Jüngst eingeweihte Straße schon voller Löcher

Probleme mit der Umgehungsstraße von Karansebesch

Die Garantiefrist für die nördliche Umgehungsstraße von Karansebesch/Caransebeş beträgt 730 Tage – gemessen ab Ende Dezember 2011, als sie feierlich eingeweiht wurde. Dabei hat die Straße im Augenblick der Freigabe für den Verkehr noch gar nicht ihre Deckschicht gehabt. Diese soll erst im Frühjahr, nachdem die Mindesttemperaturen nicht mehr unter plus fünf Grad Celsius sinken, gegossen werden. Im April oder Mai. Aber das Jammern über bereits entstandene Löcher im Asphalt hat schon begonnen.

Die rumänische Filiale der spanischen Firma Copisa, die nach vielen Verzögerungen mit dem Bau dieser Straße betraut worden war, schiebt die Schuld an den bereits entstandenen Schäden im Asphaltbelag auf die Politik, das Verkehrsministerium und die Kommune, die sie gezwungen haben, die Straße für den Verkehr freizugeben, bevor die letzte, vier Zentimeter dicke Asphaltschicht aufgetragen werden konnte. Die Nationale Gesellschaft für Straßen und Autobahnen widerspricht nicht direkt: Die verspätete Freigabe für den Verkehr habe bereits einen Verlust von 800.000 Euro gebracht – die Strafgelder, die den Spaniern vom Nutznießer aufgebrummt wurden. Dazu kommen nun die zusätzlichen Reparaturarbeiten, die vor Auftragung der Deckschicht durchgeführt werden müssen. Zudem haben die Regen- und Schneefälle in dem seit der Verkehrsfreigabe vergangenen Monat gezeigt, dass die Abflussgräben für Regen- und Schmelzwasser vielerorts ihre Aufgabe nicht erfüllen – also umgebaut werden müssen. Nicht zuletzt hat die Nationale Gesellschaft für Straßen und Autobahnen – auch das reichlich spät, aber immerhin – festgestellt, dass an den zehn Kunstbauten – drei Überführungen, drei Brücken und vier Viadukte – die Schutzgeländer nicht vollständig sind und dass auf gewissen Strecken der zwölf Kilometer langen Umgehungsstraße die Verkehrsschilder fehlen. All das muss mit beginnendem Frühjahr hergerichtet werden.

Noch 10 Millionen Euro zu zahlen

Copisa hat ein Gegenargument parat: Wenn die dem Verkehrsministerium der rumänischen Regierung unterstellte Gesellschaft plötzlich – bezeichnenderweise nach Neujahr, also in einem neuen Haushaltsjahr – so viele Beanstandungen hat, warum sorgt sie nicht auch dafür, dass das von der Regierung geschuldete Geld für die Umgehungsstraße endlich eintrifft? Mit den rund zehn Millionen Euro (also einschließlich einiger einvernehmlich ausgemachter Zusatzkosten), die noch aufs Konto der Firma zu überweisen sind, hätte man die Beanstandungen auch ohne viel Rederei beheben können.

Die Gesamtkosten der zwölf Kilometer des nördlichen Abschnitts der Umgehungsstraße von Karansebesch, zwischen Jupa und Buchin an der E70/DN6 (der Anschluss von Reschitza aus an die E70/DN6 geschieht weiterhin durch die Stadt – eine Ringstraße um Karansebesch wird es nach gegenwärtigen Erkenntnissen nicht geben), betragen 36 Millionen Euro, von denen 75 Prozent aus EU-Fonds kommen. Diese rund 27 Millionen Euro von der EU sind Copisa bezahlt worden. Nun muss die Bukarester Regierung noch zehn Millionen Euro zahlen, damit die Umgehungsstraße standardgemäß fertiggestellt wird.
Dass sich die Regierung über die Nationale Gesellschaft für Straßen und Autobahnen einen Teil des Geldes über Strafen zurücknimmt, das akzeptiert Copisa anscheinend als unabwendbar, hofft aber auf ein prompteres Bezahlen der Schulden durch Bukarest.

Viele Privatinteressen im Spiel

Die Umgehungsstraße von Karansebesch stand von Beginn an (das war Ende 2002-Anfang 2003) unter einem ungünstigen Stern. Erst wurden die drei Entwurfsvarianten heftig und kontrovers diskutiert und sukzessive verworfen – letztendlich hatte sich erwiesen, dass die mit der Umgehungsstraße verbundenen Aufschlussarbeiten der Grundstücke viele Bodenspekulanten angezogen haben, in erster Linie den zwielichtigen Unternehmer Iosif Armaş (der zwischendurch den historischen Teil des Bade- und Luftkurorts Herkulesbad verfallen ließ). Interessiert war aber nicht nur Armaş mit seinen Besitztümern rund um den aufgelassenen Flughafen von Karansebesch – Armaş ist über seine Firmen auch Besitzer dieses Flughafens – sondern auch viele weitere, mehr oder weniger finanzpotente Grundbesitzer entlang der zwölf Kilometer langen Umgehungsstraße, die plötzlich eine Preisexplosion der Grundstücke im Anzug sahen. Karansebesch ist ja als Stadt bekannt, die für Investitionen gesucht wird.

Durch den Druck auf die Kommunalpolitiker und durch die Bildung von Interessengruppen wurde der Beginn der Bauarbeiten um viele Jahre hinausgezögert und es drohte bereits akut der Verlust der EU-Finanzierung. Dann wurde im ersten Anlauf der Zuschlag bei der Ausschreibung einem (griechisch-italienisch-rumänischen) Firmenkonsortium zugesprochen, das sich technisch und personell als unfähig erwies, die Arbeiten auszuführen. Erst infolge einer neuerlichen Ausschreibung übernahmen die Spanier von Copisa die Arbeit und führten sie durch – auch ohne die regelmäßigen Zahlungen der Raten von der rumänischen Regierung.

Aus west-östlicher Perspektive geht die Umgehungsstraße bei Jupa von der E70/DN6 Richtung Norden aus, überquert die Flüsse Temesch/Timiş und Sebeş sowie die Bäche Zlagna und Potoc, die Eisenbahnlinien CF 917 und CF 900 (in Richtung Ferdinandsberg/Oţelu Roşu bzw. Bukarest) in östlicher Richtung, quert Richtung Südosten mittels Viadukten mehrere Trockentäler und schließt dann bei Buchin wieder an die E70/DN6 an.

Praktisch war es die letzte der großen Straßenbauarbeiten am Banater Abschnitt der E70 zwischen der Westgrenze Rumäniens, Temeswar und Drobeta Turnu Severin, die aus EU-ISPA-Mitteln finanziert wurde, neben der Umgehungsstraße von Lugosch und jenen von Mehadia und Domaşnea. Schon bei der Einweihung im Dezember hatte der Karansebescher Bürgermeister Ion Marcel Vela gesagt, die Straße sei für die Entwirrung des Verkehrs in seiner Stadt und für deren Entlastung vom Schwerlaster-Durchfahrtsverkehr zwischen Westeuropa, Bulgarien, Griechenland und dem Nahen Osten extrem wichtig, doch mit den Glückwünschen an die Bauherren gehe er bewusst eher sparsam um.