Glücksblume mit Gänsehautgefühl

Science-Fiction-Thriller in trügerisch ästhetischer Hülle

Die verzweifelte Jagd nach dem Glück ist symptomatisch für die moderne Gesellschaft. Doch Glück kann man nicht kaufen – oder doch? Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner nimmt sich in ihrem neuen Film „Little Joe“ dieser Frage an. Hauptdarstellerin Emily Beecham wurde dafür auf dem Filmfestival in Cannes 2019 als beste Darstellerin ausgezeichnet. Seither tourt der Streifen als Star durch Festivals und heimst eine Auszeichnung nach der anderen ein. Seit dem 6. März ist der vom österreichischen Kulturforum in Bukarest empfohlene Film erstmals in rumänischen Kinos zu sehen – in Bukarest, Bistritz/Bistrița, Jassy/Iași, Suceava, Temeswar/Timișoara, Klausenburg/Cluj-Napoca, Piatra Neamț, Sfântu Gheorghe, Bârlad, Vaslui, Lugosch/Lugoj, Pitești, Ploiești, Neumarkt/Târgu Mureș und Slobozia.

Einen Vorgeschmack gibt der Trailer auf YouTube (http://bit.ly/396iOWw): „Little Joe“ ist zart, pink-violett und verströmt einen betörenden Duft. Wer daran riecht, fühlt sich augenblicklich glücklich. Die Wunderblume aus dem Labor, gewagte Kreation der ehrgeizigen Phytogenetikerin Alice Woodard (Emily Beecham), verspricht dieser Ruhm – und dem Konzern, für den sie arbeitet, phantastische Gewinne. Selbstverständlich wurde eine Sicherheitsgarantie eingebaut: Der Pollen, den „Little Joe“ im Überfluss produziert, ist steril, die Pflanze kann sich al-leine nicht vermehren. Dies schützt die Natur vor ungewollter Ausbreitung – und garantiert dem Produzenten ungebremsten Verkaufserfolg. Doch der Traum von der schönen neuen Welt lässt sich nicht ohne die Rechnung der Natur träumen, die, einmal eingeschränkt, ungeahnte Umwege findet...

Der Science-Fiction-Thriller mit einer Prise Horror schafft es, durch zauberhafte Ästhetik, trügerische Zartheit und Szenen hypnotischer Stille einzulullen. Spannung bahnt sich durch disharmonisches Zirpen im Hintergrund an (Soundtrack: Teiji Ito und Markus Binderadds), durch Momente zähfließender Ruhe oder das Gefühl einer schmerzlichen Isoliertheit der Protagonistin, die zunehmend hin- und hergerissen wird zwischen Zweifel, scheinbarer Bestätigung und Selbsttäuschung. Die phantastische Geschichte über die Kreation der Wunderblume lebt vom Grenzgang zur wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit, der gute Science-Fiction auszeichnet.

Was ist besonders an „Little Joe“? Man muss die Blume umsorgen, mit ihr sprechen, je mehr Aufmerksamkeit man ihr schenkt, desto mehr belohnt sie einen mit Glücksgefühlen. Die haben die schicksalsgebeutelten Charaktere auch nötig: Alice als alleinerziehende Mutter, ständig hin- und hergerissen zwischen Beruf und der Angst, nicht genug für ihren Sohn Joe da zu sein. Hinzu kommt der Druck des Konzerns: Die Blume muss bis zur Messe verkaufbar sein. Allergietests laufen auf Hochtouren, nach ersten vielversprechenden Ergebnissen werden weitere Untersuchungen und die bisherigen Schutzmaßnahmen gestrichen.

Für Joe hat Alice kaum noch Zeit, umso schlimmer, da der geschiedene Vater heftig an dem Kind zerrt. Der Junge droht, Alice zu entgleiten. Als diese für ihn eine Pflanze aus dem Labor schmuggelt, nimmt das Karussell der Ereignisse erst richtig Fahrt auf. Doch keine Angst, das neue gentechnische „Monster“ tötet nicht. Im Gegenteil: Es macht tatsächlich glücklich. Nur die subtil-aggressive Art und Weise, wie es seine vorgesehene Mission unbeirrt erfüllt, hinterlässt Gänsehautfeeling und lässt noch lange darüber nachdenken.