Eine Lanze für den Edlen Ritter

Zurück zur Lokalgeschichte: Der Tag der Befreiung vom Türkenjoch soll nun Temeswarer Stadttag werden

Das Prinz-Eugen-Haus: derzeit leider kaum ein Glanzstück der Stadt Temeswar
Foto: Zoltán Pázmány

Der 18. Oktober 1716 ist nicht nur in die Geschichte des historischen Banats und der sieben Jahrhunderte währenden Geschichte der Stadt Temeswar/Timişoara sondern auch in die Weltgeschichte als wichtiges Datum eingegangen: An diesem Tag zog Prinz Eugen von Savoyen an der Spitze der siegreichen österreichischen Heere in die Temeswarer Festung ein, um hier als Sieger seinen 43. Geburtstag zu feiern. Damit endete eines der dunkelsten Kapitel der Banater Geschichte, die 164 Jahre türkischer Besetzung. Nachdem das Banat 1918 dem Königreich Rumänien einverleibt wurde, verstärkt jedoch in den 50 Jahren Kommunismus, wurde diesem historischen Tag leider immer weniger Aufmerksamkeit geschenkt, in der Goldenen Epoche war jede Erinnerung an ihn unerwünscht und er wurde zum Tabu erklärt.

Erst nach der Wende versuchten die Temeswarer, von Gesellschaften, Kulturvereinen aus der Zivilgesellschaft bis zu der Stadtverwaltung, sich an das „Klein Wien“, an das wertvolle historische und Kulturerbe aus einer Epoche, die Temeswar zu dem gemacht hat, was es heute ist, zurückzubesinnen. All die Verluste sollen wettgemacht werden: Mit schönen aber schwierigen Stadtprojekten wird Jahr für Jahr ein Stück lebende Stadtgeschichte bzw. der historischen Altstadt, von den stolzen Barockbauten der Innenstadt bis zu den Jugendstilbauten und Palästen im Stadtzentrum, zurückgewonnen. Die längst fällige „Wiedergutmachung“, das heißt die Sanierung der Altstadt, erweist sich jedoch als ein schwieriges und kostspieliges Vorhaben. Viel mehr kann man im Kulturbereich machen: Der Temeswarer Kulturverein „Ariergarda“ versucht, die jüngeren Generationen der Temeswarer Bevölkerung mit Straßenfesten nach deutschem Muster auf das wertvolle Erbe, auf die verschüttete Geschichte und die Geschichten der Altstadt aufmerksam zu machen.

Kürzlich unterbreitete Adrian Orza, der amtierende Vizebürgermeister der Stadt, dem Stadtrat seinen Vorschlag, den Tag des 18. Oktobers zu einem Tag von Lokalbedeutung bzw. einem Stadttag zu machen. Die Initiative ist lobenswert und hat auch viele Anhänger und Befürworter an der Bega. Was daraus wird, muss man noch abwarten. Die Stadt Temeswar hat wohl mit dem 20. Dezember – an diesem Tag wurde 1989 Temeswar infolge der Volkserhebung gegen das Ceauşescu-Regime zur ersten freien Stadt Rumäniens erklärt – einen schönen Tag zum Erinnern und Feiern. Doch mit dem 18. Oktober 1716 wurde der Grundstein zur eigentlichen Stadtwerdung, zum Aufbruch der Begastadt in das moderne Zeitalter gelegt und die Weichen für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zur Banater Metropole gelegt. Die Herrschaft der Osmanen über die Festung Temeswar und über das Banat endete nach einer 48-tägigen Belagerung.

Schon am 13. Oktober, wird erzählt, hissten die seit Tagen unter starkem Kanonenbeschuss liegenden Türken auf einem der Wehrtürme die weiße Fahne. Am 16. Oktober zogen die Türken nach dem Verlust von 6000 Mann mit einer entwaffneten Heerschar von 12.000 Mann aus der Festung aus. Bei der Übergabe der Festung überreichte Prinz Eugen dem Pascha eine Golduhr und er bekam dafür ein Araberpferd. Das Tor, durch das Prinz Eugen in die Festung Temeswar einzog, wurde später „Prin-Eugen-Tor“ genannt. Der Sieger ernannte Graf Franz Paul von Wallis zum Festungskommandanten und den General der Kavallerie, Graf Claudius Florimund Mercy, zum Gouverneur. Das Osmanische Reich trat das Banat und die Kleine Walachei sowie Nordserbien an Österreich ab. Das Banat wurde durch den Frieden von Passarowitz (1718) Kron- und  Kammerdomäne der Habsburgermonarchie mit eigener Militärverwaltung.

An diese echte Gründerfigur erinnert heute leider nur mehr wenig in Temeswar: So die Nobeladresse Prinz-Eugen-Haus, Hausnummer 24 in der Eugen von Savoyen-Straße. Ein Gemälde über dem Eingangsportal dieses zweistöckigen, aber seit Jahren sanierungsbedürftigen Altbaus zeigt die Türkenvertreibung. Auch eine Tafel erinnert an diesen großen Tag der Stadt und daran, dass das Haus an Stelle des 1817 abgetragenen Festungstors erricht wurde. Ein Temeswar-Kenner, Franz Liebhard, berichtet gar, dass hier bei der Renovierung in der 30er-Jahren ein Pascha-Bild zum Vorschein gekommen war. Ältere Generationen erinnern sich auch daran, dass der heutige Freiheitsplatz einmal Prinz-Eugen-Platz geheißen hatte.

Leider gibt es in der Begastadt, einer Stadt mit zahlreichen Denkmälern, kein Standbild oder Denkmal für den Edlen Ritter. Wer war dieser außergewöhnliche Mann? Eugen Franz, Prinz von Savoyen-Carignan, wurde am 18. Oktober (!?) 1663 in Paris geboren und starb am 21. April 1736 in Wien. Er wurde zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts und berühmtesten Feldherrn des Hauses Österreich. Unter seiner Heerführung wurde Österreich 1699 zur Großmacht.

In einer mit Geschichte befrachteten Stadt wie Temeswar – 1960 feierte man 700 Jahre ihres Bestehens – sollte, als Freibrief für die Zukunft, nichts von ihrer Geschichte verschwiegen oder verfälscht werden. Eine Stadt ist nicht nur eine Ansammlung von Ameisenhügeln, ein Sammelsurium von Baukästen und Straßen mit Löchern oder ohne. Der Ort sagt auch etwas über die Menschen aus, die ihn bewohnen, über gesunden Lokalstolz und eine klare und wahrheitsgetreue Geisteshaltung gegenüber der eigenen Geschichte. Und darin hat auch Prinz Eugen, der Edle Ritter, ob Franzose, Italiener oder Österreicher, seinen festen Platz als Befreier von den Türken und einer der Stammväter des neuzeitlichen Temeswars.
Also ein Hoch und ein Bravo für unseren Vizebürgermeister!