Kein Neubau auf einem noch nie zuvor bebauten Grundstück

Für die Hermannstädter Altstadt und ihre Bewohner stimmten alle Fraktionen

Neubauprojekt im Stadtrat einstimmig abgelehnt: Hermannstadts Altstadtbild darf nicht verschandelt und kein Präzendenzfall geschaffen werden.

Sollten Iancu-Sebastian Boncuț und Alexandru Găvozdea im Rathaus am Großen Ring/Piața Mare jemals gute bis exzellente Karten gehabt haben, ist ihr Vertrauenskredit spätestens am Donnerstag, dem 27. Februar, verspielt worden. Gründlich und von ihnen selber. Niemand mehr im Stadtrat stimmte für den Bau einer Immobilie auf dem ersten von fünf Grünstreifen hinter dem Zaun, der den Parkplatz des Hotels „Zum Römischen Kaiser” und dritter Mitbenutzer von den Innenhöfen zwischen der Fleischergasse/str. Mitropoliei und der Brukenthalgasse/str. Xenopol trennt.

Zunächst aber die Fakten: Über die Online-Petition gegen das Neubau-Projekt auf der Homepage der Bürgerrechts-NGO „Declic” waren natürlich alle Stadtrats-Mitglieder informiert worden, und dass Unternehmer Boncuț in Reaktion darauf mittels Unterschriften-Kampagne beinahe gleichstark zum Kontern auf dem Portal petitieonline.com ermutigt hatte, brachte Architekt Găvozdea zu keinem Zeitpunkt der Debatte in Anwesenheit von Bürgermeisterin Astrid Fodor (Demokratisches Forum der Deutschen in Rumänien, DFDR), Rathaus-Chefsekretär Dorin Ilie Nistor und den zurecht aufgebrachten Altstadt-Einwohnern zur Sprache.

Und Grundstück-Besitzer Boncuț, der noch am 10. Februar stolz im Ramada-Hotel mit Freunden und Gegnern informell über sein nicht allseits für gesund befundenes Vorhaben zu Gericht gesessen hatte? Den Gang zur Stadtrats-Sitzung scheute er, ließ sich vollumfänglich von Geschäftspartner Găvozdea vertreten und erlitt genauso wie er auch eine schmerzhafte Niederlage. Nachdem die Fraktionen des DFDR, der USR und der PSD Găvozdea gnadenlos hatten auflaufen lassen, blieb einschließlich den liberalen sowie den ultra-extremistischen Stadtrats-Mitgliedern nichts anderes übrig, als zum Vorteil der Nachbarschaft von Brukenthal- und Fleischergasse und überhaupt sämtlicher 1113 Unterzeichner der Petition bei „Declic” zu votieren. Für die erbitterten Gegner von Boncuț und Găvozdea stand das Bestehen einer der wichtigsten Stunden ihres Lebens auf dem Spiel.

Das Ende fiel so glücklich aus, wie es nur glücklich hätte ausfallen können, und überraschte selbst die optimistischsten Anrainer unter den Nachbarn des betreffenden Grundstücks, die sich kaum große Hoffnungen auf das Durchbringen ihrer Lobby beim Rathaus und Stadtrat gemacht hatten. Außerdem musste, bevor es an Alexandru Găvozdea lag, die Reihe der Wortmeldungen zur Beschlussvorlage zu eröffnen, ein Schreckmoment ausgehalten werden: aufgrund der Regularien hatte der Stadtrat seiner Pflicht beizukommen, über das Abhalten einer Debatte mit Teilnahme von Nicht-Stadträten vor der Abstimmung zu entscheiden – die Wahl vor der Wahl. Andernfalls würden sich die bürgerlichen Vertreter der Einwohnerschaft nur zu Ende der Stadtrats-Sitzung geäußert haben dürfen. Im Rathaus aber meinte man es von Anfang an gut mit den Kritikern des sozial und kulturell verunstaltenden Neubau-Projekts von Boncuț und seinem Partner Găvozdea, der den Stadtrat offen beschuldigte, sich „ohne rechtliche Grundlage” über das Für und Wider so einer Immobilie äußern zu wollen, und sich dadurch nur umso mehr um Kopf und Kragen redete.

Online zugeschaltet berief Stadtrat Gabriel Tischer (DFDR) sich auf die Bedenken in der Nachbarschaft der Gassen beiderseits des 330 Quadratmeter großen Grundstücks, deren „Opposition zu diesem Projekt nicht für sich allein steht”. Angesichts des architektonischen Kontexts gelte es, einem „Akt von Eigen-Sabotage” vorzubeugen, die Fürsprache des Gästeführer-Vereins von Hermannstadt/Sibiu auf Nicht-Verändern des Stadtbilds zu achten und einen Fehler wie jenen vom Bau des Ramada-Hotels, das vor 20 Jahren die Chancen der Altstadt auf Statuierung als UNESCO-Weltkulturerbe vereitelt haben soll, nicht zu wiederholen. Das Argument der unbedingten Vermeidung eines „Präzedenfalls” brachte auch Ionuț Ghișe (USR) vor, und vonseiten der PSD bissen sich Laura Barac sowie Nicolae Forir an fehlerhaften Details der Neubau-Projekt-Dokumentation fest, die Architekt Găvozdea übersehen hatte oder ihn im Rathaus zur Stunde der Stadtrats-Sitzung gar mehrfach verlegen machten. Höhepunkt der Debatte war das Plädoyer von Architekt Dr. Paul Niedermaier, Mitglied der Rumänischen Akademie und Brecher einer Lanze für die Wahrung des einzigartigen Weitblicks auf die prächtige Kuppel-Bauweise der orthodoxen Hauptkathedrale der Stadt und Metropolie, den der Parkplatz hinter dem Hotel „Zum Römischen Kaiser” bietet: es könne nicht sein, „einen Teil von der Bedeutung der Kuppel für 30 Silberlinge zu verkaufen und opfern zu wollen”, so das Credo von Dr. Paul Niedermaier. „Das wäre so, als ob man ein Pferd von hinten anschirrte, ohne seinen Kopf, seine Augen und sein Maul zu kennen.” Kein Wunder hingegen, dass Alexandru Găvozdea der Forderung Dr. Niedermaiers nach einem „physischen Modell” widersprach und seinem Branchen-Kollegen entgegenhielt, dass ein „elektronisches” es auch tue. Auf die Spitze trieb er es mit seiner Taktik, den Stadtrat unter Druck setzen zu wollen, das Gerichts-Urteil von Ende Januar aus Karlsburg/Alba Iulia (die ADZ berichtete) als unverhandelbaren Befehl aufzufassen, auf keinen Fall gegen das Neubau-Projekt zu stimmen – auf Nachfrage von USR-Fraktionsmitglied Ionuț Ghișe stellte der Rathaus-Chefsekretär umgehend klar, dass „die Erarbeitung der Dokumentation verpflichtend ist, eine bestimmte Entscheidung durch den Stadtrat nicht.”

Andreea Tănase, Mitarbeiterin im Architektur-Büro von Alexandru Găvozdea, versuchte im letzten Augenblick vor der Abstimmung damit zu punkten, dass Boncu] bereit wäre, auf sein Grundstück zu verzichten, wenn die an es angrenzenden Innenhöfe ihren Privatbesitzern zuliebe der Schaffung eines öffentlichen Parks enteignet würden. Aber es brachte nichts, die Würfel waren bereits vor dem abschließenden Votum gefallen. Außerdem hatte vorab die für den Fall zuständige Stadtrats-Kommission der Beschlussvorlage einen negativen Bescheid ausgestellt. Detail am Rande: Enthaltung vom Abstimmen war in diesem Punkt laut Karlsburger Gerichts-Urteil nicht gestattet, und auch die DFDR-Fraktionsmitglieder, die noch im Mai 2022 für statt gegen das Neubau-Projekt gestimmt hatten, verhielten sich diesmal anders zur selben Frage. Entweder haben sie es sich nochmal überlegt oder sind fraktionsintern zur Räson gerufen worden. Dennoch: die finale Schlacht um ihr Grundstück und Projekt wollen Boncuț und Găvozdea noch nicht geschlagen haben. Fortsetzung wahrscheinlich.