Förderer der Hermannstädter Germanistik und des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs

Abschied von Prof. Dr. Dr. hc. mult. Siegfried Grosse

Siegfried Grosse wurde am 22. 10. 1924 in Grimma/Sachsen geboren, wo er auch die Schule besucht. Vom Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg nicht verschont, kehrt er 1946 aus kanadischer Gefangenschaft zurück, legt sein Abitur ab und studiert Germanistik in Freiburg/Breisgau. 1952 erfolgt seine Promotion, anschließend seine Tätigkeit als Lehrer am Gymnasium und als Assistent am Deutschen Volksliederarchiv in Freiburg. Nach seiner Habilitation 1963 bei Professor Friedrich Maurer in Freiburg, erwirbt er die „venia legendi“ für das Fach „Germanische Philologie“. Von 1964 bis zu seiner Emeritierung 1990 ist Siegfried Grosse ordentlicher Professor für Altgermanistik sowie Sprachwissenschaft an der neu gegründeten Ruhr-Universität Bochum und von 1972 bis 1973 deren Rektor. Seine Hauptfachgebiete sind Sprachgeschichte, Gegenwartssprache sowie Untersuchungen zur Dichtung des Mittelalters. Hervorzuheben ist Professor Grosses „Übersetzung des Nibelungenlieds in neuhochdeutsche Prosa“ (als zweisprachige Ausgabe mit Kommentar zunächst im Reclam-Verlag, 1997 erschienen). Seinen wissenschaftlichen Leistungen ist es zu verdanken, dass er von 1987 bis 1993 Präsident des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim ist. Aufgrund seiner Mitarbeit und Auswahltätigkeit im DAAD und in der Humboldt-Stiftung nimmt er mehrfache Gastprofessuren im Ausland wahr. Auch in diesen Bereichen wird sein Wirken gewürdigt: 1986 erfolgt seine Ernennung zum Honorarprofessor der Tongji-Universität Shanghai. 1996 wird ihm der Titel „Dr. hc. der Universität Leipzig“ und 1999 der Titel „Dr. hc. der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu“ zuerkannt sowie im Jahr 2000 der „Dudenpreis der Stadt Mannheim“ verliehen.

Des Weiteren soll auf den Zusammenhang näher eingegangen werden, der sich zwischen Professor Grosse und der Hermannstädter Germanistik, mit eingeschlossen das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch, ergeben hat. Wir wollen in Erinnerung rufen, dass die Herausgabe der Bände des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs von 1998 bis einschließlich 2014, die im Rahmen des Forschungsinstituts der Rumänischen Akademie in Hermannstadt erstellt wurden, dank wiederholter Förderungen von Stiftungen der Bundesrepublik Deutschland, der Botschaft der deutschen Bundesrepublik Deutschland in Bukarest sowie des Demokratischen Forums der Deutschen in Hermannstadt gefördert wurde. Demzufolge konnte beginnend mit dem siebenten Band (M) 1998 nach einer Typoskriptsammlung in der kommunistischen Zeit eine neue Etappe in der Geschichte dieses Nachschlagewerks beginnen. Die Herausgabe des besagten Bandes ist einem von der Volkswagen-Stiftung (Bundesrepublik Deutschland) seit 1996 geförderten Programm zugunsten germanistischer Disziplinen an der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt zu verdanken. Die Förderung fand im Rahmen einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Hermannstädter Universität und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz statt. In dem Förderprogramm war auch das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch als Teilprojekt mit einbegriffen. Diese Förderung ermöglichte die Gründung eines wissenschaftlichen Beirats für das Wörterbuch, dem namhafte Germanisten des deutschen Sprachraums – Literaturwissenschaftler sowie Sprachwissenschaftler – angehörten. Professor Siegfried Grosse war Vorsitzender dieses Beirats. Er hatte den Förderantrag an die Volkswagenstiftung gestellt, der auch bewilligt wurde. Dank seiner Einsatzbereitschaft „wurde eine Lawine ins Rollen gebracht“. Mittels der Förderung konnte die Wörterbucharbeit auf Computertechnik umgestellt und die vorliegenden Typoskripte EDV-erfasst werden, worauf der Reihe nach die Drucklegung der Bände erfolgte.

Die Bibliothek der Hermannstädter Germanistikabteilung als auch die Wörterbuchstelle wurde mit der damaligen neuesten Fachliteratur ausgestattet und einige unserer sprachwissenschaftlichen Dissertationen konnten von Professor Grosse einem letzten Gutachten unterzogen werden. Die unterstützende Begleitung des wissenschaftlichen Beirats ist den Lexikografen des Wörterbuchs auch für die Herausgabe der folgenden Bände (N-P) 2002, (Q-R) 2006, ja auch nachwirkend für den Band (S-Sche) 2014, erhalten geblieben. So hat es sich ergeben, dass ich weiter persönlich mit Professor Grosse in Verbindung geblieben bin. Demzufolge kann ich berichten, dass er dank gelungener Herzoperationen in der Universitätsklinik Bergmannsheil (Bochum) und nachfolgender guter Betreuung durch seine Gattin Barbara seinen 90. Geburtstag im Rahmen seiner Familie erleben durfte. Bei einem Besuch in Bochum während der Weihnachtsfeiertage konnte ich noch am 26. Dezember 2015, anlässlich eines Opernbesuchs in Essen, Professor Grosse treffen. Wenn auch körperlich geschwächt, war er geistig rege, hat sich nach dem Stand der Germanistik in Hermannstadt erkundigt und sich, nostalgisch gestimmt, an die damaligen Aufenthalte in dem „so gastfreundlichen Hermannstadt“ erinnert. Es sollte die letzte Begegnung mit Professor Grosse sein. Am 17. Januar 2016 ist er während eines Kurzaufenthaltes auf der Intensivstation der besagten Herzklinik in Bochum, an einer immer mehr zunehmenden Herzschwäche im Alter von 92 Jahren verschieden. Zugegen waren seine Gattin und seine drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Wir nehmen Abschied von einem „Germanisten der alten Schlule“, dessen Wirken auch in die Geschichte des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs eingegangen ist.