Ein bisserl tötchen

Bild sxc.hu

Wer in Österreich einen Schaufensterbummel macht, kommt aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus: Zuerst bestaunt man die in der Auslage angepriesenen Sonderangebote an Tascherln, Leiberln, Tücherln und Kleiderln, danach kann man an einem Standel ein Würschtel oder ein Henderl mit Bomfritz essen oder unterwegs nur ein paar Zuckerl lutschen, wenn man keine Zeit für eine Mahlzeit oder kein Scheinderl mehr im Geldtascherl hat.
In der Schweiz hingegen haben die Damen Pulloverli aus echtem Kamelhaar, die man – wie ein beliebter Witz informiert – an den Höckerli erkennt.

In Deutschland kennt man vor allem in Schwaben die typische Verniedlichungsendung -le: also Wörschtle statt Würschtel, diese nicht mit Bomfritz, sondern mit Spätzle. Weswegen ein ehemaliger deutscher Botschafter, der beim Durchlesen seines rumänischen Sprechzettels auf das Wort „preşedintele“ (der Präsident) stieß, kopfschüttelnd ausrief: „Das kann ich doch nicht sagen! Das klingt ja wie der schwäbische Diminutiv.“ Ansonsten ist die deutsche Sprache mit -lein und -chen als einzige Formen eher verniedlichungsarm. 

Mit Ausnahme von Namen: das Annerl oder das Lenerl, wobei das Mädchen – per se immer niedlich und deswegen nur in verniedlichter Form auszudrücken – in einem Atemzug zum Neutrum mutiert. Oder Frauke und Wiebke im Norden, Frauchen und Weibchen also. Dann gibt’s noch Bärbel und Ursel für Barbara und Ursula, oder Mariechen, Mariele, Mareike und andere Koseformen für Maria.

Sprachlich ausgesprochen reich an Verniedlichungsmöglichkeiten – vielleicht als Kompensation für anderweitig fehlenden Reichtum – sind jedoch die Rumänen. Nicht nur die Verkosenamung folgt hier seltsamen, oft schwer entzifferbaren Algorithmen: Wie kommt man von Elena auf Nuţi? Wie wird aus Dumitru Mitică? Ganz einfach: Elena schrumpft zu Lena, verniedlicht zu Lenuţa und von da aus geht’s weiter zur Nuţi. Das –uţa ist nur eins der vielen Äquivalente vom deutschen -lein oder -chen, es gibt noch -ica, -uca, -oara, -ela, iţa, -uşa und parallel natürlich wer weiß wie viele männliche Verniedlichungen. Ja, in Rumänien dürfen auch Mannsbilder niedlich sein! Doch nur der Eingeweihte weiß, wann man welche Formen anzuwenden hat. So wird aus Dumitru – Miti – Mitică, aus Ion Ionuţ oder Ionel, beim Ionică weiß man hingegen nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Aus der „fată“ (hier noch Mädchen ohne -chen), wird immer eine „fetiţă“, allenfalls eine „fătucă“, niemals aber eine „fătioara“... 

Wie der Österreicher verschwendet zudem auch der Rumäne seine Koseendungen gerne an Begriffe, die dies aufgrund ihres äußerlichen Erscheinungsbildes nicht unbedingt nahelegen: die „mămică“ zum Beispiel, das „Mamilein“, mit dem „tăticu“, dem niedlichen Papilein an seiner Seite! Der hüfthohe Hirtenhund im Hof mutiert, wenn man ihn nur recht lieb hat, vom „câine“ zum „caţeluş“ und der Käse („brânză“ – „brânzică“, wenn’s ein besonders feiner ist) kommt von der „văcuţă“, dem Kühchen. Obwohl Kühchen, wenn sie klein sind, noch gar keine Milch geben. Die Garderobiere nimmt einem gerne die „hăinuţele“ ab, die Kleidchen. Ist das nicht süß? 

Was klein ist, ist auch fein, soll wohl hiermit suggeriert werden. Verniedlichte Dinge wirken einfach netter. Auch Schlechtes kann man so abschwächen oder salonfähiger machen: Aus der Dummheit, „prostie“, wird eine kleine „prostioară“. Und klingt „un pic grăsuţ“ (ein bisschen fettchen) nicht viel erträglicher als dick oder fett? Vieles kann man sich mit Abschwächungen schönerreden, selbst so schlimme Dinge wie den Tod. Das hat schon Karlchen May erkannt, als er Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossara den Kara Ben Nemsi in Anbetracht eines Bösewichtes fragen ließ: „Sidhi, soll ich ihn ein wenig töten?“ Ein wenig tot ist eben nur – tötchen!