anschließende Party, auf der die Anwesenden zum freien Tanzen eingeladen worden waren. Die Studierenden verantworteten nicht nur für die Planung und den guten Verlauf des Ereignisses, sondern auch für Erfrischungsgetränke und Snacks für die Gäste, die sie für die ganze Dauer des Events an ihrer Imbissbude angeboten haben.

Bei dem Maitanz hat Elisa Moczygemba die Teamarbeit ihrer Studierenden vom Rande beobachtet, ihnen noch einige Ratschläge gegeben und sich am Ende bei ihnen für ihre Mühe bedankt. Zudem fand sie freundlicherweise am geschäftigen Nachmittag Zeit auch für ein ADZ-Gespräch.