Erfahrung göttlicher Liebe bringt Schwung ins Leben

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Vor einigen Jahren habe ich mit Jugendlichen über die Frage nachgedacht, was das Wichtigste im Leben sei. Zunächst gaben sie recht unterschiedliche Antworten. Einer erwähnte die Liebe, eine andere den Partner, ein dritter das Auto und ein vierter die Hochschule. Als es darum ging, etwas Gemeinsames zu suchen, was hinter allen diesen Gedanken steckt, kristallisierte sich die Meinung heraus, dass Geld das Wichtigste sei. Wenn man nur genug Geld hätte, könnte man sich alles kaufen.
Bald darauf habe ich dieselbe Frage nach dem Wichtigsten im Leben älteren Menschen gestellt. Im Gespräch einigten sich diese Menschen sehr rasch auf das sprichwörtliche „Nur die Gesundheit!“ Dahinter stand die Auffassung, wenn man nur gesund ist, kann man für das Wichtigste selbst sorgen, wenn die Gesundheit aber nicht mehr da ist, dann geht es rasch bergab.

In der Apostelgeschichte steht folgende Geschichte für den kommenden Sonntag (Apg 3,1-10):
Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. Und es wurde ein Mann herbeigetragen, lahm von Mutterleibe; den setzte man täglich vor die Tür des Tempels, die da heißt die Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor der Schönen Tür des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war.

Der kranke Bettler denkt, dass alles am Geld hängt. Die Apostel Petrus und Johannes schenken ihm hingegen die Gesundheit. Aufgrund unserer Erfahrungen mit Bettlern könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich der Bettler zunächst nur verstellt und nach der Begegnung mit den Aposteln sich so bewegt hat, wie er immer schon in der Lage war. Oft begegnen wir auf unseren Straßen solchen Menschen, die Krankheiten zur Schau stellen, die es gar nicht gibt. Deshalb wäre das eine gar nicht so abwegige Erklärung der Heilung. Es gibt jedoch auch andere Erklärungen, die erwogen wurden. Psychologen haben von hysterischer Lähmung gesprochen. Eine solche Störung besteht darin, dass der Kranke die Auffassung vertritt, dass er nur dann Zuwendung erhalten kann, wenn er bedürftig und krank ist. Dieser Gedanke ist so verinnerlicht, dass der Betroffene gar nicht merkt, wie der eigene Körper durch die innere Sichtweise manipuliert wird. Der Kranke empfindet also tatsächlich eine Krankheit, d. h. die Täuschung ist so perfekt, dass er gar nicht merkt, wie sehr er sich selbst belügt. Dementsprechend kann eine solche Störung durch die Erfahrung bedingungsloser Liebe geheilt werden, und zwar wenn der Betroffene erkennt, dass wahre Liebe nicht an Bedürftigkeit gekoppelt ist. Trifft diese These zu, dann gelingt es den Aposteln Petrus und Johannes dem Kranken zu vermitteln, dass die Liebe Gottes nicht aufhört, ja sogar noch viel intensiver erlebt werden kann, wenn er gesund ist.

2000 Jahre später ist es für uns nicht möglich zu entscheiden, ob solche Spekulationen über die Krankheit des Bettlers stimmen oder nicht. Die Geschichte erzählt nur, dass der Bettler lahm war, Geld haben wollte, gebettelt hat, den Aposteln begegnet und danach gesund geworden ist. Sein Wunsch nach Geld ist nicht in Erfüllung gegangen, Gott hat aber etwas viel Wichtigeres geschenkt, nämlich die Gesundheit. Auf den ersten Blick suggeriert die Erzählung einen kausalen Zusammenhang von der Krankheit zu dem Wunsch nach Geld. Denkbar wäre aber auch eine umgekehrte Dependenz: Wer sich zu sehr nach Geld sehnt, wird lahm. Allzu große Sehnsucht nach Geld und Reichtum engen ein, entstellen den Blick.
Jeder Mensch ist der Gefahr ausgesetzt, sich selbst zu blockieren durch unangemessene Sehnsüchte. Die Erfahrung bedingungsloser göttlicher Liebe kann wieder neuen Schwung vermitteln.