Junge Europäer fordern mehr Integration

Mehrheit glaubt weiterhin an Stabilität der Einheitswährung

Europa wackelt finanztechnisch, die Stabilität des Euros wird in Frage gestellt, manche wissen mit der Europäischen Union nichts mehr anzufangen. Mehrere Staaten, darunter auch Deutschland, rücken von ihren pro-europäischen Einstellungen ab. Nationale Reflexe erweisen sich als erste Reaktion in der Eurokrise. In Lettland stellen die Bürger die künftige Umstellung zum Euro in Frage, einige slowakische Parteien lehnen ein Rettungspaket für Griechenland ab, in Finnland gewinnt eine Partei die Wahl mit der Ablehnung von Hilfspaketen. Aber eben in schweren Zeiten stimmt die europäische Jugend für mehr Europa und Zusammenarbeit. Dies belegt der erste European Youth Poll des European Youth Parlament und der Stiftung Mercator.

Wenn man den Letten Toms Ancitis (28) über Europa befragt, spricht er über Freiheit. Freiheit des Warenverkehrs, der Dienstleistungen, der Bürger und des Kapitals. Wenn man den Slowaken Peto Mayer (30) fragt, erzählt er von den Chancen für mehr Fördergeld für verschiedene Projekte zugunsten des Landes und hiermit der Bewohner. Wenn man den Rumänen Adrian Dudui (33) fragt, dann spricht er über Multikulturalität und eine Chance, die Beziehungen zu anderen EU-Ländern zu verbessern. Und wenn man die Ungarin Dora Diseri befragt, so erwähnt sie die unzähligen Studienmöglichkeiten im Ausland und die Chance, mehrere Investitionen im eigenen Land durchführen zu können. Ein multikulturelles Europa, das freie Reisen und die besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in der Bildung – die meisten finden, dass dies gute Voraussetzungen sind. Was die Stabilität des Euros betrifft, so sind die Meinungen zwar geteilt, noch sehen viele aber die gemeinsame Währung nicht in Gefahr, trotz Skepsis und Spekulationen der Banken und Ratingagenturen.

Helfen, aber Reformen fordern

In Lettland wird derzeit die bevorstehende Einführung des Euros öfter denn je in Frage gestellt: „Durch die Krise in Griechenland hat sich auch die Einstellung zur gemeinsamen Währung geändert: Jahrelang war dies das Ziel unserer Regierungen, niemand zweifelte daran, nun haben die Bürger begonnen, sich Gedanken darüber zu machen: Brauchen wir das wirklich? Was bringt uns das?“, so Ancitis. Er sieht aber den Euro als die „größte Leistung“, die die EU jemals erreicht hat, und zweifelt nicht an dessen Bestehen. „Ich glaube den Skeptikern nicht, die sagen, dass der Euro in zwei Jahren eingehen wird. Ich denke, er wird noch lange existieren“.

Mit Skeptikern meint er auch die nationalen und internationalen Medien. So sei der Euro, laut der deutschen Zeitschrift „Der Spiegel“ (Ausgabe vom 20.6.11) „zur größten Gefahr für die Zukunft geworden“. Die Zeitschrift schreibt weiter: „Wirtschaftlich ist Europa nicht zusammengewachsen, es hat sich noch weiter auseinanderentwickelt. Die Chancen, dass der Euro in seiner heutigen Form überlebt, sind somit geringer denn je“.

Aus der aktuellen Umfrage des European Youth Polls zum Thema Eurokrise geht hervor, dass die Mehrheit der jungen Europäer noch Vertrauen in die Gemeinschaftswährung zeigt: 67 Prozent glauben weiterhin an die Stabilität des Euros, knapp 31 Prozent halten ihn für instabil. Die Umfrage wurde Ende Mai durchgeführt. Über 1200 Alumni des Europäischen Jugendparlaments im Alter von bis zu 27 Jahren nahmen daran teil, sie kamen aus 35 europäischen Ländern, davon 135 Deutsche, 86 Portugiesen und 85 Rumänen. 

Die Studie belegt im Weiteren, dass die sogenannte „Transferunion“ in vielen europäischen Ländern sehr umstritten ist. 73 Prozent der Befragten sind aber in großer Mehrheit für – zumindest temporäre – Finanztransfers von stärkeren an schwächere Länder in Europa. 

Aber wer ist direkt verantwortlich für die Eurokrise, für Griechenlands oder Portugals Schulden? Denn besonders von der Evolution der PIGS-Länder, wie die stark verschuldeten Länder Portugal, Irland, Griechenland und Spanien genannt werden, hängt nun das Schicksal Europas ab. Sollten EU-Länder in finanziellen Krisen Hilfe bekommen oder sollten sie eher aus der Eurozone ausgeschlossen werden? Und wenn sie Hilfe erhalten, soll diese dann an strenge Bedingungen geknüpft sein? Bei vielen Befragten scheint die Antwort eindeutig zu sein: Rund 86 der Befragten favorisieren hier den Mittelweg: Helfen, aber in vielen Bereichen Reformen fordern. „Die anderen Mitgliedsstaaten sollten sich schon einmischen und helfen, aber davon sollen die Bürger der jeweiligen Länder nicht betroffen werden“, sagt Adrian Dudui.

Vorläufig keine Erweiterungen

Für die Mehrheit der Befragten waren „nationale Interessen“ das klar vorherrschende Thema in den nationalen Debatten, über alle europäischen Grenzen hinweg.

Toms Ancitis, Journalist von Beruf, sieht die Eurokrise als eine Folge des wirtschaftlichen Wirrwarrs in der EU. Eine Ursache seien die Banken, die zu wenig reguliert sind, behauptet der 28-Jährige. Er meint hiermit die uneingeschränkte Macht der Banken. Nun haben sich diese Länder stark verschuldet, eben um diese Banken zu retten – so versteht es Toms Ancitis. Es sei hiermit kein EU-Problem, sondern vielmehr eine nationale Angelegenheit, denn der Haken liege bei den einzelnen Regierungen bzw. Banken, so der Lette. „In Irland gab es einen verrückten Bau-Boom und die Schulden sind eigentlich kein staatliches Problem, sondern das Problem der Banken. In Spanien sehe ich es ähnlich. In Griechenland gab es das Problem mit der Fälschung der Statistiken. Hier ist auch die Produktivität niedrig, die Korruption zu hoch“, erklärt er. 

Dieselbe Meinung teilt auch Peto Mayer aus Bratislava: „Die Slowakei war ursprünglich das einzige EU-Land, das kein Hilfspaket für Griechenland akzeptieren wollte. Auch heute sind einige politische Parteien dagegen. Es ist ein heikles Thema in der Slowakei“, erzählt er. 

Auf die allgemeine Frage nach der Europäischen Integration antworteten 62 Prozent mit dem Wunsch nach mehr Integration. 18 Prozent sind zufrieden mit dem aktuellen Stand der Integration und möchten nichts ändern, während 16 Prozent gern wieder mehr Entscheidungsgewalt auf der Ebene der Nationalstaaten sehen möchten. Aber obwohl eine deutliche Mehrheit mehr europäische Integration fordert, wird eine geografische Erweiterung der EU skeptisch betrachtet: Unter den Teilnehmern aus den 27 EU-Staaten fand sich eine knappe Mehrheit von rund 52 Prozent, die gegen weitere Erweiterungen stimmte, während nur 44 Prozent diese befürworten.