Maisbrei ohne Extrawürste

Dänemarks Botschafter Michael Sternberg: EU-Präsidentschaft muss sich auf das Wesentliche konzentrieren

Anlässlich der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Dänemark am 1. Januar 2012 fand Dienstag eine Pressekonferenz in der Vertretung der EU-Kommission in Bukarest statt. Der dänische Botschafter Michael Sternberg präsentierte die Prioritäten für die dänische EU-Präsidentschaft. Außenminister Teodor Baconschi und Europaminister Leonard Orban äußerten sich zur Position Rumäniens.
Sternberg bezeichnete die Zeit des dänischen Präsidentschaftsantritts als eine kritische für das Fortbestehen Europas. Von daher müsse man sich auf das Wesentliche konzentrieren, das sich in vier Punkten zusammenfassen ließe:

Ziel 1: Ein finanziell stabiles Europa

Dies sei nur möglich, wenn die Wirtschaft langfristig wieder höhere Wachstumsraten erreiche, denn Europa könne seinen Schuldenhaufen nicht allein durch Budgetkürzungen und Steuererhöhungen abbauen. Die dänische Präsidentschaft wolle sich daher auf Strukturreformen, Budgetdisziplin und strengere Regeln im Finanzsektor konzentrieren.

Ziel 2: Ein wirtschaftlich einiges Europa

Vor dem Wettbewerbsdruck von Ländern wie China, Indien und Brasilien sei eine stärkere Vereinheitlichung des europäischen Marktes unumgänglich. Die vergangenen 20 Jahre hätten gezeigt, dass der einheitliche Markt ein großer Erfolg sei. Allein in der ersten Dekade seien 2,5 Millionen Jobs entstanden, die zu einem Gewinn von 900 Billionen Euro führten – im Klartext bedeutet dies 6000 Euro pro Familienhaushalt. Die schnelle Entwicklung neuer Technologien erfordere jedoch eine Erweiterung und Digitalisierung des gemeinsamen Marktes. Wichtig sei aber auch eine Reduzierung der Bürokratie für Klein- und mittelständische Unternehmen.

Ziel 3: Ein fortschrittliches, grünes Europa

EU-Fonds sollen trotz Krise verstärkt in zukunftsträchtige Bereiche wie Forschung und Entwicklung, Ausbildung, Energiemanagement und grüne Technologien fließen. Im Hinblick auf die Förderung grüner Energien bekannte der Botschafter, dass wohl viele Mitgliedsstaaten die dänische „grüne“ Haltung  „als exotisch und belastend für die Industrie“ empfänden. Wenn man den hohen Lebensstandard jedoch langfristig halten wolle, könne man es sich nicht leisten, kurzfristig zu denken. Die nahe Zukunft sei von internationalem Wettbewerbsdruck auf den Energiesektor geprägt, bei weltweit abnehmenden Ressourcen. Daher sei es unumgänglich, trotz Finanzknappheit in erneuerbare und grüne Energien zu investieren. Zudem werden diese in Kürze zur Entstehung neuer Berufsbilder führen – zum Beispiel in  der Solarenergie, der Entwicklung moderner Windmühlengenerationen, neuer Bio-Treibstoffe oder der Nanotechnologie – und damit auch zu Jobchancen für die 22 Millionen Arbeitslosen in Europa. Qualifizierte Jobs, die sonst an die USA, China, Brasilien oder Indien fallen!

Ziel 4: Ein sicheres Europa

Der arabische Frühling Anfang letzten Jahres, als Tausende nordafrikanische Flüchtlinge nach Europa drängten, zeigte, dass eine Revision der Schengen-Regeln unumgänglich sei. Konkret wolle man  die Einführung eines europaweiten Suchbefehls im Rahmen der polizeilichen Fahndung vorantreiben und sich für die Durchsetzung des geplanten gemeinsamen Asylsystems (CEAS) bis Ende 2012 einsetzen. Zum Schengen-Beitritt Rumäniens äußerte sich der dänische Botschafter nur theoretisch positiv – Rumänien sei auf dem besten Weg und man werde auf jeden Fall das erneute Gespräch mit den Niederlanden suchen – die Chancen einer Umstimmung seien jedoch gering.

Baconschi und Orban: Unterstützung trotz Frust

Außenminister Baconschi bekräftigt eine unterstützende Haltung Rumäniens in Bezug auf die vier Schwerpunkte der dänischen EU-Präsidentschaft. Er betonte jedoch die Widersprüchlichkeit des Bestrebens, die einheitliche Marktzone erhalten zu wollen, gleichzeitig aber die Basis für einen solchen dynamischen Markt, die berufliche Freizügigkeit, für einzelne Mitglieder einzuschränken. Er plädierte dafür, die Erweiterungspolitik der EU nicht von der momentanen Krise unterminieren zu lassen. Auch Europaminister Orban sprach sich vehement gegen die Meinung einiger Kräfte aus, ein Europa mit 27 gleichberechtigten Staaten sei zu groß und man müsse einen Teil vom „Kern“ absondern, für den dann eingeschränkte Rechte und andere Regeln gelten sollen. Als unverständlich kritisierte er die in vergangenen Diskussionen mit der EU-Kommission zwischen den Zeilen übermittelte Nachricht, Rumänien hätte zwar theoretisch die Bedingungen für den Schengen-Beitritt erfüllt, die Verzögerung sei auf interne strukturelle Probleme des Schengen-Systems zurückzuführen. „Wie sollen wir das verstehen?“

Der dennoch zarte Anflug von Optimismus, der sich in Anbetracht der klar formulierten dänischen Ziele beinahe hätte einstellen können, wurde am Ende von einer schlichten Frage zurechtgerückt. „Gibt es Pläne für Kulturprojekte?“, wollte der Vertreter eines Kultursenders wissen. Schweigen im Saal. Dann ein Räuspern. Der dänische Botschafter greift zum Mikrofon: „Wir haben es mit einer ‘M²m²lig²’-Präsidentschaft zu tun“, erklärt er schmunzelnd und stellt klar: „Es gibt kein Geld für irgend etwas anderes als striktes Krisenmanagement!“. Ob der Maisbrei reicht, das hungrige Kind am Leben zu erhalten? Extrawürste, soviel ist klar, sind im Moment nicht drin.