Eine Thailänderin, die sich in Rumänien verliebt hat

Ehemalige TV-Moderatorin setzt Rumänien an erste Stelle ihres Reiseangebots

„In Rumänien gibt es alles, was man sich wünschen kann“, schwärmt Jongkolnee Satiraasavanan alias Tik. | Foto: der Verfasser

Foto: privat

Wer hätte gedacht, dass eine ehemalige TV-Moderatorin einer der größten Fans und Promoter Rumäniens und des Balkans in Thailand sein könnte? Als ich Jongkolnee Satiraasavanan vor knapp zehn Jahren kennenlernte, war sie im Auftrag des thailändischen Staatsfernsehen TV5 auf dem Balkan unterwegs, um für dessen Tourismussendung interessante Themen aus dieser für die Thai in der Regel komplett unbekannten Region zu sammeln. 

Von Dracula und Roma hatte Jongkolnee – oder Tik, wie sie sich Freunden vorstellt – schon gehört. Aber wie aus Milch Joghurt oder Butter wird, war ihr völlig fremd, Thai essen Milchprodukte eher selten. Bereits beim ersten Besuch hat sich Jongkolnee Satiraasavanan unwiderruflich in Rumänien verliebt. Seither organisiert sie jedes Jahr im Frühjahr eine Reise und stellt ihren Gästen und ehemaligen Zuschauern die authentische Schönheit unseres Landes, auch abseits der berühmten Sehenswürdigkeiten, vor.

Pionierarbeit

Vor über 25 Jahren begann die frisch verheiratete Tik, mit ihrem Mann die Welt zu bereisen. Als erfolgreicher thailändischer Juwelierhändler konnte er sich überall ein bisschen Zeit gönnen und die Regionen erkunden, in denen er Geschäfte machen durfte. Um seine Frau mit einzubinden oder vielleicht auch mit dem Gedanken eines Zweitgeschäfts, begann er seine touristischen Eskapaden zu filmen und sie dem thailändischen Staatsfernsehen vorzustellen. Zunächst ohne großen Erfolg. Es war die erste Tourismussendung in Thailand und die Zuschauer wussten nicht, was sie davon halten sollen. Anderseits ließen auch die Ausrüstung und die Erfahrung von Kamerafrau Tik noch zu wünschen übrig. Weder hatte sie eine Ausbildung in dem Bereich vorzuweisen, noch machte ihr das Reisen Spaß. Sie wollte einfach nur mit ihrem Mann zusammen sein. 

Der Durchbruch kam auf einer Reise zum Nordpol – denn so viel Schnee hatten die Thai noch nie gesehen und der Nordpol galt als einer der am schwersten zugänglichen Orte der Erde. Über Nacht wurde die Tourismussendung zum Hit und Sponsoren rissen sich darum, sie zu unterstützen. Es folgten Interviews und Reiseberichte in Zeitungen und Zeitschriften. Tiks Mann war über Nacht ein Star geworden, hatte zahlreiche Fans – insbesondere weibliche, erinnert sich Tik etwas nervös. 2000 konnten sie ihr eigenes Büro eröffnen, über zehn Fachkräfte einstellen und sich mit noch mehr Schwung aufs Filmen konzentrieren. Im Fokus standen außergewöhnliche Destinationen, von denen die Thai auch in Büchern eher selten gelesen hatten.

Jedoch dauerte das Glück nicht lange. Nach drei Jahren erkrankte Tiks Ehemann schwer und verstarb.

Tiks eigener Weg

Glücklicherweise gab es noch genügend Filmmaterial für ein halbes Jahr, währenddessen Tik sich entscheiden musste, wie es weitergehen sollte. Sie hatte keine Ausbildung in der TV-Branche, wusste nicht wie sie ihre Aufnahmen verkaufen sollte und war auch noch nie vor der Kamera gestanden. Ihre Mitarbeiter halfen ihr mit jedem Schritt: wie und mit wem sie Verträge unterschreiben sollte, wie sie mit Sponsoren umzugehen habe, was sie vor der Kamera tun solle. Sie musste viel lernen und viel arbeiten – das half ihr aber auch, über den Tod ihres Mannes hinwegzukommen. 

Ein ganzes Jahr lang versuchte sie, den Stil ihres Mannes – mit dem die Zuschauer vertraut waren – zu kopieren: in Attenborough-Art mit Fotoapparat um den Hals und Notizblock in der Hand, ständig die Kamera verfolgend, und belehrend erklären, was an komplett unbekannten Orten passiert. Es klappte nicht. Es war nicht ihr Stil. Doch das Einkommen war viel zu verlockend.

So entschied sich Tik, ihren eigenen Stil zu entwickeln: einfach frei mit ihren Zuschauern sprechen, weniger Steine und Gebäude, dafür mehr Blumen und Menschen – und ohne sich vor der Kamera zu verstellen, sondern so natürlich wie möglich zu sprechen. Genauso habe ich sie kennengelernt: mit zwei Kameraleuten, einer, der sie zu filmen versuchte, der andere konzentrierte sich auf die Sehenswürdigkeiten. Die neue, freundliche Präsentation entzückte auch die Thais: die Anzahl ihrer Zuschauer und Follower stieg. Übernachtungen im Zelt waren für sie auch passé und wurden durch fünf Sterne- und Wellness-Hotels ersetzt, durch historische Dokumentationen, Landschaften und Blumengärten.

Mehr noch: zahlreiche Zuschauer wollten die vorgestellten Orte und Regionen selbst erforschen, doch unbedingt unter der Betreuung des neuen Fernsehstars. So wurde das Reisebüro ins Leben gerufen – ein neues Nebengeschäft, von dem Tik wieder einmal viel zu wenig Ahnung hatte...

Die Pandemie setzte ihrer TV-Show dann ein Ende. Doch inzwischen läuft ihr Reisebüro auf Hochtouren. Mit kleinen Gruppen auserwählter Gäste bereist sie die Welt und zeigt ihnen die Orte, die sie vor Jahren gefilmt hat. „Frauen denken anders als Männer“, erklärt sie kichernd, „wir mögen Blumen, Farben, Menschen, schöne Landschaften, nicht unbedingt Vorträge über Heldentaten“. Heute macht es ihr Spaß, die Welt in ihrem Stil zu bereisen.

Spontan begeistert von Rumänien

Die erste Balkan-Reise vor knapp zehn Jahren war etwas lang und anstrengend. Das Internet gab widersprüchliche Berichte über die Region, örtliche Kontake hatte sie keine – es war aber genau das, was sich verkaufen ließ: etwas Neues, etwas Unbekanntes. Gleich beim ersten Besuch verliebte sie sich in Rumänien: „Es gab hier alles, was man sich wünschen konnte!“

Die Hügellandschaft an der Nordgrenze ist ihre Lieblingsregion, leider schwer erreichbar wegen der mangelnden Infrastruktur. Aber genau das gefällt Tik: die natürliche Schönheit einer Landschaft, die vom Massentourismus noch nicht überrannt wurde. Rumänen empfindet sie als „offene und liebe Menschen“, in der Maramuresch und der Bukowina wirken sie am authentischsten. 

Tik liebt es inzwischen auch, in kleinen Gasthäusern zu übernachten und manchmal in der Küche mitzuhelfen, vor allem wenn es um Milchprodukte geht. Sie war erstaunt, wie leicht man Joghurt und Butter zuhause herstellen kann, denn in Thailand werden Milchprodukte nur verpackt verkauft. Als Thai hatte sie sich ein kompliziertes Verfahren erwartet, wie aus Milch mithilfe einer Bazillus-Bulgaricus-Kultur der beste Joghurt der Welt fabriziert wird. Die hausgemachten Marmeladen und die frischen Früchte aus den Obstgärten ihrer Gastgeber sind ein zusätzlicher Bonus. „Hier gibt es europäisches Essen“, erklärt sie, „aber mit natürlichem Geschmack und zum halben Preis“. Nur den rumänischen hausgebrannten Schnaps verträgt sie nicht, denn Thai trinken nicht so oft. Was aber nicht heißt, dass sie sich vor einem Besuch bei einer Dorfdestillerie scheut. Und die Vielzahl der Handwerker in jedem Dorf bieten ihr die Möglichkeit, die lokalen Bräuche und Traditionen, die örtlichen Muster und insbesondere die Personen, die diese am Leben halten, kennenzulernen, sei es beim Eisenschmied, beim Müller mit seiner Wassermühle, beim Zimmermann oder bei den Weberinnen.

Für Tik bieten die Karpaten Aussichten genau wie in den Schweizer Alpen, sei es am Bulea See oder am Mördersee oder auf der Zwischenstation über Sinaia – nur sind die Menschen hier viel netter, meint sie und hofft, dass der Massentourismus diese Natürlichkeit nicht verdirbt wie an vielen anderen Orten. 

Die zahlreichen Festungen, Klöster und Kirchenburgen sind eine weitere Attraktion für Tik. Einerseits, weil sich die Architektur der Tempel in Thailand davon stark unterscheidet. Ande-r-erseits erkennt sie viele Gemeinsamkeiten an den verschiedenen Bauwerken, die wir Einheimischen oft übersehen. Rumänien ist für sie ein Land der Diversität, in dem die rumänische Kultur in die Kultur der ungarischen, deutschen und der anderen balkanischen Gemeinschaften einfließt und sich alle wechselweise beeinflussen. Was sie aber noch mehr beeindruckt, ist das  friedliche Zusammenleben dieser Kulturen während der Jahrhunderte. Die kleinen ungarischen und die sächsischen Ortschaften haben so viel Gemeinsames und sind trotzdem so unterschiedlich, wobei sie sich beim Überqueren der Karpaten in eine komplett andere Welt hineingezogen fühlt, eine Welt, in der die Außenwandfresken der Bukowina-Klöster sogar Buddhisten den christlich-orthodoxen Glauben näher bringen können.

Einzigartig: Schloss Peleș, der Volkspalast, die Roma

Wenn über Einmaligkeit in Rumänien die Rede ist, will Tik keine Statistik bedienen. Auch wenn die Anzahl Schlösser in Deutschland oder Österreich viel größer ist, sieht sie die ehemalige königliche Sommerresidenz Peleș als eines der beeindruckendsten Schlösser auf der gesamten Welt. Genauso wie das imposante Parlamentsgebäude in Bukarest, auch wenn sie sehr wohl versteht, dass es auf Kosten der Zivilgesellschaft gebaut wurde. Ebenso einmalig und gleichzeitig kontrovers scheinen ihr die Roma zu sein, deren Häuser in Brateiu sie des öfteren besucht hat. Unabhängig von den Vorurteilen der Mehrheit, bleiben die Roma für Ausländer ein exotisches und romantisches, von Mythen umgebenes Thema. Genau so wie Dracula – eines der wenigen Symbole, die in Thailand über diese Weltecke bekannt sind, auch wenn wenige Thai wissen, wo „Transsylvanien“ tatsächlich liegt. Ansonsten wissen Thai, wo „Wednesday“ oder „The Nun“ gefilmt wurden, auch wenn sie den Cantacuzino-Palast in Bușteni und das Schloss Hunedoara nicht konkret auf der Weltkarte verorten können.

Für Tik ist Rumänien eine Art Mini-Europa mit überaus liebenswürdigen Leuten. Deswegen kehrt sie auch jährlich zurück. Unabhängig von ihren anderen Reisezielen setzt sie Rumänien immer an erste Stelle ihrer Werbeaktionen.