„Die Unendlichkeit der Zahlen in der Endlichkeit Westrumäniens“

Das internationale Mathematik-Sommercamp „APEX-Maths“ in Reschitza und im Banater Bergland

Sie rechnen manchmal in der fünften, manchmal in der sechsten Dimension herum. Über die Unendlichkeit der Zahlenwelt können sie zwar nicht unendlich lange, aber eben doch ziemlich lange etwas erzählen. Und dann gibt es ja auch noch die Topologie – die Lehre von der Anordnung geometrischer Strukturen im Raum: 50 hochbegabte Jung-Mathematiker aus aller Welt treffen sich derzeit (bis 23. August) genau dort, wo man die Mathe-Elite von morgen und übermorgen so gar nicht vermuten würde – nämlich im Westen Rumäniens, in der alten Industriestadt Reschitza. Dort hat ein ehemaliger Bildungsminister Rumäniens das Sommercamp „APEX-Maths“ organisiert. In der Startwoche des Camps besuchten wir die Jungmathematiker

„Heute haben wir uns die Topologie vorgenommen, also die Lehre von geo-metrischen Dingen im Raum – und dass man sie zwar verformen kann, die mathematischen Strukturen aber gleich bleiben.“ So Severyn Lohmych, Student aus Kiew: „Mein aktuelles Forschungsprojekt hat mit einer wirklich einfachen Sache zu tun: Nämlich… mit dem Wort an sich. Ein Wort ist ja eine Kombination von mehreren Buchstaben. Und ich suche nach Wörtern, bei denen die Anordnung der Buchstaben bestimmte mathematischen Bedingungen erfüllen.“
Hier die Geometrie, dort die den Wörtern inhärente Mathematik: Über all das könnten sich Rachel Chan, Severyn Lohmych und all die anderen 48 Schüler und Studierenden stundenlang unterhalten – an einem außergewöhnlichen Ort in einem außergewöhnlichen Sommercamp. Und das nennt sich: APEX-Maths.

Ein Ex-Bildungsminister und weltweit bekannter Forscher

APEX kommt von „Academic Programm of Exzellence in Mathematics”, erklärt Prof. Dr. Daniel Funeriu, ehemaliger rumänischer Bildungsminister, ehemaliger Europaabgeordneter der rumänischen Liberalen und Chemie-Dozent mit Lehr- und Forschungsaufträgen unter anderem in Straßburg, Kalifornien, in Japan und an der Technischen Universität München (siehe Kasten). Zusammen mit einem nahen Verwandten, dem Straßburger Mathematiker Olivier Schiffmann vom „Centre National de Recherche Scientifique“ der Universität Paris-Saclay, brachte Funeriu in Zusammenarbeit mit der UNESCO das Mathematik-Jugendcamp auf den Weg: Dabei wird Jung-Mathematikern aus aller Welt die Gelegenheit geboten, mathematische Fragestellungen untereinander, mit ihren Mentoren und mit einigen der besten Fachleute Rumäniens und Frankreichs (einer kommt auch aus den USA) – und zwar ganz bewusst in Reschitza, einer alten Industriestadt im Westen Rumäniens zu besprechen: „Look, I’m Romanian. My ambition ist to put my country on the map of excellence in Science.“ Rumänien soll, so formuliert es Funeriu (der als 17-Jähriger seine Heimatstadt Arad verließ und aus Ceau{escus Rumänien flüchtete, um in Frankreich magna cum laude zu studieren, bei einem Nobelpreisträger seinen Doktor zu machen und zum Weltbürger der Wissenschaft zu werden – siehe Kassette), auf der „Weltkarte der exzellenten Wissenschaft“ endlich seinen gebührenden Platz bekommen.
APEX-Maths – ein Orientierungsangebot
„Als ich noch Kind war, so vor etwa 35 Jahren, wurde ich zu einem ähnlichen Programm in die USA eingeladen. Und dieses Mathe-Schülercamp hat damals mein Leben verändert: Als ich wieder zurückkam, war klar: Ich will Mathematiker werden“, erzählt der aus dem Elsass stammende französische Forscher Olivier Schiffmann: „Deshalb wollte ich so ein Programm auch in Europa auf den Weg bringen. Ich weiß: Die Schüler und Studierenden heute – die kommen an viel mehr Informationen rund um die Mathematik heran als wir damals. Aber: Sie brauchen Orientierung. Und sie brauchen die Chance, sich unterei-nander auszutauschen, voneinander und auch miteinander zu lernen.“

„Genau, das Treffen mit Gleichgesinnten hier ist sehr wichtig. Weil: Es ist sehr schwer, junge Menschen zu finden, um sich mit ihnen auszutauschen, vor allem solche, die Mathe toll finden. Die meisten sagen ja: Ah, Mathe …. zu schwierig! Naja, manchmal ist an dem ja auch was dran. Für uns ist gerade das die Herausforderung. Aber wie gesagt: Es ist schwierig, junge Leute zu treffen, die eine Leidenschaft für Mathe haben…“ So Rachel Chen aus Kanada. Und Severyn Lohmych aus der Ukraine, der Mathematik in Wien studiert, ergänzt: „Das ist das Wichtigste: Mit anderen Gleichgesinnten sprechen. Da grübelst du über ein Problem und kommst nicht weiter. Dann ist es gut, wenn du beginnst, mit anderen, mit Gleichgesinnten darüber zu reden, die verstehen, über was du sprichst. Die mit-denken können.“

Reschitza, die „Lernende Stadt“

Dass sich die Jung-Mathematiker ausgerechnet im westrumänischen Reschitza, einer alten Industriestadt mit stillgelegten Hochöfen und Walzstraßen, treffen, hat seinen Grund: Die Stadt trägt seit Kurzem den UNESCO-Titel „Lernende Stadt“. Sie soll sich, so will es Bürgermeister Ioan Popa, von einer Industrie- zu einer High-Tech-Region entwickeln: „Alle Schritte gehen über Schüler und Studenten: Reschitza war eine Industriestadt. Und jetzt probieren wir das Revitalisieren der Stadt. Wir wollen eine neue Stadt machen, vielleicht mit Robotik. Mathematik ist ein wichtiger Punkt dabei. Ich habe mit Daniel Funeriu einen Zehn-Punkte-Plan ausgearbeitet, der aus Reschitza ein nationales, vielleicht auch internationales Zentrum des lebenslangen Lernens machen wird. Funeriu ist dafür der bestmögliche Partner. APEX-Maths ist nur ein Anfang.“

Die Jung-Mathematikerinnen und -Mathematiker selbst sehen sich zudem zukünftig auch in einer gesellschaftlich wichtigen Funktion: Gute Mathematiker seien gefragt bei der Lösung globaler Probleme wie Klimawandel oder Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Daneben weist Teilnehmer Anzy Aggwal aus den USA auch noch auf folgenden Aspekt hin: „Wenn wir jemals mit Außerirdischen zusammentreffen sollten, gibt es nur eine Möglichkeit, mit ihnen zu kommunizieren: Über die Mathematik. Weil: Mathematik – das ist ein Teil des Universums. Und deshalb ist es für die Menschheit (über)lebenswichtig, sich auf Mathematik zu konzentrieren.“


Wer unterstützt, wer finanziert APEX-Maths?

Hauptveranstalter ist der Verein InformART. Partner sind das Rathaus Reschitza (Bürgermeister Popa: „Ich bin stolz, dass auch ein Schüler aus Reschitza es geschafft hat, sich für APEX-Maths zu qualifizieren!“), die Reschitzaer Filiale der Klausenburger „Babe{-Bólyai“-Universität, das Mathematik-Institut „Simion Stoilow“ der rumänischen Akademie der Wissenschaften und das französische Qriensys-Institut mit seinem Konzept „Advanced Program for Academic Excellence-Maths 2024 – APEX-Maths 2024“.

Es handelt sich um ein dreiwöchiges Intensiv-Programm, durch welches den Teilnehmern die einzigartige Möglichkeit geboten wird, ihre Begeisterung für die Mathematik und für Forschungen in der Mathematik zu pflegen sowie sich mit Gleichgesinnten desselben Alters und welt- und forschungsoffenen Lehrern und Mentoren auszutauschen.

Das Reschitzaer Rathaus beabsichtigt laut Bürgermeister Ioan Popa, auch für künftige Ausgaben von APEX-Maths ein guter Gastgeber zu sein und die Teilnehmer in ihrer knappen Freizeit auch mit dem Banater Bergland vertraut zu machen.


Der Initiator vom APEX-Maths

Daniel Petru Funeriu wurde 1971 in Arad geboren. 1988, als Elftklässler, floh er aus Ceau{escus Rumänien und beendete das Lyzeum in Straßburg, mit einem wissenschaftlichen Bakkalaureat, als Klassenbester. Im elsässischen Straßburg studierte er Chemie und machte seinen Doktor magna cum laude beim Chemie-Nobelpreispreisträger Jean-Marie Lehn. Ab 2006 arbeitet er als Forscher am The Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien und am AIST-Forschungsinstitut im japanischen Amagasaki. Im selben Jahr gewährt ihm die EU den „Marie Curie Excellence Grant“, die Höchstfinanzierung, die die EU an Einzelpersonen für Forschungsprojekte gewährt. Und ebenfalls seit 2006 forscht Daniel Funeriu mit einem von ihm selber zusammengestellten Team an der Technischen Universität in München. Nach dem Beitritt Rumäniens zu EU war er unter den ersten EU-Parlamentariern Rumäniens, um danach in der Boc-Rgeirung für drei Jahre Bildungsminister zu sein. Warum er APEX-Maths ins Leben gerufen hat, dürfte aus beiliegendem Text hervorgehen.