Gemeinsamer Kampf gegen Arbeitsausbeutung

Deutsch-rumänische Arbeitsgruppe auf Ministeriumsniveau gebildet

Seit einigen Jahren erschüttern Berichte von ausgebeuteten ausländischen Arbeitskräften in Deutschland – darunter besonders häufig Rumänen - die Presse. Versprochene Löhne nicht ausbezahlt, zugesagte Verträge nicht vorhanden, Überstunden nicht vergütet, keine Unfall- oder Krankenversicherung, miserable Unterbringung, Reisedokumente konfisziert und andere Missstände... Opfern, die Zusagen oder Verträge einfordern, wird gedroht – paradoxerweise auch mit ihrer Illegalität im Land. Beratungsstellen werden nicht aufgesucht, weil man nicht glauben kann, dass sich jemand unentgeltlich für einen einsetzt. Und selbst in rechtlich eindeutigen Fällen ist es langwierig, schwer oder unmöglich, einmal vorenthaltene Gelder zu erstreiten. Das Problem ist komplex und reicht von mangelnder Aufklärung über unzureichende Rechtslage bis hin zu unklaren Zuständigkeiten und erschwerten Bedingungen, wenn Subunternehmer aus zwei oder mehr Ländern involviert sind. 

Einen ersten entscheidenden Schritt zur Auflösung dieses Gordischen Knotens haben Deutschland und Rumänien nun gemeinsam unternommen. Auf der Konferenz: „Bekämpfung von Menschenhandel in Verbindung mit Arbeitsausbeutung  und Zwangsarbeit – Opferzentrierte Perspektiven aus Rumänien und Deutschland“ in der Residenz des deutschen Botschafters wird die bilaterale Arbeitsgruppe vorgestellt, die auf Niveau der beiden Arbeitsministerien ins Leben gerufen wurde. Seither haben sich die Bedingungen, unter denen Arbeitsmigranten in Deutschland tätig sind, deutlich verbessert, erklärte Botschafter Dr. Peer Gebauer. Die Arbeitsgruppe befasst sich mit allen Themen rund um die Ausbeutung von Arbeitsmigranten, sei es, für dauerhafte, temporäre oder Saisonarbeit. Schwerpunkte sind rechtliche Transparenz, Unfall- und Krankenversicherung, Opferschutz- und beratung etc. Erste Erfolge: Es wurden bereits Krankenversicherungen eingeführt und die Möglichkeit der Unterverträge eingeschränkt.

Die Lage

Staatssekretär Valentin Vătăjelu, Berater des rumänischen Premierministers, zeigt die Dimension der Arbeitsausbeutung von Rumänen in Deutschland auf, räumt aber auch eine mögliche – größere – Dunkelziffer ein. In die Statistik gehen immer nur gemeldete Fälle ein...  „In den letzten vier Jahren wurden 2750 Fälle von Menschenhandel regis-triert, davon fallen 402 unter Arbeitsausbeutung – 15 Prozent. 

263 Opfer von Arbeitsausbeutung in Deutschland waren rumänische Staatsbürger – rund 80% aller ausländischen Opfer.“

Der deutsche Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und Soziales, Dr. Rolf Schmachtenberg, verdeutlicht, welche Gewinne Arbeitsausbeutung einfährt: Illegale Profite aus der Zwangsarbeit haben von 172 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 auf 236 Milliarden im Jahr 2024 zugenommen. „Realität ist, dass rund 28 Millionen Männer, Frauen und Kinder durch Arbeit ausgebeutet werden und es ist unumgänglich, dieses Problem aufzuzeigen und zu bekämpfen.“ Hierfür seien nationale Pläne und Aktionspläne nötig.

Europa braucht Arbeitskräfte 

Andererseits sieht sich Europa mit einem gravierenden Arbeitskräftedefizit konfrontiert, fährt Schmachtenberg fort. Die Zusicherung von korrekten Bedingungen für alle Arbeiter, unabhängig von deren Herkunft und Qualifizierung, müsse für alle Ökonomien und Gesellschaften verpflichtend sein, um auch in der Zukunft attraktiv und wettbewerbsfähig zu sein. „Illegale Gewinne aus Arbeitsausbeutung verletzen nicht nur Menschenrechte, sondern schädigen unsere Wirtschaft durch Steuerhinterziehung und Straftaten. Wir brauchen eine gute Verwaltung der Migration“, erklärt Schmachtenberg.

Andrada Bryxi von der Abteilung für die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsarbeit im bundesdeutschen Ministerium für Arbeit und Soziales, erwähnt als vulnerable Branchen die Fleischverarbeitung, Catering, das Bauwesen und die Landwirtschaft. „Es liegt in unserer Verantwortung, dass alle in Deutschland arbeitenden Personen zu korrekten und sicheren Bedingungen beschäftigt sind, unabhängig von ihrer Herkunft, Ausbildung und vom ausgeübten Beruf“, betont sie - und bedauert: „Leider aber sind prekäre Arbeitsbedingungen immer noch Realität für viele Gastarbeiter.“

Aktionspläne auf nationaler Ebene

Deutschland hat seit letzten September einen nationalen Aktionsplan entwickelt, nachdem das Protokoll der International Labour Organization (ILO) 2019 dies empfohlen hatte.
Mehr Kontrollen, besserer Opferschutz  und -Beratung, Präventionsmaßnahmen. Und der Rechtsrahmen müsse so gestaltet werden, dass Ausbeutung nicht mehr möglich bzw. nicht mehr profitabel ist. 

Vătăjelu berichtet über eine ähnliche Strategie in Rumänien, die letzten Monat lanciert wurde und nun umgesetzt werden muss. In diesem Rahmen fanden auch Treffen mit Ministerien statt, die nicht in der Arbeitsgruppe vertreten sind. Besprochen wurde sowohl die Lage der Rumänen im Ausland sowie die der ausländischen Gastarbeiter in Rumänien. 

Wichtige Ziele: Prävention durch Kampagnen zur Aufklärung der Zielgruppe sowie Empfehlungen und Infos zur Rechtslage; Kooperationen mit Botschaften von Herkunftsländern; eine effizientere Strafverfolgung. Erst kürzlich sei ein Gesetz verabschiedet worden, das Bewährungsstrafen für Menschenhandel eliminiert, erklärt Vătăjelu. Arbeitsinspektoren müssten eingeführt werden und die neuen, im Sozialwesen bisher nicht vorhandenen Dienste, die sich mit Opfern befassen, lizenziert und kontrolliert. Man wolle mit verschiedenen Organisationen zusammenarbeiten,  von der Internationalen Organisation für Migration in Rumänien (IOM) bis hin zu Unicef. 

Noch gibt es kein Budget für den nationalen Aktionsplan, doch die Strategien seien für nächstes Jahr geplant – und bis dann auch entsprechende Finanzmittel vorgesehen, versichert Vătăjelu.

Verbesserung von Opferschutz

Die Diskussion um die Verbesserung von Schutz und Betreuung der Opfer führen Ioana Bauer von der NGO eLiberare, Mirela Caravan vom Beratungszentrum für rumänische Auslandsarbeiter der Gewerkschaft Blocul Na]ional Sindical (BNS) und Adelina Dabu von der rumänischen Arbeitgeberorganisation Concordia.

Hauptziel von Arbeitsausbeutern, heißt es, seien in Einrichtungen aufwachsende Kinder in Rumänien. 

Paradox seien Fälle, in denen man Opfern von Arbeitsausbeutung in Deutschland, die ihren Arbeitsvertrag verlangten, damit gedroht hätte, dass sie illegal im Land seien. Die Menschen schwiegen aus Angst, deswegen verhaftet oder strafverfolgt zu werden! Beratungsstellen seien zu wenig bekannt, ebenso die Tatsache einer Gratis-Beratung. 

Schwierig, langwierig bis oft unmöglich sei auch bei eindeutiger Rechtslage die Eintreibung nicht ausbezahlter Löhne oder Lohnanteile, vor allem bei Subunternehmern oder inzwischen insolventen Unternehmen. 

Man müsse klare Indikatoren für Arbeitsausbeutung entwickeln, von den Opfern nicht mehr vorab Beweise verlangen, für alle Opfer zugängliche Dienste entwickeln. 
Insgesamt müsse Menschenhandel weniger profitabel werden und ein EU-weites oder gar weltweites Netzwerk aus Behörden, Institutionen und NGOs  für die Bekämpfung ins Leben gerufen werden.