Falschspiel und Pakttreue

„Das ist so, als ob ein Casinobesucher beim Eintritt laut ankündigt, dass er ein Falschspieler ist. Und dann fragt: Wer pokert mit mir?“ Dieser Vergleich entschlüpfte einem EU-Rechtsexperten, als in Brüssel bekannt wurde, dass vergangenen Mittwoch der Politrabauke Boris Johnson als zeitweiliger Premierminister Großbritanniens im Londoner Parlament frank und frei erklärte, dass er im Sinn habe, internationales Recht zu brechen. Er brachte einen Gesetzentwurf ein, mittels dem Großbritannien den bereits unterzeichneten Brexit-Vertrag mit der EU, das Austrittsabkommen des Vereinigten Königreichs, ändern wird – internationale Rechtsgepflogenheiten aushebelnd.

Seit Februar 2020 ist das Vereinigte Königreich, als Folge der nach zähem Ringen zur Austrittsregelung ausgehandelten Scheidung von Europa, kein EU-Mitglied mehr. Geste und Gesetzesabsicht des Politrowdys Boris Johnson sind, gelinde gesagt, dreist. Derart dreist, dass sie Brüssel erst mal die Sprache verschlagen haben. Im zweiten Anlauf kamen dann Reaktionen wie die eingangs zitierte. Oder der sich zurückhaltend-diplomatisch äußernden Kommissionschefin Ursula von der Leyen: „Das würde internationales Recht verletzen und höhlt Vertrauen aus.“

Denn es geht um die grundsätzliche internationale Vertrauens- und Glaubwürdigkeit des Vereinigten Königreichs. Ein Brüsseler Diplomat formulierte es treffend: „Wie soll man mit dem Vereinigten Königreich jemals wieder einen Vertrag abschließen, wenn es sich nicht daran hält? Wenn wir uns nie sicher sind: Kann von London Pakttreue erwartet werden?“ Zumal die Geste von Johnson kam, als sich Michel Barnier, der EU-Chefunterhändler für den Brexit, in London befand. Die Ohrfeige Londons machte Brüssel schlagartig klar: Weiter verhandeln mit der Gesetzesvorlage dieses Politrandalierers im Kopf ist unmöglich! London hat das Verhandeln nach Regeln brüsk gestoppt.

Grundsätzlich wusste zum Zeitpunkt, als dieser Kommentar entstand, noch niemand, wie mit dem von Johnson ins Auge gefassten internationalen Rechtsbruch umzugehen ist, nicht einmal, wie er eingeschätzt werden soll. Sollte es sich nur um einen Bluff des in der Vergangenheit oft zu wenig Zimperlichkeit auf dem Sportfeld geneigten Boris Struwwelpeter gehandelt haben, um bei den (noch) laufenden Verhandlungen mit Brüssel mehr für die Briten herauszuschlagen oder erzwingt er mit seiner Gesetzesvorlage bewusst das Scheitern der Verhandlungen? Ob er wohl nicht zufällig so oft vom „No Deal“ gefaselt hat? Dann interessiert ihn auch nicht der weiterhin geregelte (das ist: der zoll- und tariffreie) Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt. In diesem Fall könnte auch sein Gemütsbruder Donald Unberechenbar seine Fingerchen im Spiel haben…Oder ist der Trump-Hochmut etwas Ansteckendes: „Ein Big Boss, auch britisch, kann einfach tun und lassen, was er will!“