LESERBRIEF: Es bedarf des gegenseitigen Respekts

Zu dem Artikel „arme“ und reiche rumänische EU-Parlamentarier

Symbolfoto: sxc.hu

In einem Artikel unter der Rubrik Meinung und Bericht vom 16. März 2012 widmet sich Herr Werner Kremm den rumänischen EU-Parlamentariern. Der Artikel bedarf des Kommentars, denn er weist auf einige Probleme des Journalismus im Umgang mit der Politik.

Der Autor ist offenbar ein glühender Kritiker der Liberaldemokratischen Partei. Die Abgeordneten dieser Partei werden mit harschen Attributen wie „nicht unbedingt intellektuelle Leuchte“ (Elena Băsescu), „sich durch nichts als den Kontostand hervorgetan“ (Jean Marian Marinescu), „janusköpfig ( Traian Ungureanu) „PNL-Verräter“ (Theodor Stolojan) und „Ex-Justiz-Sauberfrau“ (Monica Macovei) vorgestellt. Demgegenüber wird der EU-Abgeordnete Adrian Severin, der zuletzt dem Ansehen Rumäniens in Europa nicht dienlich war, mit Attributen wie „verdienstvoll“, „gut informierter Vollblutpolitiker mit ausgewogenen Ansichten“ und „Arbeitstier“ versehen. Offenbar sind die politischen Sympathien des Autors eindeutig verteilt und er fühlt sich berufen, diese Ansichten einem breiten Publikum zu vermitteln. Muss das aber in einer Tageszeitung sein? Doch wohl eher in einer Parteizeitung oder in einem persönlichen Blog. Überdies lässt die ADZ den Leser im Unklaren darüber, ob der Artikel unter die Rubrik Bericht oder Meinung fällt. 

Als Leser will ich mich über die Politik des Landes informieren, nicht über die politischen Überzeugungen des Journalisten. Überdies hat der Autor in seinem politischen Eifer nicht ganz sauber recherchiert. So hat Theodor Stolojan die PNL nicht verraten, sondern wurde von dieser herausgeworfen. Und Jean Marian Marinescu zählt zweifellos zu den einflussreichsten rumänischen Europaabgeordneten.

Der Artikel von Herrn Kremm wirft ein Licht auf die problematischen Beziehungen zwischen Medien und Politik und Journalisten und Politikern, wie sie leider typisch für die rumänische Medienlandschaft sind, für die ADZ aber nicht sein sollten. Journalisten in diesem Land neigen dazu, sich über die Politik und deren Vertreter zu erheben, sie in Talk-Shows anzuschreien und in Artikeln zu erniedrigen. Nun glaube auch ich nicht, dass jeder rumänische Politiker aus purem Altruismus in die Politik gegangen ist. Politik bedarf deshalb nicht nur in Rumänien der Kontrolle, insbesondere auch durch die Medien. Investigativer Journalismus und Pressefreiheit sind wesentliche Bestandteile funktionierender Demokratien. Aber auch diese Freiheit bedarf einer verantwortlichen Nutzung. Politiker unter Generalverdacht zu stellen und verbal auf sie einzuprügeln widerspricht einer solchen Verantwortung. Solcher Journalismus schwächt das ohnehin geringe Vertrauen in die Politik – und darunter leiden auch jene rumänischen Politiker, die ihre Aufgabe ordentlich machen. Solcher Journalismus schwächt aber auch das Vertrauen der Mediennutzer in die Journalisten, die von vielen Menschen in diesem Land nicht als verlässliche Quelle für Informationen erachtet werden. So sägen viele Journalisten an den Ästen, auf denen sie sitzen.

In den Lehrbüchern der Kommunikationswissenschaften wird das Verhältnis von Journalisten und Politikern als eine Art Symbiose, eine gegenseitige Abhängigkeit beschrieben. Politiker brauchen für ihre Arbeit Öffentlichkeit – über die Journalisten – und Journalisten brauchen für ihre Arbeit Informationen – von den Politikern. Damit das funktioniert, bedarf es des gegenseitigen Respekts.