Draas hat es geschafft!

Wie eine Kirchenburg durch Eigeninitiative gerettet wurde

Bernd Wagner mit dem Schwert vor dem Eingang der Kirche

Grabsteine, von der Erde fast völlig verschlungen...

Die schmucke Kirchenburg von Draas Fotos: privat

Neue Draaser aus Siebenbürgen und Deutschland waren bei dem Sonderfest Anfang August dabei.

Genau einen Tag vor der festlichen Eröffnung des Großen Sachsentreffens in Hermannstadt/Sibiu fand in Draas/Dr˛u{eni, in einem abgelegenen Winkel des Repser Ländchens, ein Sonderfest statt. Es war nirgendwo angekündigt worden als auf der Sonderseite der Draaser Gruppe und ihrer Anhänger: Auf Initiative des Burzenländer Rückkehrers Bernd Wagner war vor zehn Jahren ein Verein gegründet worden, der sich die Rettung der Draaser Kirchenburg zum Ziel gesetzt hatte.

Draas gilt heute als ein Traumdorf im Gedächtnis der Siebenbürger Sachsen, weil es hier das berühmte Sachsenschwert gegeben hat. Doch dieses verschwand mitsamt der Bevölkerung am Ende des Zweiten Weltkrieges, auf der Flucht in den Westen. Übrig blieb ein verlassenes Dorf rings um eine beeindruckende Kirchenburg, die auf einer Sonderliste des Rumänischen Instituts für Patrimonium vermerkt war. In den siebziger Jahren begannen hier großangelegte Ausgrabungen, die viel Schaden an Burgmauer und Türmen verursachten. Die ganze einmalig eingerichtete Kirche musste ausgeräumt werden, die Stücke wurden in mehrere Kirchen Siebenbürgens verteilt. Die Reparaturen wurden bald unterbrochen, die Kirchenburg einfach aufgelassen. Ella Kosa war die letzte sächsische Burghüterin, die enttäuschte Touristen durch das herrliche Portal in die leere Saalkirche einließ.

Bernd Wagner war ein junger Bursche, als sein Großvater als Bezirkskirchenkurator von Kronstadt/Bra{ov das Ausräumen der Kirche überwachte. Er hat erlebt, wie ein Stück Mauer und ein Turm einstürzten, er hat es nie vergessen. Dann wanderte seine Familie nach Deutschland aus. Bernd erlernte  einen praktischen Beruf, wurde ein geschickter Tischler und dachte nur an die Rückkehr. Nach der Wende kam er tatsächlich zurück und meldete sich bei der Landeskirche, um bei der Reparatur von Kirchenburgen mitzumachen. Doch die evangelische Landeskirche war restlos überfordert und schaffte es nicht, eine Abteilung für den Schutz der zahlreichen Kirchengebäude einzurichten. Bernds Einsatz blieb unverstanden, er wurde zu einem Außenseiter, der auf eigene Faust Initiativen unternahm und dabei auch viel aneckte. So kam ihm vor zehn Jahren die Idee, einen eigenen Verein zu gründen und mit Hilfe von Freiwilligen und Sponsoren ein  Projekt zu starten. Sein Ziel war Draas. Als erstes schmiedete er eine Kopie des  Draaser Schwertes und legte es in die leere Kirche...  

Danach begann er, mit seiner Truppe die Kirchenburg von Draas in Ordnung zu bringen. Zuerst wurden die fehlenden Ziegeln am Dach ersetzt, der First befestigt, der Dachboden gereinigt und in Ordnung gebracht. Dann ging es an den Innenraum. Die Wände wurden abgestaubt und der Boden gereinigt, aus Deutschland kam eine Sendung neuer Stühle, ein geschenktes Heiligenbild ersetzte den Altar. Das einmalige Portal wurde gesäubert, die Eingangstüren renoviert und gestrichen, der fehlende obere Teil originalgetreu nachgemacht. Das Tympanon, einmalig in der siebenbürgischen Kirchenburgenlandschaft mit seinen rätselhaften Basilisken, zeigte sich wieder in seiner ganzen Pracht.

Zwischendurch wurde der ausgedehnte Burghof entrümpelt, das Gesträuch entfernt, das hohe Gras gemäht. Auch der Friedhof wurde nicht vergessen. Die Grabsteine waren fast vollständig eingesunken oder im Gestrüpp des Waldes verschwunden. Die Nachkommen der Toten lebten irgendwo in Österreich oder Deutschland, ihre Kinder haben nichts mehr mit der alten Heimat zu tun. Das war mit ein Grund, warum die Truppe von Draas mit scheelen Augen angesehen wurde. Ihr seid doch keine Draaser, was habt Ihr dort zu tun? Doch die Gruppe war nicht einzuschüchtern. Man gründete ein Presbyterium, wählte eine Vorsitzende, mietete ein Haus und  traf sich regelmäßig, um weiterzuarbeiten. Die Zusammensetzung der Gruppe ist einmalig. Die Mitglieder kommen aus verschiedenen Orten wie Klausenburg/Cluj-Napoca und Bukarest, aber hauptsächlich Siebenbürgen; sie haben  Berufe und Talente aller Art, vom Handwerker und Buchhalter bis zum Musiker und Historiker. Jeder leistet seinen Beitrag. Viele sind Rückkehrer und sie alle wollen nichts anderes, als Draas zu retten, und wenn die ganze Welt dagegen sei!  

Nach dem ersten Bericht in der Siebenbürgischen Zeitung meldeten sich auch die ersten ausgewanderten Draaser. Sie schickten Bücher, Broschüren, Fotos, man konnte eine Ausstellung zusammenstellen. Von Anfang an war Werner Paulini mit von der Partie und bat um einen Ortsplan mit den Hausnummern, der im Kirchenarchiv des Teutsch-Hauses vorlag. In mühevoller Arbeit hat er inzwischen mit seiner Schwester alle Namen der Familien aufgelistet, die vor der Flucht in Draas gelebt haben. Jetzt arbeiten die beiden an ihren Erinnerungen aus alten Zeiten. Ein Unbekannter meldete sich vor Kurzem und schickte eine Menge Fotos aus den siebziger Jahren. Erst jetzt kann man sehen, welch herrlich bemalte Möbel in dieser Kirche standen.  Aber gibt es sie überhaupt noch? Der in Großau/Cristian untergebrachte Altar ist zur Hälfte verschwunden. Wohin wohl?  Bernd Wagner ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und hat es auch diesmal geschafft. Mit Hilfe seiner Truppe hat er den Altar wieder zusammengesetzt und ergänzt. Sogar das verschwundene Bild wurde von kundiger Hand nachgemalt. Ist das falsch? Oder ein Nachweis, wie die letzten Sachsen mit ihrem Kulturgut umgehen und was man dagegen tun kann? Und wie geht ein Deutscher mit den Draaser Möbeln um, die er aus Siebenbürgen gleich nach dem Krieg hinausgeschmuggelt hat? Der Draaser Goldkelch gehört inzwischen zu den Prachtstücken im Siebenbürgischen Museum in Gundelsheim. Draas ist mehr als nur eine Erinnerung!

Das Sonderfest von Draas stand auf keiner Event-Liste, wurde aber zu einem herausragenden  Ereignis! Neue Draaser aus Siebenbürgen und Deutschland waren dabei, als Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann und der Repser Kurator Karl Hellwig die neue Pfarrerin des Repser Ländchens, die deutsche Theologin Christiane Schöll, in die Kirche einführten. Die Glocken erklangen wieder, Orgelmusik begleitete den Gesang, die junge Pfarrerin hielt eine beeindruckende Predigt zum Thema Heimat.  Es war  ihre Idee gewesen, hier auch einmal zu predigen. Und die Kirchenoberen waren einverstanden gewesen. Sie hatte etwas angestoßen, das schon lange auf seine Erfüllung gewartet hatte. Und nun war es geschehen. Die Draaser Kirche hat es geschafft,  wieder da zu sein!