„Johannis ist mittlerweile ein Markenname“

Ein Gespräch über den Deutschen Wirtschaftsclub Siebenbürgen und Hermannstädter Stadtentwicklung mit Jörg Prohaszka

In den vergangenen drei Jahren verdoppelte DWS-Geschäftsführer Prohaszka die Mitgliederzahl des Wirtschaftsklubs.
Foto: Holger Wermke

Seit mehr als einem Jahrzehnt lebt Jörg Prohaszka in Hermannstadt/Sibiu. Anfangs war er Berater auf Zeit, später gründete er sein eigenes Unternehmen. Heute unterstützt er Investoren, die sich im Raum Hermannstadt ansiedeln. Außerdem ist er Geschäftsführer des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen (DWS). Im Gespräch mit Holger Wermke spricht Jörg
Prohaszka über die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Hermannstadt und die gegenwärtige Zurückhaltung ausländischer Investoren gegenüber Rumänien.

Sie sind als externer Berater im Jahr 2000 nach Rumänien gekommen. Was war damals ihre Aufgabe?

Richtig, ich bin seit dem 1. Dezember 2000 als Langzeitberater in Rumänien. Ich war so genannter CIM-Experte. CIM steht für Centrum für internationale Migration und Entwicklung. Das ist eine halbstaatliche Organisation der GIZ (früher GTZ) und der Bundesanstalt für Arbeit, die Langzeitexperten entsenden. Zu meiner Aufgabe gehörte der Aufbau eines dualen kaufmännischen Ausbildungssystems bei der Deutsch-Rumänischen Stiftung. Das habe ich sechs Jahre lang gemacht. Das Projekt war in den ersten Jahren sehr erfolgreich. Rund 40 Unternehmen haben allein aus Hermannstadt an dem dualen Ausbildungssystem teilgenommen. Leider haben Gesetzesänderungen die Rahmenbedingungen so stark verändert, dass die neue Leitung der Stiftung aus eigenen Mitteln nicht in der Lage war, das Programm weiterzuführen. Da meine Aufgabe damit abgeschlossen war, hätte ich Rumänien verlassen müssen und eine Aufgabe in einem anderen Land übernehmen müssen...

Sie sind aber geblieben...

Ja, ich habe mich dazu entschlossen zu bleiben und schon 2003 ein eigenes Unternehmen zu gründen. Ich habe schon zu dieser Zeit gewusst, dass ich noch etwas länger in Hermannstadt bleiben werde. Dafür brauchte ich natürlich ein zweites Standbein. Durch den Wirtschaftsclub (DWS, d. R.) hatte ich schon viele Kontakte und somit eine günstige Ausgangslage. Für mich als Neuling im Land war es ja anfangs ganz wichtig, Informationen zu bekommen. Ich musste hier mit einer dualen Ausbildung irgendwie anfangen und brauchte Unternehmenskontakte. Ich habe hierdurch erstmal gelernt, wie wichtig solche Kontakte sein können. Wie schnell man dann vorankommt, wenn man diese Kontaktnetzwerke hat. Diese Erfahrung kommt jetzt dem DWS zugute, denn hier schaffen wir für unsere Mitgliedsfirmen immer bessere Kommunikationsnetze auf nationaler Ebene zwischen anderen Klubs und Institutionen.

Sie waren erstmals zwischen 2001 und 2004 Geschäftsführer des Deutschen Wirtschaftsclubs Siebenbürgen in Hermannstadt, seit 2009 sind Sie es wieder. Warum übernehmen Sie diese zusätzliche Belastung durch ein Ehrenamt?

Eigentlich wollte ich 2009 aus dem Klub austreten. Damals beschränkten sich die Aktivitäten des Klubs auf das gemeinsame Essen bei den Mitgliedertreffen. Ich habe mich dann bereit erklärt, bei der Vorstandswahl zu kandidieren, weil ich das große Potenzial sah, das dieser Klub mit einem langfristigen Konzept hat. Ich muss zugeben, dass die ersten zwei Jahre sehr anstrengend waren, wir haben hart gearbeitet. Aber mittlerweile sieht man die Ergebnisse.

Welche?

Zuerst einmal die Mitgliederzahl: Diese hat sich in den vergangenen drei Jahren auf 200 verdoppelt. Der Klub hat sich als Ansprechpartner für potenzielle Investoren etabliert. Wir organisieren eine Reihe von Veranstaltungen für unsere Mitglieder, von Businesstreffen bis hin zu Freizeitaktivitäten wie dem DWS-Fußballcup, ein Weinfest, eine Afterwork-Party. Wir haben außerdem begonnen, unser Know-how zu publizieren und die Mitgliedsfirmen bekannter zu machen, beispielsweise durch ein gemeinsames Magazin aller deutschsprachigen Wirtschaftsclubs in Rumänien. Ein Ausbildungsprojekt für Metallfacharbeiter für unsere Mitgliedsfirmen haben wir initiiert. Wichtig ist mir vor allem die Kooperation mit den anderen sechs Klubs in Rumänien und der AHK in Bukarest, die in den vergangenen Jahren wesentlich intensiver geworden ist. 

Sie sind sehr gut vernetzt mit den Vertretern deutscher Firmen in Rumänien. Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Hermannstadt?

Bei Gesprächen mit den anderen Klubs höre ich oft, ihr könnt froh sein, dass ihr Herrn Johannis habt. Bei euch laufen bestimmte Dinge. Ich glaube in der Tat, dass wir durch den Bürgermeister als Gewerbestandort bessere Karten haben als beispielsweise die Klubs in Bacău oder Kronstadt. Der Name Johannis ist mittlerweile ein Markenname in der Wirtschaft geworden. Wenn ich die Verwaltung hier selbst beurteile, finde ich, die ist wirklich gut geworden. Ich kenne sie noch von 2001, da war Johannis zwar auch schon Bürgermeister, hat aber noch nicht so durchgreifend seine Programme umgesetzt. Ich kann mich noch erinnern, wie schwierig es war, Dokumente im Rathaus zu bekommen. Mittlerweile funktioniert das hier, es sind Prozeduren angelegt worden, die nicht in allen Städten selbstverständlich sind. Bei Anfragen antwortet die Stadt, und das kompetent und schnell.

Bürgermeister Johannis verfolgt in Hermannstadt eine langfristige Entwicklungsstrategie. Was sehen Sie für Entwicklungsbedarf?

Wir haben eine Riesenchance, mit der Stadtentwicklungsstrategie dafür zu sorgen, dass Hermannstadt für Fachkräfte aus dem ganzen Land attraktiv wird. Die nötigen Fachkräfte zu sichern, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft. Es geht um die so genannten weichen Standortfaktoren. Wir brauchen Freizeitangebote für Familien, wir brauchen hier außer den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch vieles, was eigentlich mit Wirtschaft gar nicht so viel zu tun hat. Und da sind wir schon auf einem richtigen Weg mit Johannis, denn der sorgt genau für diese Mischung. Die Fußgängerzone wurde ausgebaut, die Parks hergerichtet – jetzt müsste man sehen, vielleicht eine Art Wohnungsbauprogramm zu etablieren, beispielsweise in Zusammenarbeit mit lokalen Banken. Dazu gehört auch, neue Universitäten und Forschungszentren anzusiedeln. Die Kronstädter machen es uns vor mit den ganzen Aerospace-Firmen: Dort entsteht ein richtiges Cluster. Hermannstadt wird immer stärker in Konkurrenz zu den anderen Wirtschaftszentren stehen. Und da müssen wir reagieren und auch als Wirtschaftsclub sehen wir unsere Aufgabe darin mitzuhelfen, um unsere Vorteile zu nutzen. Die alles entscheidende Frage ist: Wie können wir die nötigen Fachkräfte nach Hermannstadt bekommen?

Womit könnte Hermannstadt diese locken außer mit Arbeitsplätzen?

Mehr Freizeiteinrichtungen wären wünschenswert, z. B. ein vernünftiges Hallenbad. Wir haben einen Fluss, das Zibinsufer kann noch weiter entwickelt werden. Man muss nur nach Temeswar schauen, was dort mit der Bega gemacht wird. Es wurden dort z. B. Terrassen und Gastronomie angesiedelt, das ist auch touristisch sehr ansprechend. Der Plan, am Zibin eine Promenade zu bauen, hat bereits begonnen. Ich hoffe, dass diese Möglichkeit angenommen wird und weitere Schritte in diese Richtung folgen. Ein großer Pluspunkt für die Stadtentwicklung sind zweifelsohne auch die vielen neuen Fahrradwege. Überhaupt sehe ich noch große touristische Potenziale, wenn ich nur an Păltiniş denke und den Weg dorthin. 

Welche Wirtschaftstrends sind derzeit in der Stadt zu beobachten?

Es gibt derzeit einen unglaublichen Zuwachs an IT-Firmen. Von zehn Unternehmen, die bei mir anfragen, sind sechs IT-Dienstleister. Der Rest ist nach wie vor Automotive, diese Branche ist weiterhin stark im Trend. Es kommen auch immer mehr Industriedienstleister, beispielsweise in den Bereichen Maschinenwartung, Qualität oder Schulung und Weiterbildung. Also die Branchen, bei denen wir noch vor einiger Zeit behauptet haben, dass es für so etwas noch zu früh ist. Wo ich noch Bedarf sehe, ist im touristischen und Freizeitbereich, die hätten hier eine Chance. 

Wenn wir über Hermannstadt hinausblicken, wie ist die Stimmung derzeit unter ausländischen Investoren bezüglich Engagements in Rumänien?

Derzeit stellen wir ein etwas gesunkenes Interesse an Rumänien fest. Die politische Situation sorgt nicht für Begeisterung bei Investoren, die das Geschehen verfolgen. Die weitere Entwicklung ist sehr schwer einzuschätzen. Wir brauchen eine klare politische Linie, wir brauchen klare Strukturen für die Wirtschaft und genau das hält momentan die Investoren im Ausland ab, die so dringend benötigten Investitionen jetzt zu tätigen. In den Jahren zuvor ist das Interesse an Rumänien wieder größer geworden. Das liegt zum einen daran, dass Standorte in anderen Ländern teurer werden oder an Attraktivität verloren haben. Letzteres gilt beispielsweise für den asiatischen Markt, weil die Probleme dort nicht gering sind, hinzukommen die hohen Transportkosten und Planungsunsicherheiten. In mittel- und osteuropäischen Ländern wie Polen, Tschechien oder Ungarn steigen die Lohnkosten stetig. Als Konsequenz wandern die Unternehmen ein Land vorwärts Richtung Osten. Rumänien hat dadurch, dass es immer noch ein sehr niedriges Lohnniveau hat, wirtschaftliche Vorteile. Die durchschnittliche Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren war nur marginal.