„Ein Prestige für unser Banat“

Sanktandreser HOG-Vorsitzender Johann Janzer über das 110-jährige Jubiläum des Flugbetriebs im Banat

Der HOG-Vorsitzende von Sanktandres, Johann Janzer, reist mehrmals im Jahr ins Banat. Foto: Raluca Nelepcu


Johann Janzer ist der Vorsitzende der HOG Sanktandres/Sânandrei und auch im Vorstand des Landesverbandes der Landsmannschaft von Baden-Württemberg als Schriftführer tätig. 1981 wanderte Johann Janzer mit 25 nach Deutschland aus, wo er sich im Raum Regensburg niederließ. In einem großen Maschinenbauunternehmen bei Regensburg hatte er die Möglichkeit, an einer Umschulung und mehreren Fördermaßnahmen für den Bereich Qualitätsmanagement teilzunehmen, nahm an vielen Seminaren für Abteilungsleitung teil und widmete sein ganzes Wissen dem Bereich „Qualitätsnormen“. Mehr als 25 Jahre leitete er eine Sparte im Bereich des Qualitätsmanagements – bis zum Renteneintritt 2019, als sich sein Kontakt zur „alten Heimat“ Rumänien intensivierte. Besonders interessiert sich Johann Janzer für die Geschichte seiner Heimatortschaft Sanktandres bei Temeswar/Timi{oara, doch auch sonst sind ihm die Freundschaften mit seinen Landsleuten im Banat wichtig. Seit einigen Jahren setzt er sich mit dem Thema des „Luftschiffhafens Sanktandres“ auseinander. Wie das runde Jubiläum des Flugbetriebs im Banat im kommenden Jahr gefeiert werden soll, erzählt Johann Janzer in folgendem Gespräch. Die Fragen stellte ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu.

Wie sind Sie überhaupt zu dem Buch über die Erlebnisse von Feinmechaniker Paul Biber auf dem Luftschiffschiffhafen Temeswar mit dem Tarnnamen „Adebar“ gekommen?

In unserer Kindheit hat man ja einiges von der „Zeppelin-Zeit“ in Sanktandres während des Ersten Weltkrieges erzählt. Ich war ein kleiner Junge, und da haben unsere Großeltern von diesen Luftschiffen sehr viel berichtet. Ich habe im Jahr 2023 im Jahrbuch der ADZ einen Artikel über die Osterbräuche von Sanktandres geschrieben. Als ich den Kalender bekam, las ich plötzlich das Interview, das Sie mit Herrn Biber geführt hatten und wurde hellhörig. 2023 kam ja das Buch auf den Markt, übrigens unverkäuflich, in deutsch-rumänischer Fassung. Ich habe dann sofort Kontakt zu Herrn Dr. Jörg Biber aufgenommen. Natürlich habe ich auch eine Rezension über das Buch geschrieben, die sowohl in der ADZ, als auch in der „Bana-ter Post“ veröffentlicht wurde, und ich habe mich dann immer intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt, weil mich das einfach begeistert hat.

Welche persönlichen Erinnerungen verbinden Sie mit dem Gelände des ehemaligen Luftschiffhafens?

Die Großeltern haben erzählt, da war mal ein Zeppelin draußen, und so weiter und so fort. Und wir sind als Kinder von Sanktandres auf dieses Gelände, auf den „Hottar“ (Hutweide), wie wir gesagt haben, gegangen und haben zwei Schwimmbecken vorgefunden und auch einen Brunnen, einen ehemaligen artesischen Brunnen. Der Brunnen war damals noch intakt. Auch Schulklassen besuchten die geschichtliche Stelle unseres Dorfes. Das hat uns als Kinder fasziniert. Was noch sehr interessant war, da gab es Fuhrwege im Ort, die am Wegeingang gepflastert waren. Man hat erzählt, das Pflaster, die Granitsteine, die wären von diesem Luftschiffhafen. Und da hat man sich schon gefragt, ob es tatsächlich so sei, aber es war nichts dokumentiert. Auch einige Gartenzäune aus Zinkdraht sollten angeblich vom Luftschiffhafen stammen.

Später, 1981, hat der Sanktan-dreser Matthias Weber im Heimatbuch unseres Dorfes ein paar Seiten über diesen Luftschiffhafen geschrieben. Das hat das Ganze äußerst interessant und zusätzlich noch attraktiver gemacht. Auch der Sanktandreser Geschichtslehrer Heinrich Lay, ein Banat-Forscher, hat in seinen Heimatblättern über dieses Thema berichtet und er hat auch geschrieben, dass zum Beispiel zwei Sanktandreserinnen Unteroffiziere von dieser Kompanie geheiratet haben. Es gibt sogar ein Hochzeitsfoto von damals. Und was mir jetzt unlängst auch ein älterer Herr, ein Landsmann, gesagt hat: Einige Luftschiffer sind auch regelmäßig ins Gotteshaus, also in unsere Kirche, sonntags gegangen. Klingt doch wirklich sehr interessant. Oder?
 
Das Gelände des einstigen Luftschiffhafens befindet sich irgendwo zwischen Sanktandres und Neubeschenowa. Die Neubeschenowaer sagen, es sei ihr Luftschiffhafen gewesen. Worin besteht dieser Disput?

Unlängst habe ich auch mit Frau Karin Müller, der HOG-Vorsitzenden von Neubeschenowa, darüber gesprochen. Das Gelände gehörte sowohl zu Neubeschenowa als auch zu Sanktandres. Fakt ist, dass die Besatzung, also zum Beispiel der Kommandant Poppe, die Kanzlei in Sanktandres, in der Dorfmitte gehabt hatte. Beim Errichten des Hangars war das Kindergartengebäude von Sanktandres als Hospital eingerichtet worden. Und was noch feststeht: Bei der Landung am 2. November 1915 – das ist dokumentiert, das schreibt Matthias Weber – sind die Sanktandreser zur „Großbrick“ gegangen. Auf der Brücke vor der Dorfeinfahrt versammelten sich die Schulkinder, die Gemeindebehörden und die Lehrer, Rumänen wie Deutsche, weil Sanktandres ja nicht ein rein banatschwäbisches Dorf war - da lebten auch Rumänen. Sie sind dorthin gegangen und haben dieses Luftschiff euphorisch begrüßt. Die Anfahrt war praktisch auf diesem Sumpfgelände. Das angekommene Luftschiff fuhr im Dreieck, Richtung Jahrmarkt – Kowatschi und zurück. Vor der Landung hielt der Zeppelin eine Zeit lang über dem Sanktandreser Friedhof an, bevor er sich niederließ. Frau Karin Müller hat mir zugestimmt, dass der Standort des Luftschiffhafens deutlich näher an Sanktandres gelegen war – zwei Kilometer vor unserer Ortseinfahrt. Sie meinte: „Es war ja viel näher zu euch als zu uns“. So haben wir uns geeinigt. Natürlich haben die Neubeschenowaer auch einen Anteil an dieser Banater Fluggeschichte. Es ist eben ein Banater Ereignis in Nachbarschaft.

Ich war auch in Friedrichshafen, im Zeppelin-Museum, wo ich den Leiter dieses Museums, Herrn Bleibler, getroffen habe. Der Banater Luftschiffhafen ist dort ausgestellt und es steht ganz groß „Szentandrás“ auf dem Display der Landkarte.

Wieso haben Sie Kontakt zum Buchautor aufgenommen?

Weil mich das so sehr interessiert hat! In unserer Kindheit, zum Beispiel, ist auch erzählt worden – das hat auch Herr Biber angedeutet, weil sein Vater gerade für diesen Bereich zuständig war, dass zu jener Zeit eine elektrische Leitung bis ins Rathaus von Sanktandres gezogen wurde. Und die Luftschiffer haben dann elektrisches Licht vorgeführt, also elektrischen Strom. Sie haben eine Glühbirne zum Leuchten gebracht. Aber die Bauern des Ortes konnten mit dieser Errungenschaft eigentlich nichts anfangen, mehr oder weniger, denn sie hatten ja ihre Petroleumlampen. Ich kann mich erinnern, als im Jahr 1961 die Elektrifizierung im Ort im Gang war, da meinten einige Ortsbewohner, dass Sanktandres eigentlich auf diesem Gebiet Vorreiter hätte sein können.

Infolge ihrer Gespräche mit Herrn Dr. Biber entstand auch die Idee zu einem Jubiläum, „110 Jahre Flughafen Temeswar“. Was ist in dieser Hinsicht bereits geplant?

Der Flughafen Temeswar, heute der Internationale „Traian Vuia“-Flughafen, wurde 1935 gegründet. Man kann eigentlich 20 Jahre hinzurechnen, wo der Luftschiffhafen Sanktandres bei Temeswar doch 1915 schon gestanden hat. Das ist schon etwas Besonderes, ein Prestige für unser Banat. Deswegen war ich auch dieses Jahr auf dem Temeswarer Flughafen und habe Kontakt aufgenommen mit Herrn C²lin Petrescu, dem Pressesprecher des Flughafens. Er hat mir ein bisschen von der Fluggeschichte des Temeswarer Flughafens erzählt und mir und noch einigen Sanktandresern dann einen guten Rat gegeben, nämlich das Museum von „Traian Vuia“ nicht weit von Lugosch zu besichtigen. Es ist ein einmaliges Museum.
Und so hat sich eine tolle Idee, wie ich meine, entwickelt, dass man da nächstes Jahr etwas Außergewöhnliches aufbauen könnte. Es wäre schade, diesen Banater Stolz, als Vorreiter in der Balkaner Fluggeschichte zu sein, unerwähnt zu lassen. Ich habe mit dem Demokratischen Forum der Deutschen im Banat Kontakt aufgenommen und wir werden demnächst einen Wandkalender zu diesem Thema herausbringen. Der Titel lautet: „Kalender mit Banater Luftschiffgeschichte“. Ich glaube, wir haben das gut zusammengekriegt, Herr Biber und ich.

Was wir noch planen, ist, nächstes Jahr auf dem Domplatz, so wie letztes Jahr bei den Heimattagen, eine Plakat-Ausstellung, die auch für eine Wanderausstellung geeignet ist. Wir hätten die Möglichkeit, diese einmalige Ausstellung auch in München, Dresden und Berlin zu präsentieren. Diesbezüglich sind schon eingehende Gespräche mit mehreren Institutionen geführt worden. Vielleicht könnte man der Temeswarer Bevölkerung noch mehr anbieten. Einen Modellflugplatz aufzustellen, wäre bestimmt auch reizvoll. Vielleicht wären Banater Betriebe oder Schulen bereit, sich an einem derartigen Projekt zu beteiligen. Ich habe auch in Friedrichshafen gefragt, ob wir vielleicht Unterstützung bekommen könnten. Leihobjekte würde man uns eventuell zur Verfügung stellen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man vielleicht auch einen Ballon in Temeswar aufsteigen lässt.

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn sich der Temeswarer Flughafen an unserem Projekt beteiligen würde.

Und, was mir sehr am Herzen liegt: dass man vielleicht wirklich wieder so ein Festessen zubereitet wie damals bei der Landung. Damals, am 2. November 1915, hat man der Besatzung ein Festessen geboten. Zum Beispiel, ganz lustig, auf dem festlichen Speiseplan stand „Geflügel mit Motoröl-Tunke“. Das war nichts anderes als Geflügelfleisch mit einer scharfen Soße. Oder „Wasserstoffsuppe“, was eigentlich eine einfache Blumenkohlsuppe war. Was die Sanktandreser damals noch gemacht haben: Die Gemeindebehörde hat angeordnet, „Hühnerpaprikasch“ mit einem Bakowaer Wein zu servieren. Also, das gab es. So ein Festessen könnte man jetzt, drei oder vier Generationen später, wieder organisieren. Das könnte in Sanktandres oder irgendwo in Temeswar sein.

Vielleicht kann man auch eine Besichtigung auf dem ehemaligen Flugplatz, wo es noch Überreste gibt, anregen.
 
Haben Sie schon an ein Datum gedacht?

Ja: an den Heimattagen im Juni nächsten Jahres.

Ich möchte aber jetzt noch eine Geschichte loswerden. Wir haben letztes Jahr als HOG in Sanktan-dres ein Fest organisiert. Wir haben es mit der rumänischen Bevölkerung veranstaltet und es ist sehr gut angekommen. Das war so emotional, dass viele rumänische Bewohner uns anschließend gefragt haben, ob wir nächstes Jahr wiederkommen. Ich sagte zu den Leuten: Wenn das Projekt „Zeppelin“ fruchtet, dann wäre das die beste Gelegenheit, wieder gemeinsam zu feiern. Einen wahrhaftigen Grund hätten wir dann allemal. Und das ist es, was mich in letzter Zeit so freut. Jedes Mal, wenn ich nach Sanktandres komme, gewinne ich immer neue Freunde. Das gefällt mir einfach. Vereintes Europa wird im Banat tatsächlich gelebt.

Es gab bereits Gespräche über einen Sonderbriefumschlag und eine Sonderbriefmarke zum Thema „Luftschiffhafen“.

Ja, ja, so etwas wäre super, aber ich muss ehrlich sagen, das ist ein bisschen Neuland für mich. Es ist mit Sicherheit interessant. Auch der Vorsitzende des Banater Berglandforums, Erwin Josef }igla, ist von einer derartigen Aktion begeistert, soweit mir bekannt ist.

Was ist noch vorhanden von dem ehemaligen Flugplatz? Was sieht man dort vor Ort?

Ich war diesen Sommer mit Sorin, einem Sanktandreser, der sehr, sehr interessiert an der Heimatgeschichte ist, vor Ort. Man sieht noch die zwei Becken, die sind noch immer vorhanden. Man sieht auch den Brunnen, ohne Wasser. Er ist stillgelegt.

Herr Biber ist überzeugt, dass auch das stählerne Fundament von dem Hangar vielleicht tief unten, im Boden, noch zu finden ist. Eigentlich bin ich mir auch sicher, dass es so ist. Da könnte man Ausgrabungen tätigen, um den Grundriss des Hangars zu erspähen.

Wo sehen Sie den historischen Wert dieser umfangreichen Dokumentation zum Luftschiffhafen Temeswar in den Büchern von Dr. Jörg Biber?

Ich betrachte das immer aus der Sicht des Banats. Für das Banat, glaube ich, ist es wirklich sehr wertvoll, weil Temeswar auf dem ganzen Balkan Vorreiter ist, was den Flugbetrieb betrifft. Die Banater Landeshauptstadt Temeswar hat nun noch mehr zu bieten.