Ich gehe wählen, kommen Sie mit?

Am morgigen Sonntag wird endlich gewählt! Im vergangenen Monat haben wir so ziemlich alles erlebt, was zum rumänischen Wahlkampf hinzu gehört: eine Leistungsschau des politischen Marketing auf lokaler Ebene, mehr oder weniger überzeugende Argumente für oder gegen einen Kandidaten, politische Freund- und Feindschaften in allen Nuancen, bunt durchplakatierte Landschaften, auch moderne Öko-Kampagnen auf Fahrrädern, junge Teams, die sich politisch engagieren, gebündelte Anstrengungen von Freiwilligen, realistische bis „stark kosmetisierte“ Wahlversprechungen oder gar große Parolen der aufstrebenden Populisten, aufgeregte oder ruhige TV-Sendungen, protzige Volksfeste mit Folklore-Stars, Bier, Mititei, Flaggen und elektoralem Unterton, selbstverständlich auch ganze Flüsse von Wahlasphalt.

Erfreulich (für die Demokratie) wäre es, dass sich die Reaktion der Bevölkerung zur Wahlkampagne nicht nur in privaten Kommentaren widerspiegelt, sondern vor allem im Wahllokal. Welch eine Freude wäre es (für die Demokratie), wenn sich am Stichtag Unmengen von gültig gestempelten Wahlzetteln in den Urnen anhäufen würden! So hätte man die Gewissheit, dass die Menschen in Rumänien Lust haben, die nächsten vier Jahre mitzubestimmen – sich „einzumischen“. Man kennt es: Wahlbeteiligung ist (für die Demokratie) ein präzises Barometer!

Dass gerade im Caragiale-Jubiläumsjahr wieder Wahlen stattfinden, veranlasst mich, die ganze Geschichte mit möglichst viel Humor zu betrachten und es – statt mit emotionalen Reaktionen – diesmal mit einem etwas klareren Kopf zu probieren. Es funktioniert! Man regt sich weniger auf und kann sich über die kleinen Kampagne-Storys sogar ein wenig lustig machen. Denn derer gibt es genug.

Ein großer Klassiker ist und bleibt der Satz „Wählen? Ich bestimmt nicht! Wen soll ich denn wählen?“ mit den Variationen „Ich gehe prinzipiell nicht wählen, alle Kandidaten sind gleich schlecht“ oder „Es bringt eh nichts!“. Wenn man jedoch ein klein wenig in die Historie Rumäniens zurückblickt, dann kann man bei solch entschlossenen Aussagen, die häufig auch von jungen Menschen kommen, eigentlich nur den (klaren) Kopf schütteln: Es gab Zeiten, wo nicht von unten nach oben gewählt, sondern von oben nach unten diktiert wurde. Es gab Zeiten, wo nicht jede/r das Recht hatte, zu wählen – sprich: Manche hatten zu bestimmen, andere hatten „das Maul“ zu halten; und es gab Zeiten, wo man seine Stimme zwar abgeben musste, aber auf dem Zettel stand – na sowas! – ein einziger Name. Man hatte sozusagen entweder die Wahl und erst nachher die Qual oder aber die Qual ohne die Wahl. Ob es damals besser war? 
Die Steigerung, die ebenfalls ein Klassiker ist: „Ich würde die ganze politische Klasse erschießen!“ Aber auch das Erschießen von politischen Klassen und anderen Klassen ist nichts wirklich Neues. Es hat schon ab und zu stattgefunden und hat nie was Gutes gebracht.

Zum Schluss noch eine lustige Episode aus der finnischen Sauna eines großen Schwimmkomplexes. Ich saß schon seit einigen heißen Minuten dort allein, als die zwei molligen Herren das Schwitzbad betraten. Sie waren mit ziemlich ernster Miene in eine Wahlkampf-Diskussion vertieft. „Nu ştiu cu cine să votez, Radule“, sagte der eine, indem er es sich bequem machte (ich weiß nicht, wen ich wählen soll). „Dar mai rău ca din 2010 încoace nu ne-a mai mers niciodată!“ (Aber schlechter als seit 2010 ist es uns nie ergangen!) Ich schaute noch einmal diskret hinüber zu ihnen – sie lachten nicht. Ich dachte an Caragiale: „Căldură mare, monşer!“