„Eigentlich wollte ich mal Pause von Ehrenämtern machen“

Friederike Gribkowsky als treibende Kraft beim Aufbau der Deutschen Schule Bukarest

Friederike Gribkowsky bei der Übergabezeremonie des Bundesverdienstkreuzes

Am 3. Oktober 2020 wurde der Campus der DSBU eingeweiht.

Auf der Baustelle mit Verwaltungsleiterin Codruța Ilovan

Die erste Abiturientin und ihre Klassenlehrerin, Anna Thelen (rechts) und Susanna Becker, heute Schulleiterin | Fotos: privat

Der Weg zum Erfolg ist wie das Auffädeln einer Kette aus verschiedenen Gliedern – großen und kleinen, fragilen und starken, vielen schlichten und wenigen Glanzstücken. Ist nur eines darunter, das nicht hält, war die ganze Mühe umsonst! Die Glieder heißen  Einsatz, Opferbereitschaft, Kreativität, Beharrlichkeit, Vertrauen, Glück, Mut, manchmal auch Wahnsinn und Verzweiflung. Friederike Gribkowsky hat sie in den letzten über zehn Jahren alle aneinandergereiht. Fast zum Schluss, als die Kette schon beinahe fertig war, gab es einen Moment, wo sie plötzlich alles verloren glaubte. Und dann…

...dann stand sie auf einmal da,  eine schöne, moderne Schule auf einem riesigen Campus in Bukarest, mit Kindergarten und Krippe, Sport- und Spielplätzen, auf dem sogar der Tag der Deutschen Einheit gefeiert wurde, zwei Präsidenten gaben sich die Ehre, der eine reell, der andere virtuell, Corona hatte auch noch dazwischengefunkt. Und Friederike Gribkowsky fand sich bald darauf in der Residenz des deutschen Botschafters wieder: Lobreden, Blitzlichtgewitter, an die Brust der ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Schule Bukarest (DSBU) wird das Bundesverdienstkreuz geheftet... 

„Du bist wohl ein Ehrenamtsjunkie”

Von alledem ahnte sie freilich nichts, als es sie 2009 wegen des Berufs ihres Mannes eher zufällig aus Stuttgart nach Bukarest verschlug. Was kann schiefgehen, dachte sie damals, als sie selbst den Umzug vorschlug, um ihrem Ehemann das Pendeln zu ersparen. „Und wenn‘s nicht passt, in zwei Wochen ist man doch wieder umgezogen.“ Die großen Kinder waren aus dem Gröbsten heraus und konnten in Deutschland bleiben, der Jüngste sollte in die dritte Klasse, konnte sogar Rumänisch, nur wünschte sich sein rumänischstämmiger Vater eine zweisprachige Schule mit modernem pädagogischem Ansatz. Das einzige Angebot in dieser Richtung war eine kleine, im deutschen Auslandsschulverband nichtmal anerkannte deutsche Schule, von einem privaten Schulverein gegründet. Zwar wurden deren Zeugnisse anerkannt, doch Prüfungen, geschweige denn das Abitur, konnte man dort nicht ablegen. Für die Expats aus deutschsprachigen Ländern war diese improvisierte Schule dennoch eine bessere Lösung als das Goethekolleg mit auch rumänischem Unterricht. 

Friederike Gribskowsky erinnert sich an die erste Elternversammlung. Ein Elternvertreter sollte gewählt werden, doch niemand wusste, was das überhaupt bedeutet. Lieber vertagen, wurde aus Hilflosigkeit vorgeschlagen. Bloß nicht, widersprach die resolute gebürtige Schweizerin. Sie wisse schon, wie das geht... und schon fand sie sich selbst in der Rolle wieder. „Eigentlich wollte ich in Bukarest mal Pause von Ehrenämtern machen“, lacht sie. Vergeblich! „Du bist wohl ein Ehrenamtsjunkie“ spotten Bekannte.

Höhenflüge und Horrormomente

Ein Jahr später landete sie im Vorstand, ebenfalls ehrenamtlich. Dies übrigens bis heute. Längst ist ihre Familie nach Deutschland zurückgekehrt, sie pendelt nun selbst regelmäßig hin und her. Vor Kurzem wurde sie für weitere eineinhalb Jahre als Vorstandvorsitzende der Schule bestätigt. Die unzähligen Flüge und Aufenthalte bestreitet sie aus eigener Tasche. „Wenn man das Glück hat, dass es einem gut geht, hat man das Bedürfnis, der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, meint sie. Schon früh sei sie als geschiedene Alleinerziehende finanziell unabhängig gewesen und habe sich ehrenamtlich engagiert. Im chaotischen Rumänien fühlt sie sich im Vergleich zum schnurrenden Motor Deutschlands ganz wohl. „Wir sind in den falschen Ländern geboren“, lacht sie wieder. „Mein Mann ist so ein ‚brrrrt-Mensch‘ - und ich bin ganz anders, eher kreativ.“ 

Herausforderungen gibt es hier für sie immer noch, auch wenn die Schule jetzt in trockenen Tüchern zu sein scheint. Nachdem sie sich jahrelang eingesetzt hatte, dass die Schule überhaupt überlebt, die vielen Schritte von der Anerkennung bis zur Förderung und Lehrerentsendung aus Deutschland waren hart erkämpft, muss nun zum ersten Mal eine fünfte Klasse geteilt werden. „Und wenn wir jetzt die Fünfte spalten, dann können wir gleich weiterbauen.“  

Vergessen ist, was sie nur Minuten zuvor gebeichtet hatte: Von dem „Horrormoment“, als auf einer Konferenz durchsickerte, der DSBU werde die Zulassung für das Abhalten von Abiturprüfungen nicht erteilt. „Wir waren schon am Bauen und brauchten dieses Abitur – jetzt und nicht erst in fünf Jahren!“ Ihr war klar, niemand in Rumänien würde sein Kind auf eine deutsche Schule ohne Möglichkeit zur Abschlussprüfung schicken. „Ich stand mit dem damaligen Schulleiter im Gang, die Tränen liefern mir übers Gesicht, und sagte: Das ist das Ende, jetzt geh ich zu meiner Familie zurück und irgendjemand soll das hier abwickeln.“

Sie lacht: „Doch dann hat Botschafter Werner Hans Lauk die letzten hundert Meter seiner Amtszeit nochmal richtig Vollgas gegeben!“

„Das hat Corona gerettet“

Spatenstich mit dem Nachfolger. Folgenschwere Worte rutschten dem inzwischen ebenfalls am Ende seiner Amtszeit stehenden Botschafter Cord Meier-Klodt heraus. Er wolle den deutschen Nationalfeiertag auf dem Gelände der DSBU feiern! Inzwischen war auf dem von dem österreichischen OMV-Konzern gespendeten Grundstück ein stattliches Gebäude mit Mitteln auch aus dem Auswärtigen Amt entstanden. Etappensiege für Gribkowsky, die Schulleitung und ihre emsigen Mitstreiter im Vorstand. Dazwischen immer wieder kalte Duschen: Die Kosten für das  Baumaterial und die Löhne stiegen exorbitant, es musste nachbeantragt werden. Stressgespräch in der Botschaft, immerhin ging es um deutsche Steuergelder. Frustmomente: „Da tut und macht man und nichts ist gut!“ 

Schließlich doch „Ende gut, alles gut“. Sogar der dritte Oktober wird planmäßig gefeiert - „das hat Corona gerettet!“, gesteht Gribkowsky. Ein Drittel des Geländes war noch Baustelle, „auf der Bühne wellte sich der Belag und konnte unmöglich so abgenommen werden“, niemals hätte man einen so großen Empfang realisieren können. Doch dann fand nur ein kleiner Teil mit physischer Präsenz statt. Immerhin kam Staatspräsident Klaus Johannis höchstpersönlich, der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier grüßte virtuell aus der Ferne. Schwierig genug die Organisation: „Was so ein Präsident an Schutzpersonal dabei hat“, wundert sich Gribkowsky. Schmunzelt, sagt trocken: „Wir sind ja hier nicht in Erbil.“ 

Immer wieder blitzt der Schalk in ihren Augen, wenn sie erzählt. Von all den verrückten, intensiven, manchmal schier  unglaublichen Momenten. „Ich sage Ihnen, dieses Kind muss weg!“ imitiert sie mit hochgehobenem Zeigefinger und spitzer Stimme eine Mutter. „Und ich sage Ihnen, solange ich hier bin, bleibt dieses Kind!“ „Dann werden Sie scheitern!“ 

Amüsiert gibt sie die Geschichte des deutschen Schulleiters zum Besten, der furios ins Lehrerzimmer stürmte: Er hatte von einer Mutter zum Schulabschluss ein Hemd geschenkt bekommen. Ohgottogott, viel zu teuer! Das werde er nie anziehen und am Besten gleich zurückgeben. „Sag Dankeschön und benimm dich wie immer!“ schimpft die Vorstandsvorsitzende. „Zurückgeben wäre ein ganz schlimmer Affront.“ Sie erklärt, in Deutschland dürfe ein Lehrergeschenk nicht mehr als fünf Euro kosten. „Mit Korruption gab es nie Probleme - aber wenn Lehrer aus Deutschland Geschenke zurückweisen wollten, die hier üblicherweise größer ausfallen, das waren blöde Momente.“

Erste Abiturientin

Was sagt der Sohn zum Engagement der Mutter für seine alte Schule? „Der würde hier glatt nochmal die Schulbank drücken wollen“, zitiert ihn Friederike Gribkowsky. Beinahe wäre er der zweite Abiturient der DSBU geworden, doch nach sechs Jahren zog es Mann und Sohn doch wieder nach Deutschland zurück. Die erste Abiturientin war Anna Thelen, Tochter der Gründer des damaligen Schulvereins. Mittlerweile besuchen die DSBU 270 Schüler und Kindergartenkinder – bald sollen es 370 sein. Die Struktur der Klassen ist pyramidal, breit in den unteren Klassen, für die es sogar Wartelisten gibt, doch nach oben hin noch schmal. Tatsächlich musste man damals zwei Klassen zusammen unterrichten, damit ein gewisser Austausch stattfand und Anna nicht nur Einzelunterricht hatte, erzählt Gribkowsky. „Eine Klasse über unserer ersten Abiturientin haben  zwei Schülerinnen in Stuttgart Fremdabitur gemacht. Wir haben noch einen Mathelehrer eingeflogen und bei mir zuhause eine Art Mega-WG gegründet – und sie haben bestanden.“ Die Zulassung der DSBU zum Abitur sei vor allem für rumänische Eltern enorm wichtig gewesen. Seither ist der Run auf die Schule trotz des hohen Schulgelds groß. Sie betrachten es als Investition, um ihren Kindern ein kostenloses Studium in Deutschland zu sichern. Manche arbeiten sehr hart dafür. „Amerikanische Schulen kosten auch“, erklärt Gribkowsky, „aber da kommen später exorbitante Studiengebühren hinzu.“ Manche Eltern wollen raus aus dem lokalen Schulsystem mit Auswendiglernen und Frontalunterricht. Andere wählen die Schule wegen ihrer Werte: „Zuverlässigkeit und nicht dieses amerikanische Bling-Bling.“ Doch der Drang zum Braindrain ist nach wie vor groß. „Eigentlich traurig“, findet sie.

Weitermachen wird sie noch eineinhalb Jahre, so lange Schulleiterin Susanna Becker vor Ort ist. Doch irgendwann müsse Schluss sein: „Wenn man keine Kinder mehr in der Schule hat und das Alter der Großmütter erreicht, kann man noch begleiten, aber nicht mehr in dem Ausmaß. Dann muss es irgendwann genügen, wenn man weiß, wo ich zu erreichen bin.“ Bis dahin will sie sich weiterhin auf ihr Motto stützen: „Herr, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“