Die erste Runde der Präsidialwahlen in Rumänien ist vorbei. Unterdessen wurde auch fürs Parlament gewählt. Nachdem man in der Bevölkerung so gut wie skeptisch zu den Wahlen gegangen ist, weil man das Gefühl hatte, keinen wählbaren Kandidaten auf den Listen zu finden und so mancher überzeugt war, dass das Duett PSD-PNL leicht den Sieg davontragen wird, muss man jetzt feststellen, dass ein Tsunami die rumänische Politik verunsichert hat. Ein Tsunami aus dem Osten.
Man erwartete eigentlich ein Schulter-an-Schulter Rennen zwischen Marcel Ciolacu und Nicolae Ciuc², dabei sollte auf bekannte Art die PSD Ciolacu auf den Präsidentenstuhl hieven, einen Politiker mit einer unsicheren und unglaubwürdigen Ausbildung, der aber durch sein Auftreten ein gewisses Elektorat zu überzeugen schien.
Auf der anderen Seite der General, mit militärischen Studien, in den USA fortgebildet. Der schien den konservativen älteren Generationen des rumänischen Mittelstandes geeignet, das Land in diesen schwierigen Zeiten, in denen die Gefahren von Osten immer größer werden, führen zu können. Trotzdem fand dieser im Militär keine Unterstützung, weil das Corps der Offiziere und Unteroffiziere unzufrieden war, dass ihre immerhin privilegiert hohen Renten nicht noch einmal angehoben wurden.
Marginal und doch gefährlich stand George Simion in den Umfragen gut, (bei den Parlamentswahlen jetzt auf 19%), sprach ein gewisses Etwas des rumänischen Patriotismus an, die Familie, Haus und Heimat, Kirche (sicher nur die Orthodoxe ), antieuropäisch und antidemokratisch, gegen Unterstützung der Ukraine in ihrem Krieg gegen Putins Russland, gegen die „Dekadenz” Europas.
Und die USR mit einer Präsidentschaftskandidatin, die eher den Eindruck von Schwäche hinterließ, jedoch, wenn man die Vertreter der Partei sah, spürte man, dass sich hier etwas Neues bewegt, dass junge Menschen etwas ändern wollen. Elena Lasconi sollte sich dann auch gut schlagen und an zweiter Stelle landen.
Dann kam der Tag der Wahlen, die meisten Exit Polls gaben Ciolacu als Sieger und Überraschung, Lasconi auf dem zweiten oder dritten Platz. Der General Nicolae Ciuc² und Marcel Ciolacu, der amtierende Premierminister, kamen nicht in die Stichwahl.
Als Sieger taucht ein Mann auf, während der Wahlkampagne in der Öffentlichkeit nicht sehr präsent. mit wenig oder keinen Fernsehauftritten, der jahrelang in gehobenen Positionen im Staatsapparat gearbeitet hat (Außenministerium, dann 2010-2012 als Berichterstatter des Hohen Kommissars für Menschenrechte, aktiv auch im Club von Rom oder bei den Vereinten Nationen: United Nations Global Sustainable Index Institute), wo er für (?) den rumänischen Staat gearbeitet haben soll. Anhänger von Konspirationstheorien, Impf-Gegner, mit zahleichen Pro Russland- und Pro Putin-Erklärungen, mit höchst fragwürdigen Äußerungen zu medizinischen oder wissenschaftlichen Themen (Kaiserschnitt, Struktur des Wassers, Nano-Chips ausGetränken, Bewunderer des Faschisten Corneliu Codreanu, der Capitan der Legion des Erzengels Michael und zu Gunsten von Ion Antonescu, dem Conducător des rumänischen Staates während der Kriegszeit – was ihm eine Strafanzeige einbrachte, die aber wegen ungenügenden gesetzlichen Mitteln ad acta gelegt wurde. Die große Überraschung nach Auszählung der Stimmen: An erster Stelle stand eben dieser C²lin Georgescu, ein Mann des Systems eigentlich, der jetzt den Antisystemmann spielt. Ein Mann, der sich gegen das Bleiben Rumänien in der EU und in der NATO aussprach, der Putin als einen hervorragenden Politiker sieht und der behauptet, die Rumänen hätten Gott gewählt, nicht ihn. Der messianische Gedanke mit Legionärsruch begleitet seine Reden und Stellungnahmen, der Diskurs ist der gewöhnliche Diskurs Moskaus gegen das „korrupte und dekadente“ Europa.
Glücklicherweise konnte die zweite Position von Lasconi eingenommen werden. Bürgermeisterin, ehemalige Fernsehmoderatorin, löste auch sie nicht viel Enthusiasmus aus. Man hoffte aber, dass die Leute hinter ihr „anders” ticken als die etablierten Parteien, deren Kandidaten im Wahlkampf mit politisch ausgelaufenen Mitarbeitern erschienen sind.
Alle fragten sich, was ist geschehen, wie konnte ein fast unbekannter Name diese Wahletappe gewinnen? Man sagt, es war eine Anti-System-Wahl, weil die Wähler die Korruption, den Versuch von PSD und PNL, die Macht für die nächsten zehn Jahre an sich zu reißen, auch durch den Wahlkalender, nicht zustimmen wollten, ebenso die Mediokrität, die Vetternwirtschaft, die Inkompetenz der Leader, die nur ein gekauftes Studiendiplom nachweisen konnten, was aber hierzulande niemanden zu stören scheint.
Folglich war es das erste Mal, dass sowohl die Liberalen wie auch die PSD (man kann ihnen nur schwer das Sozial-Demokratische anerkennen) nicht in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen kamen.
Eine Lawine rollt durch die rumänische Presse, die aber einen wesentlichen Beitrag hat zur Verunsicherung der Bevölkerung: die Frage, wieso war es möglich, wird von den verschiedenen Kommentatoren, Politikern, beantwortet. Die Leitung der Liberalen kündigt an, ein tüchtiger ehemaliger Bürgermeister von Oradea übernimmt provisorisch die Parteiführung und erklärt die bedingungslose Unterstützung seiner Partei für Elena Lasconi.
Die Sozialisten sind weniger dafür zu haben, auch ihr Präsident tritt jedoch zurück. Es gibt keinen neuen Chef, vorläufig.
Tatsache ist, dass die antidemokratischen Kräfte aus Rumänien und wahrscheinlich Russland sehr klug gehandelt haben: während alle Scheinwerfer zuerst auf Diana [osoac² und danach auf George Simion als große Gefahr gerichtet waren, bereitete man eine extrem Rechte mit mystischem Legionär-Diskurs, und offensichtlicher antieuropäischer und pro-russischer Denke vor, um die Präsidentschaft zu gewinnen. C²lin Georgscu „ein Rumäne für Moskau“.
Die Überraschung war enorm und wurde durch die Aussagen von Georgescu verstärkt, die gegen die EU und gegen die NATO gerichtet waren, der sich ebenso für einen „schnellen Frieden“ im Krieg Russland-Ukraine aussprach, ohne zu sagen, was für einen Frieden er sich wünschte.
Nicht nur die Überraschung war groß, auch die Furcht, Rumänien könnte von seinem pro-europäischen und pro atlantischen Weg abweichen unter einem solchen Präsidenten. Unterdessen haben die Parlamentswahlen stattgefunden. Die PSD, PNL, USR und UDMR könnten eine lockere Mehrheit bilden. AUR als zweitplatzierte Partei bildet noch immer die größte Gefahr, besonders wenn ein Georgescu Präsident werden würde.
Als Schluss könnte man sagen: obwohl die PSD noch keine Gefahr für die Demokratie in Rumänien darstellt, ist sie trotzdem das größte Hindernis für den Fortschritt Rumäniens auf dem europäischen und atlantischen Weg. Durch ihre ambivalente Haltung Russlands gegenüber, durch ihre totale Unterordnung der Kirche gegenüber, durch Vetternwirtschaft, durch Korruption. Die Vermutung ist, dass die sogenannten Suveränisten ihren Platz in der PSD haben und hier der Kern der Gegner der europäischen Regelungen zu suchen ist. Es handelt sich um die Neureichen Rumäniens, deren Vermögen eine europäische Kontrolle vermeiden will… Aufschlussreich die öffentliche Aussage von Ion }iriac, der, ohne seinen Wunschkandidaten zu nennen, sich einen Präsidenten wünscht, der in Bruxelles „aufrecht steht“, nicht gebückt (so aufrecht wie }iriacs Jugendbeziehungen mit Ion Gheorghe Maurer, vielleicht?). }iriac ist eigentlich die Stimme der rumänischen Unternehmer, so wie es schon immer die lokalen Potentaten aus den ost- und süd-osteuropäischen Staaten gemacht haben, die ihre eigene, persönliche Macht unter dem Motto des Patriotismus und der Vaterlandsliebe getarnt haben, für die die europäischen Regelungen, egal welcher Natur, eine Gefahr darstellen und die eine offene Tür für ein Machtüberschwappen Richtung Westen von Russland sind.
Wie kann es jetzt weitergehen? Die Sozialdemokraten haben die Chance, zu zeigen, dass sie in Wirklichkeit eine pro-europäische Partei sind, indem sie Lasconi bei den Präsidentschaftswahlen unterstützen und eine Regierungskoalition mit den Liberalen, der USR und der UDMR bilden, und so die AUR-Leute von Simion in der Opposition lassen. Die ausweichenden jüngsten Äußerungen von Ex-Ministerpräsident Tudose, ein führendes Mitglied der PSD, sind wenig ermunternd.
Und wenn das nicht geschehen wird, was dann? Für die, die die Erfahrung des totalitären Regimes Ceau{escus gemacht haben, sind die Perspektiven extrem dunkel. Die Koffer packen bringt nichts oder fast nichts, man ist zu alt und die Haltung der westlichen Sozialdemokraten distanziert sich eigentlich nicht von der alten Russensympathie der Schröder-Partei. Die Wahlen in einigen österreichischen Bundesländern sind nicht besonders aufmunternd, die EU ist intern zerrissen, mit Regierungschefs wie Viktor Orbán, die eigentlich nur eine Interessenehe mit Brüssel wollen.
Für die jungen Menschen hätte man sich nur wünschen können, dass sie massiver zur Wahl kommen und die Lage selbst in die Hand nehmen. Ist nur teilweise geschehen und für die jungen Generationen bleibt leider die Variante der Ausreise, was die demokratischen und kompetenten Kräfte noch mehr schwächen wird.
So müssen wir eben die Folgen einer unehrlichen und habsüchtigen Politik ertragen, die über Jahrzehnte von den wichtigsten Parteien geführt wurde, während die politische Erziehung der Kinder und Jugendlichen für die Werte der Demokratie vernachlässigt wurde. Während in den Schulen Proselytismus praktiziert wurde, über die Medien Mystizismus und Aberglaube als Wissen verbreitet wurde, sind junge Menschen herangewachsen, denen die Mittel und das kritische Denken fehlen, sich gegen öffentliche Lüge und offenen Betrug zu wehren.
Man kann also nur hoffen, dass die Parteien bei der anstehenden Regierungsbildung vernünftig und im Interesse der Bürger handeln und, dass die Bürger in der nächsten Runde der Präsidentschaftswahlen vernünftig(er) wählen.