Gesundheit – Stiefkind statt Priorität

Nur eins von 25 Kindern besucht den Unterricht im Wahlfach Gesundheitslehre

In der deutschen Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar nimmt man das Erntedankfest zum Anlass, um über gesunde Ernährung zu sprechen und Geschmack, Geruch und Textur von Obst und Gemüse zu erforschen. | Foto: privat

Im Parallelprojekt „Pakt für die Gesundheit der Frauen“ geht es auch um Früherkennung häufiger Krebsarten. Nur wenige sind sich dessen bewusst, dass durch vorsorgliche Mammographie bis zu 85 Prozent der Brustkrebsfälle im Frühstadium diagnostiziert werden können. | Foto: Pixabay

Das rumänische Bildungsministerium hat in Zusammenarbeit mit UNICEF und der Europäischen Kommission ein neues Projekt zur Förderung der psychischen und emotionalen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern gestartet. Das Programm wird zunächst in acht bis zehn Schulen in Rumänien getestet. Das Bildungsministerium kündigt an, dass das Projekt über die nächsten zwei Jahre laufen wird und das übergeordnete Ziel hat, ein gesundes und sicheres schulisches Umfeld zu fördern, in dem soziales und emotionales Lernen, psychosoziale Unterstützung und psychische Gesundheit Teil der Kultur und der gängigen Praxis jeder Schule sind, und zwar im Rahmen eines gesamtschulischen Ansatzes. 

Gesundheitsminister Alexandru Rafila erklärte, er wolle, dass das Thema Gesundheitserziehung als Pflichtfach in den Schulen eingeführt werde, der Lehrplan sei bereits fertig. Auf einer von UNICEF organisierten Veranstaltung zum Thema Kindergesundheit sagte Ligia Deca lediglich, dass „die Themen für obligatorische Ausbildungsmodule in die Lehrpläne und Schulprogramme aufgenommen werden“ und dass außerschulische Aktivitäten zu diesem Thema jetzt die Zustimmung der Eltern erfordern.

Das Projekt wird von der Europäischen Union über das Instrument für technische Unterstützung finanziert und vom Bildungsministerium mit technischer Unterstützung von UNICEF und in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission durchgeführt. Paralell dazu wurde vor Kurzem das Programm „Pakt für die Gesundheit der Frauen“ gestartet.

Pilotprojekt soll katalysieren

Durch das nun angestoßene Projekt sollen maßgeschneiderte Instrumente wie Leitlinien, Empfehlungen und Schulungsprogramme für das Bildungspersonal entwickelt werden, um Aktivitäten zur Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen in den Unterricht und das Klassenmanagement zu integrieren. Die Bemühungen sollen sich auch auf die Förderung des verantwortungsvollen Einsatzes von Technologie, Internet und sozialen Netzwerken in schulischen und außerschulischen Aktivitäten konzentrieren. Im Rahmen des Projekts werden auch Instrumente zur Erfassung von Schülern entwickelt, die eine spezielle psychosoziale Unterstützung durch Psychologen und andere Fachleute benötigen.

Zu den wichtigsten Aktivitäten gehören: eine landesweit repräsentative Analyse des Wohlbefindens und der sozialen und emotionalen Kompetenzen von Schülern in der Sekundärstufe zu erstellen, eine Bewertung bewährter europäischer Verfahren in diesem Bereich, die Entwicklung von Instrumenten und Empfehlungen sowie ein Pilotprogramm in acht bis zehn Schulen, um die im Rahmen des Projekts entwickelten Elemente zu erproben. Die Schulgemeinschaft und die wichtigsten Interessengruppen werden in die Gestaltung und Durchführung des Projekts einbezogen und konsultiert.

Seitens des Bildungsministeriums heißt es: „Dieses Projekt wurde im Einklang mit dem umfassenden Ansatz der Europäischen Kommission zur psychischen Gesundheit entwickelt, einschließlich der neuen Leitlinien zur Förderung des Wohlbefindens im schulischen Umfeld und der Strategie der Europäischen Union für die Rechte des Kindes, die integrative und kinderfreundliche Bildungssysteme fördert. Dazu gehören umfassende Protokolle, Programme zum Aufbau von Lehrerkapazitäten und Instrumente zur frühzeitigen Erkennung und Überweisung von Schülern, die spezielle psychosoziale Unterstützung benötigen, um die Nachhaltigkeit der Projektergebnisse zu gewährleisten.“

Gesundheitslehre – derzeit nur wer Lust hat

Derzeit ist die Gesundheitserziehung ein Wahlfach,  im vergangenen Jahr schickten nur fünf Prozent der Eltern ihre Kinder in dieses Fach, wie Daten des Bildungsministeriums für 2023 zeigen.

Minister Rafila erklärte 2023, man habe nur ein Jahr Zeit, um Biologielehrer und Schulleiter auf die Pflichtmodule in der Primär-, Mittel- und Oberstufe vorzubereiten, aber die Lehrpläne seien noch nicht fertig. Dementsprechend richtete er vor wenigen Wochen einen direkten Appell an Bildungsministerin Ligia Deca: „Ich würde mich freuen, den großen Schritt zu tun, den wir schon seit einiger Zeit vorschlagen, nämlich die Gesundheitserziehung in den Schulen einzuführen. Wir sind mit den Lehrplänen fertig, ich habe einige Ideen, die ich mit Ihnen teilen möchte, wie wir diese Aktivität umsetzen können, ohne die wir nicht in der Lage sein werden, gegen Drogen und Krankheiten zu kämpfen, noch werden wir jemals in der Lage sein, eine ernsthafte und langfristige Prävention in Rumänien zu betreiben“.

Bildungsministerium bremst

Es sei daran erinnert, dass die Veröffentlichung der Entwürfe für die neuen Rahmenlehrpläne seit Jahren immer wieder verschoben wurde, zuletzt im September. Es sei darauf hingewiesen, dass der damalige Bildungsminister Sorin Cîmpeanu im Jahr 2022 erklärte, dass das Fach „Erziehung zum Leben“ in der Tat ein neues Fach sein würde, das in die neuen Lehrpläne aufgenommen und ab September 2023 unterrichtet würde.

Die neuen Rahmenlehrpläne befinden sich nun, nach dem ersten Unterrichtsmodul des Schuljahres 2024/2025, in der Phase der Analyse der Auswirkungen und am Ende des Entwurfsprozesses, der „sehr umfangreich“ ist, denn „man steht in Kontakt mit Experten auf dem Gebiet, mit Lehrern (...), man spricht auch mit NGOs, mit Akademikern“, erklärte der Staatssekretär im Bildungsministerium Bogdan Cristescu.

„Wir haben das Fach ‚Beratung und Orientierung‘, das alle Elemente der Gesundheitserziehung als Pflichtfach umfasst. Ich bin überzeugt, dass wir diese Reform gemeinsam durchführen können, und ich glaube, dass der Ausbau und die Stärkung des schulmedizinischen Netzes auch hier eine große Hilfe sein wird, denn alle Familien warten darauf, dass Fachleute kommen und ihren Kindern Elemente wie Ernährung, Suchtprävention, was Erziehung durch Sport bedeutet und so weiter vermitteln“, antwortete die Bildungsministerin und fuhr fort: „Darüber hinaus haben wir den Schulen empfohlen, ab dem letzten Schuljahr 2023/2024 im Rahmen der ‚Schule anders‘-Woche Themen zu behandeln, die in engem Zusammenhang mit der Erziehung zu einer gesunden Lebensweise stehen, wie z. B. die Prävention von Alkohol, Drogen und anderen psychoaktiven Substanzen bei Kindern und Jugendlichen, die Vermeidung ungesunder Essgewohnheiten, des Bewegungsmangels und der übermäßigen Nutzung von Technologie sowie der Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten für angemessene Reaktionen in Notsituationen wie Erdbeben, Unfällen, Bränden usw.“

Die Vorgeschichte

Die Einführung des Fachs „Gesundheitserziehung“ ist umstritten. Im Juni 2022 schrieb Edupedu.ro, dass „Gesundheitserziehung“ ab der 8. Klasse mit Zustimmung der Eltern unterrichtet werden kann.

Im März 2023 erklärte der Gesundheitsminister Alexandru Rafila, dass das Fach „Gesundheitserziehung“ in den Schulen verpflichtend unterrichtet werden sollte, mit altersgerechten Inhalten: „Solange wir die Gesundheitserziehung nicht als Pflichtfach in den Schulen einführen, werden wir in vielen Bereichen keine Fortschritte machen, auch nicht bei den ungewollten Schwangerschaften.“

Nun ist es als Pflichtfach in das neue Bildungsgesetz aufgenommen worden, aber das Schuljahr, ab dem es angewendet wird, ist nicht angegeben. In Art. 88 Abs. (10) heißt es: „Die Curricula und Lehrpläne für die Pflichtfächer und Ausbildungsmodule der voruniversitären Bildung müssen folgende Fächer enthalten: Umwelt- und Klimalehre, Gesundheitserziehung, Erste-Hilfe-Konzepte, Finanzerziehung, Rechtserziehung, Erziehung zum Unternehmertum, technologische Erziehung, Verkehrslehre, staatsbürgerliche Erziehung, lokale Geschichte und Zivilisation, interkulturelle Kompetenzen, Erziehung zur demokratischen Staatsbürgerschaft, Chancengleichheit, Ethik, kritisches Denken, öffentliches Reden und persönliche Entwicklung, Erziehung zur europäischen Staatsbürgerschaft, Cybersicherheit, Erziehung zur gesunden Ernährung.“

Pakt für die Gesundheit der Frauen

Am Montag, dem 28. Oktober, wurde eine parallele Initiative zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Frauen in Rumänien gestartet, die alle Akteure in diesem Bereich zusammenbringt. Der „Pakt für die Gesundheit der Frauen“ kommt zu einer Zeit, in der Brustkrebs die häufigste Krebsart in Rumänien ist und das Land die höchste vorzeitige Sterblichkeitsrate durch Brust- und Gebärmutterhalskrebs in Europa aufweist.

Die Präsidentin der Nationalen Krankenkasse, Valeria Herdea, sagte, dass eine der notwendigen Maßnahmen die Einführung von Gesundheitserziehung in den Schulen sei, und sie erklärte auch, wer mit den Kindern sprechen sollte: „Wir haben in den aktuellen Rahmenvertrag Prävention ab dem Alter von zehn Jahren, das ist sehr offen und ermöglicht sehr freie Diskussion mit diesen Kindern, so dass wir erfahren können, wie die Situation ist, welcher ihr Gesundheitszustand ist. Tatsächlich ermöglicht dies, dass wir diese Gesundheitserziehung in den Schulen einführen, ohne ständige Anfrage an die Eltern: ‚Sind Sie damit einverstanden, dass ich Ihr Kind zum gesunden Überleben erziehe?‘ Diese Kinder brauchen ein eigenständiges Fach namens ´Gesundheitserziehung´. Es gibt schon das Personal dafür: Ärzte, Krankenschwestern, die auch qualifiziert sind. Wo es keine Schulärzte gibt, und das ist in den allermeisten Schulen in Rumänien der Fall, kann die Gemeindeverwaltung einen Vertrag mit dem örtlichen Hausarzt oder der Krankenschwester abschließen.“

Der „Pakt für die Gesundheit der Frauen“ umfasst auch eine Reihe anderer Lösungen, wie die frühzeitige Diagnose und Behandlung von Frauenkrankheiten, den Zugang zu innovativen Behandlungen und hochwertigen medizinischen Leistungen, die Aufklärung über reproduktive Gesundheit und die Förderung des psychologischen und emotionalen Wohlbefindens.