In Erwartung eines Festivals

Das Holzstock-Festival feiert im August sein zehnjähriges Jubiläum

Paul Dărășteanu und Ira Buian | Fotos: Aurelia Brecht

Das „Holzstock“, wie es die Hermannstädter liebevoll nennen, wird seit einem Jahrzehnt „von jungen Leuten für junge Leute“ organisiert. Das Besondere: Es findet in historischem Ambiente auf dem Gelände der Kirchenburg in Holzmengen/Hosman statt. Über die Jahre ist es gewachsen, bekannter geworden, hat an Profil gewonnen. Mittlerweile zieht es nicht mehr nur Publikum aus der Hermannstädter Umgebung, sondern auch aus größeren Städten wie Bukarest oder Klausenburg/Cluj und aus dem Ausland an. Zehn Leute im Organisationsteam und rund 40 Freiwillige zaubern jedes Jahr ein Festival aus dem Hut. Organisiert wird die Veranstaltung durch den Verein Evangelische Kirchenburg Holzmengen/Centrul European pentru Întâlnirea Tineretului – Biserica Cetate Hosman (CEPIT). Seit 1996 investiert der Verein immer wieder in die Instandhaltung und Restaurierung der Kirchenburg. Stück für Stück gehen die Arbeiten auf dem Gelände voran – und auch das Festival erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Nun ist es bald soweit. Die beiden Festivalmanager, Ira Buian und Paul Dărășteanu sind mitten im Vorbereitungsfieber. Zwischen Telefonaten, Organisation, Freiwilligenkoordination und Sponsorensuche fahren sie immer wieder nach Holzmengen, um die letzten Details für einen reibungslosen Ablauf zu klären. Was hat wo seinen Platz auf dem Gelände? Fehlt noch etwas? Ist für das Jubiläum etwas Besonderes geplant? 

Zwischen Indie, Rock und kreativem Zeitvertreib

Auch in diesem Jahr stehen wieder viel Musik und eine breite Palette an Workshops auf dem Programm. Es wird drei statt zwei Konzertabende geben: Musik Non-Stop von Freitag bis Sonntag – elf Bands, darunter Gruppen aus dem Dorf, aus der lokalen Szene und internationale: eine aus Deutschland, eine aus Österreich, solche aus den USA und eine aus der Türkei bereichern das musikalische Programm.

Das Workshop-Programm reicht von Theater, Grafik und Bewegung wie Yoga oder Zumba über Künstlerisches wie Malen oder Basteln, bis hin zu Kleider-Upcycling oder Kosmetik-Herstellung und siebenbürgisch-sächsischer Möbelmalerei. Sogar ein Workshop, bei dem man Schweißen lernen kann, steht dieses Jahr auf dem Programm. Das Besondere: Die Angebote richten sich an alle Teilnehmer – unabhängig vom Alter. Wenn gerade keine Konzerte stattfinden, kann man die Zeit kreativ verbringen: Eine Fahrt mit der Schmalspurbahn Wusch, die Aussicht auf die Fogarascher Gebirge. Das Konzept ist ganzheitlich. Die Besucher sollen sich begegnen, ins Gespräch kommen.

Es ist das zweite Jahr, seit dem die Festivalmacher dem Projekt eine andere Richtung gegeben haben. Es sollte musikalisch alternativer werden. In den Anfangsjahren war das Festival sehr klein – lokalere Bands standen im Mittelpunkt. Dann ging man dazu über, größere Bands einzuladen, die auch sonst am Großen Ring in Hermannstadt auftreten. Ziel war es, ab 2023 ein Festival für alternative Musik, „Indie“, anzubieten. Die Richtung „Indie“ leitet sich aus dem englischen „independent music“ ab und bezeichnet mehrere Musikgenres, die sich abseits vom Mainstream bewegen.

Für Ira Buian spielt auch der besondere Ort bei der Ausrichtung des Festivals eine Rolle: „Unser Wunsch war, mehr Vielfalt ins Programm bringen. Außerdem fanden wir, dass dieser individuelle Stil gut zu dem Ort passt. Es ist eben eine alternative Location. Wir wollten größere Bands ins Programm bringen, die sich die alternative Szene in Rumänien wünscht, aber gleichzeitig die lokale Szene stärken.“ Ziel der Festival-Macher ist es, ein Festival in Rumänien anzubieten, das hauptsächlich alternative Musik präsentiert.

Was ist dieses Jahr besonders?

Schon bei der Planung des zehnten Jubiläums haben sich die Organisatoren Besonderes einfallen lassen: Mehrere Vorab-Events – Partys und Konzerte – machten in Bukarest, Temeswar und Hermannstadt auf das Festival aufmerksam.

Auch das Gesprächsformat „Hermannstädter Gespräche“ wird in diesem Rahmen stattfinden. Im Fokus der Diskussion: Die Frage, wie man mit dem Kulturerbe der Kirchenburgen umgehen kann und welches die Möglichkeiten zum Erhalt und zur Wiederbelebung dieser Orte sein können. In der Kirche von Holzmengen wird eine Überraschungs-Veranstaltung stattfinden. Zweimal am Tag bieten die Veranstalter eine Führung durch die Kirchenburg an; auch eine interaktive Führung in Form einer Schnitzeljagd steht auf dem Programm.

Mit dem Projekt „Harbachtal-Bühne“ wurden beim Internationalen Marathon in Hermannstadt Spenden für das Equipment gesammelt, mit dem zukünftig regelmäßig Konzerte auf dem Gelände der Kirchenburg organisiert werden können: Ziel ist es, in Holzmengen auch unabhängig vom Festival eine Bühne für alternative, kleinere Bands zu schaffen. Mit den Konzerten, die in der Scheune stattfinden, sollen Bands gefördert werden, die am Anfang ihres Weges stehen. Eine weitere Besonderheit ist ein Wettbewerb in Kooperation mit dem Tonstudio „Mellowdy Studios“ in Heltau/Cisnădie: Dabei können sich Bands mit einem Song bewerben. Die Gewinner-Band des Wettbewerbs gewinnt einen zweitägigen Aufenthalt im Tonstudio und einen Platz im Line-Up für das Jahr 2025.

Was macht das Holzstock-Festival aus?

Mehrere Aspekte sind für die Organisatoren zentral. Es ist zunächst einmal das Erleben des Ortes, das für Ira Buian und Paul Dărășteanu im Mittelpunkt steht: „Man hat während des Festivals die Chance, die Kirchenburg zu erleben. Man ist nicht nur Tourist, kommt an, hört sich die Geschichte an, macht ein paar Fotos und geht zur nächsten Burg. Man hat die Chance, hier zu zelten, hier zu essen und zu wohnen und lebt ein paar Tage in einer Kirchenburg. Das gab es in früheren Jahrhunderten nur, wenn ein Angriff stattfand und Feinde einfielen. Jetzt kommen Freunde hierher. Wir treffen uns alle und erleben die Kirchenburg gemeinsam“, sagt Dărășteanu. Das Zelten innerhalb der Kirchenmauern oder die Möglichkeit, mit dem Van auf dem Gelände zu campen, schaffe eine Verbindung zwischen den Besuchern und dem Ort. Den beiden geht es auch darum, ein größeres Publikum für die gesamte Region zu interessieren. Initiativen im Harbachtal wie die Alte Mühle/Moara Veche, die Pfadfinder in Leschkirch/Nocrich, die Töpferkunst herstellen, oder die Restaurierungsinitiative „Ambulanța pentru Monumente“ werden durch ihre Präsenz beim Festival noch bekannter. So ist auch Ira Buian zu ihrem Engagement gekommen: „Es kommen natürlich auch viele Leute hierher, die nicht unbedingt eine Verbindung mit dem Kulturerbe, mit Konservierung oder Restaurierung haben. Aber das Festival zieht sie hierher und sie sehen, was dann noch passieren könnte. Vielleicht werden sie nächstes Jahr Freiwillige bei einem Verein, beispielsweise bei „Ambulanța pentru monumente“. Ich zum Beispiel hatte auch nichts damit zu tun, bevor ich zufällig als Freiwillige zum Festival gekommen bin. Dann bin ich wieder gekommen und wurde Mitglied im Verein. Im Jahr darauf war ich im Organisationsteam. Das heißt nicht unbedingt, dass alle Leute unbedingt bei CEPIT oder in Holzmengen landen müssen und sich dort einbinden. Aber vielleicht in einem anderen Dorf, in einer anderen Initiative in der Region oder in Hermannstadt.“ Auch in diesem Jahr seien wieder junge Leute im Organisationsteam mit dabei, die früher Freiwillige gewesen seien, erzählen die beiden.

Die Familienfreundlichkeit sei ihnen wichtig; ein eigener Zeltplatz garantiere den Familien Ruhe abseits vom Trubel. Man versuche, durch das Festival auch zu zeigen, wie man Veranstaltungen und Kulturangebote anbieten kann, ohne Massentourismus zu fördern: „Es soll gemütlich bleiben“, sagt Dărășteanu.

Eine Veranstaltung, die Gemeinschaft bildet

Als besonders positiv empfunden haben die beiden Organisatoren, dass im letzten Jahr mehr als die Hälfte der Freiwilligen, die das Festival mit auf die Beine stellten, aus dem Dorf stammten: „Sie sind mit dem Holzstock aufgewachsen und sehen es als positiv für ihre Gemeinschaft. Das sehe ich als klares Zeichen, dass die Gemeinschaft sich daran erfreut“, so Ira Buian.

Auch während der Vorbereitungen zur diesjährigen Jubiläum merken sie, dass die Leute aus dem Dorf ihnen interessiert begegnen. Ira Buian wird beim Einkaufen oft gefragt, welche Bands spielen, wie die Planungen laufen, was es Neues gibt vom Festival. Die Veranstaltung sei ein Thema im Dorf. Einmal in den letzten Jahren, als ein Lkw, der zu groß war, mit einer umfangreichen Lieferung ankam, halfen die Leute spontan beim Ausladen. Spät nachts wurde um- und abgeladen, damit alles sicher oben auf dem Burggelände ankam.

Es sei eben ein Projekt, das vor vielen Jahren ausgehend von der deutschen Gemeinschaft in Hermannstadt entstanden sei, mit dem Ziel, über die Musik Minderheit und Mehrheit zusammenzubringen. Was macht das Holzstock-Festival sonst noch aus? Die besondere Atmosphäre, da ist sich Ira Buian sicher: „Obwohl es schwer ist, in Worte zu fassen, was das konkret heißt. Aber das ist die Antwort, die wir von allen Teilnehmern bekommen. Die Leute fühlen sich gut hier.“ 


Das Holzstock-Festival findet vom 16. bis 18. August 2024 statt.

Das Festival wird durch das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) und dem CEPIT-Verein organisiert.