Lange war Hanf, wissenschaftlich Cannabis, als Rauschmittel verschrien. Im „Weltdrogenbericht“ der WHO wird die Pflanze noch 2019 als „meistgebrauchte illegale Droge“ bezeichnet. Der psychoaktive Stoff, aus getrockneten Blüten der weiblichen Pflanze gewonnen, heißt im Volksmund Marihuana. Der Anbau der traditionellen Kulturpflanze, die früher in keinem rumänischen Haushalt fehlte, ist heute strengsten Regeln unterworfen. Doch das Image von Hanf hat sich geändert, das Interesse an Hanfprodukten ist in letzter Zeit weltweit enorm gestiegen. Denn aus Hanf lassen sich Textilien und ökologische Dämmstoffe gewinnen, gesundes Hanföl oder Hanfsamen. Vor allem aber enthält die Pflanze nicht-psychoaktive Cannabinoide, die in der Medizin wegen entzündungshemmenden, immunmodulierenden, regenerierenden und schmerzlindernden Eigenschaften zunehmend Aufmerksamkeit erregen.
In den kommenden fünf Jahren soll das Marktpotenzial von Hanf auf über 60 Milliarden Dollar weltweit steigen, prognostiziert die Schweizer „Handelzeitung“, nur wer jetzt flott liberale Gesetze schafft, könne sich für seine Exportindustrie ein Stück vom Kuchen sichern. Am 2. Dezember diesen Jahres hat die UNO-Drogenkommission Hanf endlich aus der Liste der gefährlichsten Drogen gestrichen.
Von der Begeisterung ließen sich auch Daniel H a n g a n u und Andrei A p e t r e i anstecken, die Hanf seit 2018 in Rumänien kultivieren: Über HempMed Pharma (Buz²u) produzieren und vermarkten sie als weltweit einziges Unternehmen ihr patentiertes Produkt auf Basis von nicht psychoaktivem Cannabdiol (CBD), das dieses Jahr auf der größten Messe der CBD-Hersteller Europas in Birmingham preisgekrönt wurde: ozoniertes CBD-Öl. Nina M a y spricht mit ihnen über die langjährige Tradition von Hanf in Rumänien, ihre Erfahrungen in Anbau und medizinischer Anwendung sowie Hürden in der derzeitigen Gesetzgebung.
Welche Bedeutung hatte der Anbau von Nutzhanf hierzulande vor der Wende?
Daniel Hanganu: Vor der Revolution gab es in Rumänien 80.000 Hektar Hanfkulturen, wir waren einer der größten Produzenten in Europa. Hanf hatte eine extrem große Anwendungsbreite. Zwei Jahre nach der Revolution wurde der Hanfanbau dann auf einmal verboten. Niemand hat das verstanden...
Andrei Apetrei: Vor 1989 hatten wir rund 200.000 Arbeitskräfte in der Produktion und Verarbeitung von Hanf. Jedes Dorf hatte eine eigene Flachsrotte (eine Anlage zur Gewinnung von Pflanzenfasern aus Flachs, Anm. d. Red.). Es gab vier Fabriken zur industriellen Verarbeitung – das alles ist heute zerstört.
Wurde Hanf auch als traditionelles Hausmittel verwendet?
AA: Hanf wurde über 6000 Jahre lang in diesem Raum verwendet, man hat Hanfsamen in Keramikgefäßen aus der Jungsteinzeit gefunden, in Graburnen in der Region um Cucuteni.
Unsere Eltern und Großeltern nutzten Hanf, gemischt mit Lindenblüten, als Tee gegen Erkältung und Schlaflosigkeit. Aus den Samen wurden Fladen gepresst, „turta de julfa“. Im Norden der Moldau bereitete man daraus ein traditionelles Dessert zu, „pelincele Domnului“: Die hauchdünnen Fladen wurden in Milch gekocht und mit Honig gesüßt. Eine wunderbare und gesunde Süßspeise, die vor allem am Weihnachtsabend und in der Osternacht serviert wurde.
Die Leute pflanzten traditionell eine einzige große weibliche Pflanze an, nur für den Hausgebrauch, man nannte sie „haldar“. Sie liefert ein bis zu eineinhalb Kilo Samen. Man machte daraus auch Hanfmilch, die Samen wurden zu einer Paste verarbeitet und mit Wasser vermischt. Das hilft gegen Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen.
Wie verschwand der Hanf dann plötzlich aus Alltag und Industrie?
DH: Er geriet in Verruf wegen seiner angeblich narkotisierenden Wirkung – aber es ist nur eine einzige Komponente, die als Droge wirkt: THC oder Tetrahydrocannabidiol. In Rumänien werden Kulturen heute streng überwacht, damit sie den von der EU festgelegten Grenzwert an THC nicht überschreiten – er liegt bei 0,2 Prozent, extrem niedrig.
Aber auch THC hat therapeutische Wirkung. Nahezu spektakulär ist die Wirkung einer anderen, nicht psychoaktiven Komponente: Cannabidiol oder CBD.
Wie lösen Sie das Problem, unter der erforderlichen THC-Grenze zu bleiben?
AA: Wir nutzen die Unterart „Cannabis sativa“, die von Natur aus wenig THC produziert; es gibt noch „Cannabis indica“, doch das wächst bei uns gar nicht, nur in tropischen Gebieten.
„Cannabis sativa“ ist industrieller Hanf, der auch für die Gewebeherstellung verwendet wurde. Damit hat man sich sicher nie berauscht, man kann damit keine Drogen produzieren.
DH: Trotzdem werden alle Kulturen streng überwacht. Man muss sehr viele Analysen machen und ständig beweisen, dass der THC-Anteil unter dem Grenzwert liegt. Wir geben dafür für jede Charge einige tausend Euro aus. Die Behörden überwachen alle Stadien der Entwicklung der Pflanze. Wenn der THC-Anteil zu hoch ist, zerstören sie die Kultur.
AA: Aber unsere Pflanzen können den Grenzwert eigentlich kaum überschreiten, denn wir unterdrücken die THC-Produktion mit natürlichen Düngern, eine von uns entwickelte Methode.
Unter welchen Umständen kann die Pflanze den Grenzwert überschreiten?
AA: Bei extremen Dürre- oder Hitzeperioden. Dann müssten wir schnell ernten, damit wir nicht die gesamte Produktion verlieren. Nur, wie gesagt, bei uns besteht diese Gefahr nicht.
Wenn der THC-Anteil der heimischen Unterart so gering ist, warum darf man dann im Hausgarten keinen Hanf anbauen?
AA: Weil die Gesetze von Leuten gemacht werden, die nichts davon verstehen.
DH: Da ist hierzulande noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten!
Was hat Sie veranlasst, sich der Kultivierung von Hanf widmen?
AA: 2016 war ich Vizepräsident der Nationalen Vereinigung für Biomasse. Als solcher hörte ich zufällig ein Gespräch zwischen dem Landwirtschaftsminister und einer Staatssekretärin, man habe die Kultivierung von Hanf freigegeben. Das war für mich der Startschuss, denn Hanf ist auch als Biomasse interessant.
Ich begann, Studien zu lesen. Dabei stieß ich auf die Forschungsarbeiten der Hebräischen Universität von Jerusalem über Cannabinoide im Zusammenhang mit neurologischen und degenerativen Krankheiten: Epilepsie, Multiple Sklerose, Parkinson, Alzheimer. Untersucht wurden THC, CBD und das Vollspektrum-Öl mit allen anderen Cannabinoiden, Terpenen und Bioflavonoiden. Die positiven Effekte sind überwältigend!
DH: Ich bin Aktionär der Firma „Rotta Natura“, einer der größten Produzenten von natürlichen medizinischen Produkten. Wir haben ein eigenes Forschungsteam aus Medizinern und Pharmazeuten, das seit zehn Jahren die Absorption von aktiven Substanzen und ihre Bioverfügbarkeit untersucht.
Sie produzieren heute „ozonierte“ Öle aus Hanf, angereichert mit CBD. Was kann man sich darunter vorstellen?
DH.: Wir produzieren „ozoniertes“ Vollspektrum-Hanföl mit angereichertem CBD-Extrakt, fünf bis 20 Prozent, mit Zusätzen von essenziellen Ölen wie beipsielsweiseBasilikum, Weihrauch, Orangenschale, mit Kurkuma oder dem Pilz „Magic Agaricus Blazei Murill“. Dabei extrahieren wir aus der Hanfblüte nicht nur CBD, sondern das gesamte Spektrum an weiteren ca. 200 Cannabinoiden, Terpenen und Bioflavonoiden, die den Effekt potenzieren.
Die Produkte haben ein breites Einsatzspektrum: von der Schmerzbekämpfung und Regeneration bei degenerativen Erkrankungen bis zur Stimulierung der Immunität oder in der Krebsbehandlung. Das Beste aber: Es gibt keine Nebenwirkungen.
Welche Rolle spielt dabei CBD?
DH: In den letzten Jahrzehnten wurde entdeckt, dass im menschlichen Körper ein mindestens ebenso komplexes System wie das Nervensystem existiert, mit ebenso vielen Rezeptoren: das Endocannabinoid-System. Es spielt eine Rolle bei der Entstehung von Schmerzen, der Regelung des Immunsystems und der Regeneration von Zellen. Es wird im Moment weltweit sehr viel dazu geforscht.
AA: CBD ist eines der besten „natürlichen Antibiotika“. Und jedes Jahr werden neue Cannabinoide entdeckt…
Ihr Unternehmen Hemp Med Pharma ist dieses Jahr ausgezeichnet worden. Was ist so besonders an Ihren CBD-Produkten?
DH: Die von uns patentierte Innovation besteht in der „Ozonierung“. Ozon ist ein Gas, das nur schwer in Öl fixiert werden kann. Unsere Technik bewirkt eine Bindung in Form von Ozonit. was die Absorption enorm steigert.
Bei äußerlicher Anwendung gelangt es bis zu 2,5 Zentimeter unter die Haut, man verwendet es zur sofortigen Bekämpfung von Schmerzen, aber auch zur langfristigen Regeneration bei rheumatischen Beschwerden. Für die innere Anwendung träufelt man es unter die Zunge. Die Absorptionsrate dort beträgt norma-lerweise 30 bis 40 Prozent. Das Ozonit steigert sie 92 bis 95 Prozent.
Wie kam es zu dieser Idee?
AA: Ozonierung von Öl wurde bereits im Ersten Weltkrieg von der deutschen Armee zur Wundbehandlung praktiziert, als es noch keine Antibiotika gab. Man verwendete Olivenöl. Weil es eine extrem schwierige Technik ist, Ozon in Öl zu binden – es funktioniert unter bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen und dauert rund einen Monat – ist es wohl nach der Entdeckung der Antibiotika in Vergessenheit geraten.
Ich hatte nach einem Motorradunfall Probleme mit Arthrose am Knie, und weil mir eine Behandlung mit Ozon sehr geholfen hatte, kam ich auf die verrückte Idee, ozoniertes Öl herzustellen. Also habe ich mir die Geräte aus China gekauft.
DH: Wir verwenden jedoch Hanföl statt Olivenöl, weil es viel mehr Ozon bindet. Ozon macht wiederum das Hanföl stabil, das sich sonst unter Lichteinwirkung zersetzt. Ab 36 Grad beginnt auch die Zerstörung der Omega-3, -6 und 9 Öle, dann wird industrielles Hanföl daraus, das keine therapeutische Wirkung mehr hat. Wenn wir ozonieren, bleiben alle guten Stoffe erhalten.
Die Ozonierung erhöht einerseits die Absorption der Wirkstoffe und macht andererseits das Hanföl stabil – das ist die Neuheit!
Sie erwähnten auch eine therapeutische Wirkung von THC...
DH: Ja, in anderen Ländern kann man THC auf ärztliche Verschreibung bekommen, zum Beispiel in Spanien, in der Schweiz und in Deutschland.
AA: Ich habe einen Freund, der wegen einem Glioblastom operiert wurde und anschließend jede Nacht fünf bis sieben schwere, lange epileptische Anfälle hatte. Nach einer Therapie mit CBD und THC kombiniert reduzierte sich die Anzahl nach zwei Wochen auf einen pro Monat.
Denken Sie langfristig auch an eine Produktion von THC?
DH.: Hierzulande ist es noch nicht möglich. Aber wir hoffen, dass die Gesetzgeber noch ein paar Schritte machen. Natürlich muss das in einem gut geregelten, kontrollierten und sicheren Umfeld stattfinden. Und wir respektieren die Regeln.
AA: Wir würden alles „a la carte“ machen – aber sie sollen uns wenigstens lassen.
Wie schätzen sie die Zukunftschancen für medizinische Hanfprodukte ein?
DH: Sehr hoch. Ohnehin gibt es eine Tendenz zu Naturprodukten. Vor 20 Jahren wurden 85 Prozent chemische Medikamente und 15 Prozent natürliche verkauft, heute ist das Verhältnis 60 zu 40 Prozent.
AA: Und die größte Zunahme innerhalb der Naturmedizin verzeichnen Hanfprodukte.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.