„Ein Bär pro Quadratkilometer“

Braunbärenproblematik weiterhin ungelöst

Diese Aufnahme vom Sommer 2021 zeigt, wie ein Bär in den Südkarpaten vom Auto aus gefüttert wird. Das Füttern von wilden Bären ist nur einer der verschiedenen Gründe, die das „Bärenproblem“ verursacht haben.
Foto: Wikimedia

„Ein Bär pro Quadratkilometer“: Diese Schätzungen nannte Ramon Jurj, Manager des Projekts „Life for Bear“ seitens der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft INCD Kronstadt, in Bezug auf die Bestandsdichte von Braunbären in der Umgebung Kronstadt/Bra{ov und Prahovatal/Valea Prahovei, beziehungsweise für die Habitate um Kronstadt, Rosenau/Râsnov, Schuler/Postavarul, Bucegi, Predeal, Ciucaș und bis Câmpina. 

Diese Daten seien das Ergebnis des mehrjährigen Projekts zum Schutz des Braunbären in Rumänien, das Lösungen suche, die Tiere fern von Menschensiedlungen zu halten. Sie wurden Ende Januar in der Schulerau im Rahmen eines offiziellen Treffens vorgestellt, an dem auch Umweltminister Barna Tánczos teilnahm. 

Jurj erklärte, dass allein am Schuler mehr als 60 Tiere gezählt worden seien, was bedeute, dass hier die größte Dichte von Braunbären landesweit besteht. Die meisten felligen Vierbeiner leben allerdings im Kreis Covasna, und zwar 18,36 Bären pro 100 Quadratkilometer. Dies sind aber nur Schätzungen der Forstämter, eine solide Zählung gab es seit Jahren nicht. Der Umweltminister kündigte für diesen Frühling eine wissenschaftlich gut fundierte Bestandsaufnahme der Bärenpopulation in den rumänischen Karpaten durch DNA-Analyse an.

Der Lebensraum wird immer mehr eingeschränkt

In Rumänien leben rund 60 Prozent der Braunbärenpopulation (Ursus arctos) Europas. Der letzten öffentlichen Evaluierung zufolge, die 2016 erfolgte, lag die Anzahl der Tiere bei etwa 6300 Exemplaren – so die Angaben des Umweltministeriums. Behörden geben eine Anzahl von etwa 4000 Braunbären als optimal für Rumäniens Wälder an. Umwelt- und Tierschutzvereine und Nichtregierungsorganisationen beschuldigen aber Jagdverbände, zu hohe Zahlen von Tieren anzugeben, um Abschussquoten zu erreichen.

Hauptsächlich um illegale Trophäenjagden kapitaler Braunbären zu vermeiden, gilt seit 2016 ein Jagdverbot für das Raubtier. Somit sei deren Anzahl angestiegen. Das Wild wurde mittlerweile auch in Gala]i oder Craiova gesichtet, also weit entfernt von seinem bekannten Habitat.
Die Gründe dafür, dass die großen Tiere dem Menschen immer näher kommen, sind längst bekannt: Abholzung, Forstarbeiten, schnelle Urbanisierung, chaotische Entwicklung des Tourismus oder Wilderei haben das Habitat der Bären stark eingeschränkt. Hinzu kommt die Tatsache, dass Beeren und Pilze von Menschen gesammelt werden, sodass das Raubtier immer weniger Futter im Wald findet. Außerdem werden die Bären mancher-orts noch immer mit Nahrung an den Waldrand oder gar Stadtrand gelockt, um sie zu fotografieren.

So steigen schwache Exemplare, wie etwa Bärinnen mit Jungen, in menschliche Siedlungen herab, wo sie leicht zu Nahrung kommen. 365 Exemplare sind seit 2010 in Auto- oder Zugunfällen verunglückt, oder wurden tot aufgefunden – die meisten in Harghita (102), Covasna (63) und Kronstadt (51). Die Todesursachen wurden offiziell nicht angegeben, in einem Interview erklärte der Umweltminister aber, dass sich Leute, die sich vom Tier direkt bedroht fühlen und die schon von ihm angegriffen wurden, sich gegen das Tier zu helfen wissen (was wahrscheinlich bedeutet, sie haben die Gefahr auf radikale Weise beseitigt, möglicherweise durch tödliche Fallen).

Seit Jahren sind Fotos und Videos, die Bären in Gärten, Höfen, auf Straßen oder gar in Geschäften zeigen keine Rarität in (sozialen) Medien. In Siedlungen und Städten greifen sie – nicht alle! – vorwiegend Nutztierherden und Geflügel an, auch Bienenstöcke oder Obstgärten bleiben nicht verschont. Manchmal kommt es zu bedeutenden Sachschäden.

Zwischenfälle häufen sich

Auf manchen Straßen, etwa in Sinaia (Kreis Prahova), Baile Tu{nad (Kreis Harghita), Kronstadt spazieren sie offensichtlich ungestört. Menschen fürchten sich aber: Fast 4000 Mal mussten Gendarmen in den letzten fünf Jahren in Gefahrensituationen mit Bären einschreiten, wobei kritische Situationen sich verzehnfacht haben im Vergleich zu der Zeit vor 2016, so Tánczos.

26 Personen sind in den letzten elf Jahren bei Zwischenfällen mit Bären ums Leben gekommen, 268 verletzt worden, erfahren wir aus „Bear for Life“. Leute protestieren, sie wollen Schutz. Bürgeraktivisten setzen sich für die in Europa raren Tiere ein, etwa durch Prävention von Zwischenfällen mit Menschen. Jägerverbände und manche Politiker wollen ebenfalls auf Prävention und Eingriff setzen, in Notsituationen die Problembären allerdings erschießen.

Im vergangenen Sommer erließ die Regierung eine Dringlichkeitsverordnung, welche eine schnelle Lösung in dieser Problematik ermöglicht. Wenn bis dahin das Umweltministerium jeden einzelnen Fall bearbeiten musste, was sehr zeitaufwendig war, entscheidet nun eine lokale Kommission einer betroffenen Gemeinde über jeden Einzelfall mit Bären, die eine Bedrohung darstellen. Dabei leitet der Bürgermeister oder sein Stellvertreter die Kommission und arbeitet mit Vertretern des lokalen Jagd- und des Tierarzt-Verbandes, sowie mit der Gendarmerie oder Polizei zusammen. Als letzte Lösung gilt der Abschuss, der nur durch spezialisiertes Personal oder durch Angestellte eines betroffenen Forstbezirks geschehen darf, um möglichen Missbrauch zu vermeiden, heißt es.

Ein Gesetz, das unter anderem die sofortige Erschießung von Braunbären auch außerhalb menschlicher Siedlungen erlaubt, hat Staatspräsident Klaus Johannis Anfang Januar für eine neue Bearbeitung zurück ins Parlament geschickt. Das Weglassen des Details, dass Eingriffe nur innerhalb von Ortschaften zugelassen werden, könnte zu Missbrauch führen.

Prävention ist möglich

Als Alternative dazu, gefährliche Bären zu töten, ist ein 60 Hektar große Gehege in Obertömösch/Timi{ul de Sus geplant. Rund 100 Exemplare will das Forstamt Kronstadt hier beherbergen, ein „Bärenwaisenhaus“ soll auch eingerichtet werden. Tánczos zeigte Interesse an diesem Projekt. Bis dahin werden „Problemtiere“ weiterhin vertrieben, übersiedelt oder erschossen. 

Mögliche Prävention, die derzeit angewendet wird, ist Müllmanagement, das Auflösen einiger Picknick-Plätze (etwa in Bu{teni), das Anpflanzen von Obstbäumen oder auch das Anbringen von Elektrozäunen. Ein langfristig angelegtes Management der Situation sei auch notwendig, so der Umweltminister. Er unterstrich die Notwendigkeit von kontrollierter Bärenjagd. 

Während manche Leute Bären weiterhin als Attraktion sehen und sie fotografieren, Tierschützer sich vehement für sie einsetzen und Jäger auf Jagdpartien hoffen, die ihnen viel Geld bringen, fürchten manche um ihr Hab und Gut, ja um ihr Leben, andere warten weiterhin hoffnungslos auf Entschädigung vom Staat für die Schäden, die das Wild angerichtet hat. 

In dieser seit Jahren diskutierten Problematik sei es aber wichtig, sagte Barna Tánczos in einer Fernsehsendung, dass die Menschen den Braunbären weiterhin schätzen und ihn als ein „Wahrzeichen“ Rumäniens betrachten.

Mehr Informationen zum Projekt „Life for Bear“ finden sich auf der Homepage des Vereins: lifeforbear.ro.