„Konflikte lassen sich besser in einer Fremdsprache lösen“

Gespräch mit Andreas Treichl, Vorstandsvorsitzender der ERSTE Group Bank AG und Vorsitzender des BCR-Aufsichtsrates

Andreas Treichl, Foto: Erste Bank

Mag. Andreas Treichl, geboren am 16. Juni 1952 in Wien, ist der Sohn des legendären Generaldirektors der österreichischen Bank Creditanstalt Heinrich Treichl. Er studierte Volkswirtschaft in Wien (1971-1975), kam nach einem längeren beruflichen US-Aufenthalt nach Wien zurück und ist seit Februar 1998 in zweiter Ehe mit Désirée Treichl-Stürgkh, 47, verheiratet und hat drei Kinder. Treichls Frau leitet den Wiener Opernball. „Geldadel küsst Aristokratie“, so das österreichische Magazin NEWS im Februar 2012 in einer Cover-Story über das mächtige Paar, er – Banken-Chef und sie – Opernball-Mutter. Seit Juli 1997 ist Andreas Treichl Generaldirektor der ERSTE Bank der österreichischen Sparkassen AG. Seither leitet Treichl den Umbau der bis dahin nur lokal agierenden Sparkasse zur führenden Privatkundenbank durch zahlreiche internationale Akquisitionen. 2005 erfolgte die Akquisition der Banca Comercială Română (BCR), welche im Dezember 2011 insgesamt 9245 Arbeitskräfte beschäftigte. Dadurch wurde die ERSTE Bank Marktführer in Rumänien. Ein Jahr später führte Andreas Treichl die bis heute größte Kapitalerhöhung Österreichs (EUR 2,9 Milliarden) zur Finanzierung des Kaufs der BCR durch.

Ein Bankier wie Herr Treichl ist ein sehr beschäftigter Mann, somit fand das Interview nur in elektronischer Form statt. Die ADZ schickte bereits Mitte Januar 2012 dem Vorstandsvorsitzenden der ERSTE Group Bank AG und Vorsitzenden des BCR-Aufsichtsrates mehrere Fragen. Andreas Treichl hat die Fragen schon selbst beantwortet, hat sich jedoch Zeit gelassen, um über sein Finanzinstitut am rumänischen Standort, über sein Treffen mit Staatspräsident Traian Băsescu („Natürlich freut man sich als Banker, wenn man von der Politik auch einmal gelobt wird“), aber auch über seinen am 1. April antretenden neuen Chef der BCR, Tomas Spurny, 46-jährig, Ex-Geschäftsführer der Budapester CIB Bank, Teil der italienischen Banca Intensa SanPaolo Gruppe, zu schreiben. Ob sich Konflikte besser, weil „emotionsfreier“ in einer Fremdsprache lösen lassen, so Treichl, wird die Belegschaft der Bank sagen können. Da die englische Sprache als Umgangssprache und eben nicht nur als Fremdsprache für fast alle Beteiligten in der Bukarester BCR gilt, wird das Konfliktmanagement möglicherweise dem neuen CEO der BCR noch gewissen Kummer bereiten! Außerdem wurde die ADZ ausdrücklich gebeten, eine Frage zu streichen, wo es darum ging, ob Tomas Spurny das rumänische Haus besenrein kehren müsse. Darauf gibt es keine Antwort von Herrn Treichl, so Michael Mauritz, Leiter der Konzernkommunikation, bei dem sich die ADZ für die Vermittlung des Textes sowie eines Fotos von Andreas Treichl bedankt. Die Fragen stellte für die ADZ Peter Lenz.

Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge, halten die österreichischen Banken ein Rumänien-Exposure von 29 Milliarden Euro. Somit haben die Banken im dritten Quartal 2011 das potenzielle Risiko um 1,9 Milliarden Euro reduziert. Laut Nicolae Cinteza, Direktor bei der Rumänischen Nationalbank BNR, wurde bis Ende 2011 nur eine halbe Milliarde Euro abgezogen. Laut der rumänischen Wirtschaftszeitung „Ziarul Financiar“ vom 4. Februar 2012 wird Ihre Bank zitiert, indem sie die Aussagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich für falsch erklärt. Bleibt Ihr Institut mit einem Marktanteil von 20,7 Prozent (Mitte 2011) 2012 weiterhin der wichtigste Kreditgeber Rumäniens?
Rumänien ist einer unserer wichtigsten Märkte. Wir haben gerade unser Engagement in diesem Land verstärkt, indem wir die Anteile an der BCR erhöht haben. Die Zahlen der BIZ sind Momentaufnahmen. Unser Kredithahn in Rumänien ist weiter offen. Unsere Kernaufgabe als Bank ist es, der Wirtschaft Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen oder Risiko zu übernehmen. Das taten wir in der Vergangenheit und das tun wir auch in der Zukunft. Und besonders in Rumänien, weil wir der Überzeugung sind, dass dieses Land für die Europäische Union ein ganz wichtiger Wachstumsmotor sein wird. Dazu bedarf es zwar noch einiger Hausaufgaben, wenn diese aber erledigt sein werden, dann – bin ich überzeugt – wird Rumänien den anderen Ländern der EU zeigen, was es heißt, ein Wachstumsmarkt zu sein. Ich bin als Banker lieber in Rumänien aktiv als in Portugal oder Belgien. Diese Länder brauchen keine Autobahnen mehr oder Industrieanlagen. Das haben sie alles schon. Und was ihre Frage betrifft: Wir haben derzeit das höchste Engagement in Rumänien, was die Kreditvergabe aber auch unser Eigentum an der BCR betrifft. 

Am rumänischen Markt waren am Jahresende 2011 ungefähr 16 Prozent der Banken mit rumänischem Kapital (Banca Transilvania, CEC Bank, Carpatica, Eximbank), die Griechen hielten ungefähr 12 Prozent, das österreichische Bankkapital bildete stolze 38 Prozent Marktanteil. Die Finanzkrise hat den Appetit der Banken, somit auch Ihrer BCR, an der Gewinnung neuer Marktanteile deutlich gesenkt. Wofür sind eigentlich Banken da, nur um immer attraktivere Bilanzen für die Aktionäre, eventuell durch entsprechend medienwirksame Begleitung zu liefern oder um sich auch über die Finanzierungsschwierigkeiten der Kundschaft den Kopf zu zerbrechen und dieser Lösungen anzubieten?
Ich weiß, was Sie hier ansprechen. Natürlich ist es vor allem die Aufgabe der Banken, die Realwirtschaft zu unterstützen. Und wenn Sie sich unsere Bilanz ansehen – und das gilt auch für Raiffeisen oder die Bank Austria –, dann werden Sie sehen, dass 90 Prozent der Bilanz aus der Realwirtschaft kommen. Wir Banken haben ein Imageproblem. Ja, das ist richtig. Es ist aber auch sehr einfach, mit populistischen Tönen gegen die Finanzwirtschaft Stimmung zu machen. Wir müssen als Banken wieder mehr auf die Kunden zugehen und auch viel mehr tun, um den Kunden die Zusammenhänge in der Finanzwirtschaft klarer zu machen. Und weil Sie das Thema „Lösungen“ ansprechen. Wir sind wahrscheinlich der einzige Dienstleister, der seinen Kunden immer öfter „Nein“ sagen muss. Wir müssen unseren Kunden sagen: „Nein, Sie können sich den Kredit nicht leisten. Sparen Sie zuerst und reden wir dann noch einmal“. Das hilft der Imagebildung natürlich auch nicht. 

Im November 2011 hatte die österreichische Notenbank im Rahmen eines Pakets „zur Stärkung der Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle“ heimischen Banken in Osteuropa nahegelegt, sich 2012 vorwiegend aus lokalen Einlagen zu finanzieren und maximal 110 Euro auf 100 Euro Einlagen zu vergeben. Hat da die österreichische Notenbank mindestens einen Kommunikationsfehler in der Öffentlichkeitsarbeit begangen? War, Ihrer Meinung nach, der damit ausgelöste Kummer bei den Entscheidungsträgern am rumänischen Standort verständlich oder nicht?
Ich verstehe den Kummer und hoffe, dass wir Grund zur Annahme haben, dass solche Überlegungen in Zukunft auf breiterer Basis diskutiert und letztlich entschieden werden. Sie haben das sehr gut analysiert. Das Problem, das ich im Moment generell sehe ist, dass die Entscheidungsträger zu wenig miteinander reden. Die Politik, die Banken und die Regulatoren müssten sich zusammensetzen und gemeinsam Entscheidungen treffen. Jetzt geht es darum, der Wirtschaft und den Konsumenten Sicherheit für Investitionen und Zuversicht für die Entwicklung der Wirtschaft zu geben.

Ende Januar 2011 ist es Ihnen gelungen, mit Staatspräsident Traian Băsescu in Bukarest ein Gespräch über die langfristigeren Vorhaben der Erste Bank in Rumänien zu führen. Sie versicherten dem rumänischen Staatspräsident dabei, dass Rumänien für die Erste Bank weiterhin „ein sehr wichtiger Markt ist“, auf dem man weiterhin „voll engagiert“ sei. Sie werden wie folgt zitiert: „Wir sind völlig überzeugt weiterzumachen“. Darauf hat Ihnen der rumänische Präsident Rosen gestreut, um einen Aufmacher aus der österreichischen Presse zu erwähnen. War dieses Presseecho eine erfreuliche Nachricht für Sie?
Natürlich freut man sich als Banker, wenn man von der Politik auch einmal gelobt wird. 

Darf ich fragen, wie Sie genau gedenken, mit Ihrem Institut „weiterzumachen“ in Rumänien? Wie lautet Ihre diesbezügliche Botschaft für den kleinen rumänischen Anleger?
Die BCR ist und wird die wichtigste Bank des Landes bleiben. Wir wollen im Kundenservice besser werden. Darum kümmert sich nun Martin Skopek (bereits 2006-2010 für den Retail im Vorstand der BCR zuständig, P.L.) und auch in der Abwicklung wissen wir, dass wir noch nicht den Servicestand erreicht haben, den wir erreichen wollen.

Anfang Februar 2012 ist es Ihnen auch gelungen, eine relativ heikle interne Personalangelegenheit Ihrer BCR souverän zu erledigen. Tomas Spurny wird Dominic Bruynseels als Geschäftsführer Ihres Hauses in Bukarest ab April 2012 für zwei Jahre ersetzen. Beide sind Top-Bankiers, beide nicht rumänischer Herkunft. Beide sind Ihre Auswahl! Warum konnten Sie keinen Rumänen für die höchste Stelle der heimischen BCR auswählen? War niemand bereit oder keiner dazu wirklich begabt?
Wir haben als Erste Group ein tolles Management-Team. Wir sind eine Gruppe, die im östlichen Teil der Europäischen Union aktiv ist. Und was wir versuchen, ist genau das, was diese Region tun muss. Gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Wir sind leider immer noch in diesen nationalen Denkmustern verstrickt. Es geht doch nicht darum, wo eine Zentraleuropäische Börse angesiedelt ist, sondern dass wir gemeinsam an einer arbeiten, um der gesamten Region einen Vorteil zu verschaffen. Wir haben einen Tschechen, der die Bank in der Ukraine führt, wir haben eine Österreicherin, die in der Slowakei lange die Chefin gewesen ist, ein Amerikaner hat die tschechische Tochter geleitet, dann ein Österreicher und jetzt – nach zwölf Jahren – ein Tscheche. Es geht um die Qualifikation und nicht um die Muttersprache. Und wir haben sehr viele Rumänen, die bei uns in der Gruppe an wichtigen Positionen sitzen und einen tollen Job machen. Es gibt viele sehr begabte Banker aus Rumänien, die auf der ganzen Welt arbeiten. Natürlich haben wir ein großes Interesse daran, dass sie wieder in ihre Heimat zurückkommen. Herr Manea (Sergiu Manea, 30-jährig, neuer BCR-Vorstand, zuständig für Großkunden und treasury, P.L.) ist dabei nur ein Beispiel.

Spurnys Berufung sollte zum Konfliktmanagement im unternehmerischen Kontext führen? Ist er der Landessprache mächtig?
Erstens ist die Fremdsprachenkenntnis in Rumänien ausgezeichnet und zweitens lassen sich manche Konflikte in einer Fremdsprache besser (weil emotionsfreier) lösen. Da sehe ich kein Problem.

Ein zentrales Thema der firmeneigenen Klausur im März ist das Thema des zentralen versus dezentralen Steuerungsansatzes im Haus sein. Indem die profitable Ceská Sporitelna relativ geringe Eigenkompetenzen hat, besitzt Banca Comercială Română, als Retail Bank, einen hohen Grad an Eigenständigkeit. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit Ihren Banken in Bukarest und Budapest, bezogen auf das sogenannte large corporate-Bankengeschäft, plädieren Sie weiterhin für die sogenannte „Politik der freien Hand“ für die BCR?
Das werden die tschechischen Kollegen gar nicht gerne hören! Und so ist es auch nicht. Wir haben in all unseren Ländern die SME- und Retailkompetenz vor Ort belassen. Und das ist auch richtig so. Der Kundenberater vor Ort muss entscheiden, der einen Bezug zum Kunden oder der Region hat, und nicht jemand in Wien. Hingegen haben wir das Risikomanagement oder auch das von Ihnen angesprochene Großkundengeschäft in der ganzen Gruppe zusammengefasst. Das hat sich bewährt und das werden wir auch beibehalten.

Seit Mitte Januar 2012 hat Rumänien einen neuen Ministerpräsidenten. Pflegen Sie regelmäßigen Kontakt zur rumänischen Regierung? Kennen Sie Herrn Mihai Răzvan Ungureanu persönlich?
Als größte Bank des Landes ist es klar, dass man auch mit der Politik ein korrektes Verhältnis pflegt. Ja, ich kenne den neuen Premierminister, und wie gesagt, der Dialog mit der Politik ist sehr wichtig.

Hat die wirtschaftliche Schwäche des Landes und damit verbunden die Armut in Rumänien auch mit dem schwachen Engagement des gesamten Bankensektors in den letzten Jahren (z. B. was die Kreditvergabe an rumänische KMU anbelangt) zu tun?
Die Armut ist ein ganz wichtiges Problem, das man lösen muss. Je stärker der Mittelstand in einer Gesellschaft ist, umso weniger kommt es zu sozialen Spannungen, die sich ja irgendwo entladen müssen. Und dazu können wir als Banken natürlich einen Beitrag leisten, indem wir durch Kredite Investitionen und somit indirekt Arbeitsplätze schaffen.

Lucian Croitoru, Ökonom der Rumänischen Nationalbank, meinte, „die Absorption der EU-Strukturmittel ist enttäuschend“. In Zeiten, in denen die privaten Kapitalzuflüsse in Richtung Bukarest sich verringert haben, sind auch Sie der Meinung, dass die Regierung neue Rahmenbedingungen schaffen sollte, um erhöhte EU-Mittel anzuziehen? Ist da die Korruption in Rumänien vielleicht auch ein Hindernis?
Ich denke, die Regierung hat dieses Problem erkannt und kümmert sich mit großer Kraft darum. Die BCR ist dabei ein Partner, denn wir haben ja auch in anderen Ländern in dieser Beziehung große und gute Erfahrungen gesammelt.