„Ich weiß, es ist nichts Wahres dran“

Mangas faszinieren Jugendliche wie Erwachsene

Das Anime mit Sailor Moon, der schönen Mädchenkriegerin, lief Mitte der 1990er Jahre in Rumänien im Fernsehen.

Der Ninja Naruto ist unbesiegbar.

In „One Piece” geht es um das Finden des großen Schatzes des hingerichteten Königs der Piraten. Das Manga wurde zum Anime.

„One Piece”, „Naruto”, „Dragon Ball”, „Demon Slayer”, „My Hero Academia”, „Fullmetal Alchemist” oder „Death Note” sind die Titel einiger der beliebtesten Mangas weltweit. Jugendliche und Erwachsene lesen gerne die aus Japan stammenden Comics. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden sie auch im europäischen Raum und den Vereinigten Staaten von Amerika immer beliebter, ab den 2000er Jahren werden Milliarden Exemplare davon verkauft. In ihrer Heimat sind sie jedoch schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs sehr populär. Osama Tezuka, der Begründer der modernen Manga- und Anime-Industrie (Anime sind japanische Zeichentrickfilme) richtete das bis dahin als Propaganda genutzte grafische Utensil in den 1950er Jahren erstmals an Kinder. Er gestaltete die Figuren mit großen Augen und erzählte Geschichten über mehrere Sammelbände. Zahlreiche Mangas dienten zur Inspiration für Anime-Serien, Filme und Computerspiele, von denen manche internationalen Anklang fanden.

Dass viel Gewalt, Blut und Leid in den Büchern zu sehen ist und niedliche Kinder oder Jugendliche gegen Dämonen, Tote, oder häßliche Monster auftreten, hält die Millionen Fans dieser Werke nicht davon ab, sie zu lesen. „Ich weiß, es ist nichts Wahres dran”, sagt die 13-jährige Erika. Sie liebt Mangas und Animes. Auf ihrem Hoodie (Sweatshirt mit Kapuze) ist Mangafigur Tokyo Ghoul abgebildet, ein junger Mann, der zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Monster ist. Über ihrem Schreibtisch hängt ein Poster mit demselben Charakter. Das Mädchen hat bereits zahlreiche Bände vieler Manga-Serien. Was Erika in den Buchhandlungen nicht findet, liest sie online. Von ihrer Lieblingsserie „Naruto” findet sie den zweiten Band nicht. In keinem Buchladen. „Weil mir Naruto so sehr gefällt, haben meine Eltern den zweiten Band online bestellt. Ich will ihn unbedingt haben”, sagt sie. Die Teenagerin schwärmt regelrecht von dem tapferen Ninja Naruto Uzumaki, der sich zum obersten Ninja seines Dorfes emporkämpfen will und dabei viele, meist brutale Abenteuer erlebt. Obwohl „Naruto” von 1999 bis 2014 erschienen ist und die Sammelbände bis Ende 2014 weltweit in mehr als 200 Millionen Exemplaren verkauft wurden, davon 130 Millionen allein in Japan, sind sie in Rumänien schwer zu finden. „Besonders die ersten Nummern jeder Serie sind hier eine Rarität”, erklärt die 17-jährige Maria, die in einem Buchladen vergeblich nach ersten Nummern von Manga-Sammelbänden sucht. Sie hat das „Naruto”-Anime gesehen und ist nun auf die Romanreihe gespannt, auf dem dieses basiert. Es gibt auch Videospiele und -Animationen, die von der Originalgeschichte ausgehen.

Große Vielfalt

In Japan und der westlichen Welt finden Jungen und Mädchen bis 18 Jahre ein riesiges Angebot an Mangas, von denen manche eigens für Mädchen gedacht sind, die sogenannten „Shojo Manga”, andere eher für Jungen, die „Shonen Manga”. In letzteren geht es um Kämpfe, Abenteuer, Erotik, Alltagsprobleme; auch Action und Science Fiction sind wichtige Themen. Die Aufmerksamkeit der Mangaka, wie die Manga-Zeichner bezeichnet werden, richtet sich auf die Handlungen der Charaktere, sodass großer Wert auf die Darstellung der Hintergründe, nicht so sehr der Hauptdarsteller, gelegt wird. Shonen sind auch bei älteren Männern und bei Mädchen beliebt und sind die Mangas, die bei den Marktanteilen große Erfolge verbuchen. Akira Toriyamas „Dragon Ball” (1984) und Katsuhiro Otomos „Akira” (1982) zählen zu den Favoriten ihrer Art. In den Geschichten, die um spektakuläre Kampfaktionen aufgebaut sind, gilt die Anwendung von Gewalt als einziges Mittel zum Besiegen des Bösen.

Auch in „One Piece” geht es nicht friedlicher zu. Der mächtigste Pirat der Welt, der sogenannte König der Piraten, gibt vor seiner Hinrichtung Hinweise darauf, wo er seinen großen Schatz versteckt hat. Zahlreiche Abenteurer versuchen, diesen zu finden. Hauptgestalt Monkey D. Ruffy und sein Team setzen ihre Superkräfte furchtlos ein, um die edlen Objekte zu finden.

„Sailor Moon“

Bei Mangas für Mädchen und Frauen hingegen setzen deren Darsteller beim Zeichnen auf  Hauptcharaktere, die detailreich abgebildet sind. Die großen Augen, aus denen Tränen regelrecht herausspritzen, die Haare, die effektvoll im Wind wehen, die Kleidung - alles ist bis in die kleinste Einzelheit ausgeführt. Auch sind viele Blüten, Blätter, Sonnenstrahlen zu sehen, die den Geschichten einen verträumten Charakter verleihen. Die behandelten Themen der „Shojo Manga” sind vorwiegend Romantik, Mystery und der Alltag.

„Die schöne Mädchenkriegerin”, wie Sailor Moon auf Deutsch heißt, gehört auf die Hitliste dieser Art, die in den Genres Fantasy und Magical Girl einzuordnen ist. Nach der Wende wurde der gleichnamige Zeichentrickfilm in Rumänien sehr beliebt. Die fantastische Geschichte über das blonde Mädchen, das gemeinsam mit ihren Freundinnen gegen das Königreich der Dunkelheit kämpft, fesselte nach Mitte der 1990er Jahre Hunderttausende Kinder an den Bildschirm. Die Jugendliche mit niedlichen Merkmalen setzt ihre magischen Kräfte für Liebe und Gerechtigkeit ein und ist an der Seite der Sailor-Kriegerinnen unschlagbar. Der Anime-Serie von Naoko Takeuchis Manga folgten Kinofilme, Musicals, Computerspiele. Zum 20-jährigen Jubiläum des Sailor-Moon-Franchise entstand auch ein Remake zum Anime.

Damals eine Neuheit in unserem Lande, wurde das Werk der japanischen Zeichnerin in mehr als 20 Länder exportiert. Die Manga- und Fernsehserie bereitete das Publikum in der westlichen Welt auf weitere dieser Art vor.

Andere Erfolgsserien waren „Die Rosen von Versailles” (1970er) von Riyoko Ikeda, das in Frankreich kurz vor der Französischen Revolution spielt, oder Yumiko Igarashis „Candy Candy” (1974) über ein amerikanisches Mädchen, das in einem Waisenhaus Freunde findet und sich verliebt.

Geschichte der Manga

Die ersten Mangas stammen aus dem 8. Jahrhundert und sind den heutigen gar nicht ähnlich. Damals zeichneten buddhistische Mönche Tiere auf Bilderrollen. Der Begriff „Manga” wurde erstmals 1814 angewendet; er heißt auf Japanisch soviel wie bunt gemischte oder kunterbunte Bilder. Holzschnittkünstler Katsushika Hokusai stellte damals eine Serie von Skizzen dar, die Momentaufnahmen der japanischen Gesellschaft und Kultur der Tokugawa-Zeit (1603 bis 1868) zeigten.

Den heutigen Mangas ähnlich wurden die japanischen Zeichnungen erst mit der Öffnung des Landes gegenüber dem Westen zum Ende des 19. Jahrhunderts. 1902 erschien der erste Vorreiter von Manga, „Tagosakus und Mokubes Besichtigung von Tokio”, von Rakuten Kitazawa. Bis 1950 wurden die Mangas streng zensiert und mussten vom Staat gewünschte Themen behandeln, um die Bevölkerung zu kontrollieren. Danach erlebten sie einen starken Aufschwung, der bis heute andauert.

Manga versus Comics

Comics und Manga bedeuten eigentlich die Darstellung eines Ereignisses oder einer Geschichte in einer Reihe von Bildern, die von Text vervollständigt werden kann. Die europäischen und amerikanischen Grafiken nennt man in diesem Raum Comics, die Darstellungen, die aus Japan stammen, werden als Manga bezeichnet.

Ein Unterschied zwischen Comics und Manga wäre, dass erstere eher Sprech- und Gedankenblasen oder eine spezielle Formsprache aufweisen, wie Tropfen oder auch Tränen. Im Westen sind auch Lautwörter wie „Wrummm!” oder „Bang!” sehr beliebt.

Die wohl auffallendste Differenz für Europäer und Amerikaner ist, dass Mangas in japanischer Leserichtung, das heißt von rechts nach links gelesen werden. Sie sind oft schwarz-weiß und die Bildsprache und Erzähltechnik sind spezifisch asiatisch. Der Text ist aber auf Englisch. Des Weiteren bieten Mangas ein viel breiter gefächertes Angebot an Genres als Comics. Während bei Comics vorwiegend Comedy-, Science-Fiction-, Superhelden- und Abenteuergeschichten im Mittelpunkt stehen, sind japanische Comics für bestimmte Zielgruppen eingeteilt und nehmen auch Genres wie Romance, Action oder Horror ein, aber auch Sport-Geschichten, Kalligrafie, Magical Girl oder Erzählungen über die Teezeremonie. Erotische Geschichten, wo man viel Sexualität sieht, oder LGBTQ-Geschichten sind auch im Angebot. Ein auffallender Unterschied sind auch die riesigen Augen der japanischen Figuren, sowie die Verniedlichung der Charaktere, die manchmal sogar hilflos erscheinen, dafür aber umso stärker gegen das Böse antreten.

„Ich habe zu Weihnachten ein Buch bekommen mit Zeichentechniken für Mangas. Ich freue mich schon darauf, meine eigenen Charaktere darzustellen. Ich denke daran, Sprechblasen anzuwenden und vielleicht auch weitere Comic-Details. Mal sehen, was daraus entsteht“ sagt Maria.