„Frauenordination (ist) keine Anpassung an den Zeitgeist“

Ein gewundener Weg, der noch nicht zu Ende gegangen ist: Rückblick auf die Jubiläumsveranstaltung zu dreißig Jahre Frauenordination in der EKR

Die Teilnehmerinnen an der Jubiläumstagung vor der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt

Fotos: Simon Tartler

„Diese Geschichte des Segens der Frauenordination in der EKR will ich heute auf keinen Fall missen“, schrieb Bischof Reinhart Guib in seinem Segenswunsch an die Organisatorinnen und Teilnehmerinnen des dreißigjährigen Jubiläums der Frauenordination in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), welches am 26. und 27. August in Hermannstadt/Sibiu stattfand. Tatsächlich, wenn man die Homepage der EKR über das Jahr verfolgt hat, konnte man anhand von unterschiedlichsten Stellungnahmen seitens Theologinnen, Pfarrerinnen, Wissenschaftlerinnen usw. nachvollziehen, wie Frauen selber das Thema der Frauenordination reflektieren. 1994 beschloss die Landeskirchenversammlung der einheimischen deutschsprachigen evangelischen Kirche, erneut den Weg auch für Frauen zum Theologiestudium und zur Ordination zu öffnen. Zwar war diese Möglichkeit schon in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts gegeben, doch hatte die kommunistische Diktatur diese  in den fünfziger Jahren erneut aufgehoben. Es sollte fast 40 Jahre dauern, bis diese geschlossene Türe wieder geöffnet werden konnte.

Damit war es aber nicht getan. Es galt noch immer, Vorurteile abzubauen, mit denen Frauen konfrontiert wurden, die Frauen hatten für ihre Wahrnehmung als solche im Dienst zu und öfters härter als ihre männlichen Kollegen für ihre Anerkennung zu kämpfen. Ein gewundener, schwerer Weg, der bei Weitem noch nicht zu Ende gegangen ist. Auch heute, dreißig Jahre später, muss noch so mancher Stolperstein überwunden werden. In ihrem Statement anlässlich des Jubiläums schrieb die bekannte deutsche Theologin Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann: „Frauenordination (ist) keine Anpassung an den Zeitgeist, sondern Ergebnis eines Lernprozesses. Denn auch das war Luther klar: Die Kirche der Reformation erstarrt nicht in Traditionen, sondern muss sich immer wieder reformieren. Veränderung ist Zeichen lebendiger Auseinandersetzung mit Bibel und Welt.“

Die Frauen der Kirchen senden eine Botschaft

In Absprache mit der GEKE beschloss das Organisationsteam um Dr. Elfriede Dörr, Pfarrerin im Sonderdienst für Ökumene und Fortbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer der EKR, die Veranstaltung direkt im Vorfeld der Vollversammlung der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen in Europa (GEKE) stattfinden zu lassen. Mehr als 50 Pfarrerinnen und Frauen in kirchlichen Ämtern aus Rumänien, darunter aus der ungarischsprachigen Lutherischen Kirche, der Reformierten Kirche, der Unitarischen Kirche, der Methodistischen Kirche sowie der Evangelischen Kirchen A.B. in Rumänien, sowie aus Frankreich, der Schweiz, der Slowakei, Österreich, Großbritannien, Schweden, Italien, den USA, der lettischen Auslandskirche, aus Uruguay und aus verschiedenen Mitgliedskirchen der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) reisten in die Stadt am Zibin an. Tagungs- und Feierorte waren die Evangelische Stadtpfarrkirche, das Hotel „Römischer Kaiser“ sowie die Johanniskirche.

Zum Auftakt der Jubiläumsveranstaltung in der Stadtpfarrkirche am 26. August sprachen der Generalsekretär der GEKE Mario Fischer sowie die Landeskirchenkuratorin der EKR Dr. Carmen Schuster anerkennende und ermutigende Worte. Die meisten Teilnehmerinnen konnten sich in mindestens zwei, wenn nicht drei Sprachen miteinander austauschen. Die Impulsvorträge sowie Andachten waren in gedruckter Form auf Englisch, Deutsch, Rumänisch bzw. Ungarisch zugänglich. In den drei Arbeitseinheiten gewährten die Teilnehmerinnen Einblick in die Entwicklung der Frauenordination beziehungsweise in die aktuellen Debatten zum Thema in ihren Herkunftskirchen. Grundsätzliche theologische und kirchenhistorische Reflexionen zur Frauenordination wurden vorgetragen und besprochen, dabei wurde auf die biblischen Darstellungen des mutigen und visionären Einsatzes der ersten Christinnen zu Jesu Zeiten verwiesen, aber auch auf Pionierinnen im Verlaufe der Kirchengeschichte und schließlich auf zeitgenössische weibliche Geistliche weltweit in Leitungspositionen, ob Bischöfinnen, Kirchenpräsidentinnen, Dekaninnen oder als Delegierte ihrer Kirchen bei der GEKE oder in anderen internationalen Gremien. Für die Teilnehmerinnen waren die vorgeschlagenen Themen Ausgangspunkt für eigene konkrete Forderungen an sich selbst, an ihre Kirchen und Gemeinden, aber auch Anlass für Gebete und Lieder zur gemeinschaftlichen Stärkung im Dienst an den Menschen in der Kirche. Die geführten Debatten lassen sich auf einige Begriffspaare, bezogen auf die Frauenordination, herunterbrechen: Berufung-Beauftragung, Vorbilder-Solidarität, kirchliche Strukturen-christliche Gemeinschaft, Aufgaben-Arbeitsstrukturen und Widerstände-Visionen.

Mit ihren Stellungnahmen und Forderungen reichen die Teilnehmerinnen die Visionen der Jubiläumsveranstaltung weiter an die Kirchen mit dem Anspruch einer gemeinsamen gerechten Gestaltung der Kirche als christliche Gemeinschaft mit allen geistlich tätigen Kolleginnen und Kollegen, den Kirchenleitungen und den Gemeinden. Zum Abschluss zelebrierten die fünf Pfarrerinnen der EKR – Angelika Beer, Dr. Elfriede Dörr, Bettina Kenst, Christiane Schöll und Hildegard Servatius-Depner – am 27. August in der Johanniskirche einen bewegenden Gottesdienst, in dessen Rahmen die Teilnehmerinnen einzeln gesegnet wurden. In einem letzten Programmpunkt konnte man im „Friedrich Teutsch“-Kultur- und Begegnungszentrum unter der Leitung von Dr. Gerhild Rudolph die Geschichte bedeutender siebenbürgischer Frauen kennenlernen.

„Wege entstehen im Gehen“

Am Dienstag, den 27. August, wurde das Jubiläum in der Johanniskirche in einer öffentlichen Veranstaltung mit einer Festschrift mit dem Titel „Wege entstehen im Gehen. Festschrift zu 30 Jahren Ordination der Frauen in der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien“, herausgegeben von Dr. Elfriede Dörr, gewürdigt.

Darin wird die bittere Geschichte der am Zugang zum Pfarramt verhinderter Frauen aufgrund kirchenrechtlicher bzw. politischer Machtstrukturen geschildert, ebenso jedoch ermutigende aktuelle Erfahrungen von Frauen im Pfarrdienst sowie sonst im geistlichen Dienst in Rumänien. Internationale Autorinnen liefern einen Einblick in die Ausgestaltung der Frauenordination in den unterschiedlichsten Landeskirchen weltweit. Das Buch bietet schließlich Einblicke in die Herausforderungen, Erfolge und Meilensteine der letzten drei Jahrzehnte, seitdem Frauen offiziell in der EKR dienen dürfen. „Dieses Jubiläum erinnert uns an einen wichtigen Schritt: Frauen wurde der Zugang zu theologischer Bildung und zur Ordination gewährt. Mit dem Beschluss vor 30 Jahren wurden wichtige theologische Erkenntnisse in Kirchenrecht umgesetzt“, so Elfriede Dörr. „Die Ordination von Frauen ist ein unverzichtbares Kriterium für die versöhnte Gemeinschaft von Männern und Frauen in der Kirche, ein wichtiger Schritt hin zu ‘Gerechtigkeit’ oder ‘Frieden’, – es gibt auch das schöne hebräische Wort, das bezeichnet all das zusammen: ‘Schalom’.  Wir freuen uns, diesen Meilenstein zu feiern und gleichzeitig die Geschichten der Frauen in einem Buch festzuhalten.“

Im Rahmen der Buchvorstellung haben die fünf Pfarrerinnen der EKR über ihre persönlichen und beruflichen Erfahrungen gesprochen. Zur Sprache kamen die Unterschiede der Ausführung des Pfarramtes auf dem Land bzw. in der Stadt, die Wahrnehmung der Pfarrerinnen als weibliche Geistliche durch ihre Gemeinden, die Kollegen und die Kirchenleitungen bzw. im ökumenischen Kontext auf lokaler Ebene. Ebenso die persönliche Lebenssituation mit ihren individuellen Herausforderungen, die Berufungserfahrung beziehungsweise der (Bildungs-)Weg zur Umsetzung in einen ausgeführten Beruf. Vor dem Hintergrund der rumänischen, mehrheitlich orthodoxen Gesellschaft interessierten sich die anwesenden rumänischsprachigen Medien besonders für den Umstand der Frauenordination.

Die dreißig Jahre, die mit diesem Jubiläum würdig markiert wurden, können treffend mit den Worten von Bischof Reinhart Guib zusammengefasst werden: „Diese nun drei Jahrzehnte haben erwiesen, dass der Schritt ein nach innen und außen außerordentlich wirksamer und positiver ist, dass unsere Kirche dadurch offener, aufmerksamer, wertschätzender, zukunftsorientierter wurde.“


Stimmen der EKR-Pfarrerinnen zu ihrer Tätigkeit

„Es sind Kolleginnen und Kollegen unserer Kirche, mit denen es einfach schön ist, gemeinsam unterwegs zu sein, gemeinsam Kirche zu gestalten, voneinander zu lernen und inspiriert zu werden. Es sind die Resonanzen, die wie Perlen auf dem Weg auftauchen.“ Angelika Beer(Pfarrerin in Malmkrog und in acht weiteren Gemeinden)

„Die Ordination von Frauen ist ein unverzichtbares Kriterium für die versöhnte Gemeinschaft von Männern und Frauen in der Kirche, aber bei Weitem nicht das einzige. Man kann es als einen Schritt hin zu „Gerechtigkeit“ oder „Frieden“ bezeichnen – es gibt auch das schöne hebräische Wort, das bezeichnet all das zusammen: „Schalom“. Dr. Elfriede Dörr(Pfarrerin im Sonderdienst: ökumenische Beziehungen und Fortbildung von Pfarrern und Pfarrerinnen)

„Die Ordination war für mich sozusagen die Befähigung nach außen hin, die offizielle Sendung und Segnung meines in mir bereits vorhandenen Willens, diesen Weg zu gehen. Und zugleich, für mich sehr wichtig, der Moment der offiziellen Bestätigung einer Kirchengemeinde, mit mir gemeinsam auf dem Glaubensweg unterwegs zu sein.“ Bettina Kenst(Pfarrerin, Religionslehrerin, Leiterin des kirchlichen Gästehauses „Elimheim“ in Michelsberg/Cisnădioara)

„Ich bringe gerne Menschen zusammen und erzähle sehr gerne von der guten Nachricht, dass Gott uns liebt und uns befreit, so dass wir selbst mutig Verantwortung für unser Leben übernehmen können“ Christiane Schöll(Pfarrerin in den Gemeinden des Repser Ländchens)

„Gott hat uns nach seinem Bilde geschaffen, als Mann und Frau, und hat uns in Verantwortung genommen. Diese Verantwortung für seine Kirche, für die Verkündigung und die Leitung in dieser Welt tragen wir zusammen – Frauen und Männer – denn Gott trägt uns.“ Hildegard Servatius-Depner(Pfarrerin im Mediascher Kirchenbezirk)