„Es reicht nicht aus, ein paar Bäume zu pflanzen“

Roxana Bojaru, Expertin für Wüstenbildung, im Gespräch mit der deutschen Journalistin Gundula Haage

Dr. Roxana Bojariu im meteorologischen Rechenzentrum der National Meteorological Administration in Bukarest

Der vergangene Sommer war der heißeste in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881, große Teile Europas litten unter Trockenheit, Ernteausfällen und Waldbränden: Allein in Rumänien verbrannten 151.000 Hektar Wald. Die Aufnahme zeigt die Donau bei Zimnicea im Kreis Teleorman im August 2022: Aufgrund der Dürre sank der Durchfluss auf die Hälfte des normalen Durchschnittswerts für August, wodurch riesige Strände entstanden und die Schifffahrt auf dem Fluss blockiert wurde. Trockenheit und Hitze sind aber nicht alleine dafür verantwortlich, dass immer mehr Landstriche zu Wüsten werden. | Foto: Gabriel Petrescu/Agerpres

Höhere Temperaturen, stärkere Niederschläge, längere Dürrezeiten: Die Meteorologin Roxana Bojariu leitet die Forschungsabteilung für Klimavariabilität und -wandel der National Meteorological Administration in Bukarest und forscht zu den Folgen der Erderwärmung. Sie ist außerdem Expertin für Klimawandelanpassung bei der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und IPCC-Koordinatorin für Rumänien. Anlässlich des „Welttags für die Bekämpfung von Wüstenbildung“ erklärt sie, warum sich wüstenähnliche Gebiete auch in Rumänien immer weiter ausbreiten – und was dagegen getan werden kann. 

Dr. Bojariu, die Vereinten Nationen haben den 17. Juni bereits im Jahr 1994 zum „Welttag für die Bekämpfung der Wüstenbildung und Dürre“ erklärt. Warum ist dieser Tag wichtig?


Welttage haben einen symbolischen Charakter, aber sie sind meiner Meinung nach enorm bedeutsam, um komplexe Probleme der Wissenschaft an die breite Öffentlichkeit zu vermitteln. Jedes Jahr erinnert uns der Tag daran, dass sich die Wüsten weiter ausbreiten, dass Dürretage zunehmen und dass wir alle Teil dieser einen Erde sind, auf der wir auch in ein paar Generationen noch leben können müssen. Wir sollten uns also dringend besser um sie kümmern. 

Circa 120.000 Quadratkilometer Land werden pro Jahr weltweit zu neuer Wüste, die nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt werden können. Das entspricht in etwa der Landfläche Nordkoreas.  

Was sind Gründe dafür, dass sich Wüsten weiter ausbreiten?

Grundsätzlich gilt ein Landstrich als desertifziert, wenn der Boden zerstört ist. Das heißt, er kann seine normalen Funktionen nicht mehr ausführen. Auf einem solchen Boden wächst nichts, er speichert kaum Kohlenstoff und er kann sich auch nicht mehr von selbst regenerieren, um wieder fruchtbar zu werden. Er versteppt und wird zur Wüste. 

Viele Menschen denken, dass dieser Prozess vor allem durch die Erderwärmung ausgelöst wird. Aber die Wüstenbildung ist ein sehr komplexes Phänomen, das von verschiedenen Einflussfaktoren abhängt. 

Vor allem vom Menschen: Wenn agrarische Flächen beispielsweise durch Monokulturen und übermäßigen Pestizideinsatz ausgelaugt werden, Weideflächen überweidet, Wälder abgeholzt und die natürlichen Wasserressourcen ausgebeutet sind, dann können Landschaften auch ganz ohne Erderwärmung verwüsten.

In den meisten Fällen kommt beides zusammen: Die Temperaturen steigen, Dürretage nehmen zu, Schatten spendende Bäume werden abgeholzt und gleichzeitig wird der Boden auf wenig nachhaltige Weise bewirtschaftet.

Welche Regionen sind davon betroffen?

Global betrachtet sind die ariden (Anm. d. Red.: trocken, dürr) und semiariden Regionen der Wendekreise besonders gefährdet. Aber auch in Europa und Nordamerika breiten sich wüstenähnliche Gebiete immer weiter aus – insbesondere dort, wo eine intensive landwirtschaftliche Nutzung mit trockeneren klimatischen Bedingungen zusammenkommt. In Südeuropa sind bereits jetzt Landstriche in Portugal, Spanien, Italien, Griechenland und Zypern verwüstet, genauso wie in Bulgarien und auch Rumänien. 

Wie ist die derzeitige Lage in Rumänien?

Wir haben hier ein gemäßigtes kontinentales Klima, mit starken lokalen Einflüssen durch die Karpaten und das Schwarze Meer. Auch bei uns im Land hat die Durchschnittstemperatur als Folge des Klimawandels zugenommen, um 1,1 Grad Celsius seit Anfang des 20. Jahrhunderts. 

Doch allein davon müssten sich die Wüstengebiete nicht so stark ausbreiten. 1000 Hektar Land gehen bereits pro Jahr durch dieses Phänomen verloren, vor allem in der Ebene im Südwesten des Landes, in der Dobrudscha und in Südmoldau. Unsere Prognosen besagen, dass rund 30 Prozent des gesamten Landes und 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in wenigen Jahren desertifiziert sein werden, wenn nicht aktiver dagegen vorgegangen wird. Denn das Problem ist hauptsächlich menschengemacht.

Inwiefern ist es menschengemacht?

Jahrzehntelange Misswirtschaft hatte einen bedeutend größeren Einfluss auf die zunehmende Verwüstung als der Temperaturanstieg. Während der kommunistischen Planwirtschaft wurden 26 Prozent der Gewässer Rumäniens trockengelegt und in landwirtschaftliche Nutzflächen, größten-teils Monokulturen, umgewandelt. Die Region Oltenien im Südwesten war davon besonders betroffen. Mithilfe eines umfangreichen Bewässerungssystems sollten wirtschaftlich erfolgreiche Produkte angebaut werden. 

Aber der Boden war dafür nicht geeignet und es wurde immer trockener. Nach der rumänischen Revolution im Jahr 1989 wurden die Bewässerungssysteme nicht mehr genutzt, dafür wurden die wenigen Baumgürtel, die noch da waren, abgeholzt. Die steigenden Temperaturen und immer häufiger auftretende Dürreperioden taten ihr übriges, dass Oltenien heute die „Rumänische Sahara“ genannt wird.

Mit welchen Maßnahmen kann die Wüstenbildung gestoppt werden?

Desertifizierung ist ein sehr komplexes Problem, darum braucht es auch ganzheitliche Lösungen, die sich an der Natur orientieren. Es reicht nicht aus, ein paar neue Bäume zu pflanzen oder in ariden Gebieten stärker zu bewässern. Die gesamte Bewirtschaftung muss nachhaltig werden. In Rumänien gibt es derzeit Bestrebungen von NGOs wie Greenpeace, Baumgürtel aus Akazien zu pflanzen. Diese „grünen Barrieren“ sollen dafür sorgen, dass Regenwasser länger im Boden gehalten werden kann und der Wind nicht noch das letzte bisschen Boden davonträgt. 

Feuchtgebiete entlang der Donau, die zur agrarischen Nutzung vor Jahrzehnten trockengelegt wurden, werden nun renaturiert, beispielsweise von WWF-Romania. Feuchtgebiete wirken wie Pufferzonen und reduzieren die Auswirkungen von Dürren und Überschwemmungen in den angrenzenden Gebieten. 

Methoden der Agroforstwirtschaft haben sich ebenfalls als sehr erfolgsversprechend erwiesen. Dabei pflanzt man Bäume oder Palmengewächse, die kleineren Nutzpflanzen Schatten spenden. Ein solcher gemischter Anbau ist ökologisch viel sinnvoller als eine Monokultur. 

Gleichzeitig muss sich die lokale Bevölkerung in manchen Gebieten an die neuen Bedingungen anpassen. Mancherorts werden jetzt sandtolerantere Pflanzen wie Erdnüsse, Oliven oder Kiwis angebaut. Bei alledem ist Aufklärungsarbeit und Bildung extrem wichtig. Oft sitzen gewisse Glaubenssätze sehr tief. Aus wissenschaftlicher Sicht ist zwar klar, dass der Druck nach immer höheren Erträgen mit immer mehr Pestizideinsatz nur eine begrenzte Zeit lang Erfolge bringt. Aber wir müssen die Menschen überzeugen, sie darüber aufklären, dass auch sie von einer nachhaltigeren Bewirtschaftung profitieren werden. Nicht sofort, nicht morgen, aber auf lange Sicht.

Was wird von politischer Seite in Rumänien dagegen unternommen?

Auf globaler Ebene war die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (United Nations Convention to Combat Desertifikation – UNCCD) ein Meilenstein. Als sie im Jahr 1996 ratifiziert wurde, wurde die dramatische Lage von sich immer schneller ausbreitenden Wüstengebieten endlich aus einer globalen Perspektive betrachtet. Auch Rumänien hat die Konvention im Jahr 1998 unterschrieben und einen Nationalen Aktionsplan verfasst. Doch das hat nicht ausgereicht. 

Präsident Klaus Iohannis hat innerhalb der neu geschaffenen Abteilung für Klima und nachhaltige Entwicklung zwei Arbeitsgruppen bestehend aus Expertinnen und Experten eingesetzt, die Berichte ausgearbeitet haben: einen zur Umwelt- und Klimabildung und einen zur Begrenzung der Auswirkungen des Klimawandels in Rumänien. Die Berichte wurden Ende 2022 veröffentlicht.

Nun hoffe ich, dass diese wissenschaftlich fundierten Klimamaßnahmen dazu beitragen, den Weg zu einer widerstandsfähigen und klimaneutralen Gesellschaft zu weisen. 

Vielen Dank für das Gespräch!