„Man hat die Möglichkeit, schön zu träumen“ / „Es geht uns gut!"

Gespräch mit Intendant Lucian Vărșăndan zu 25 Jahren am DSTT anlässlich des 70. Jubiläums des Hauses

Damals, als Vărșăndan 2007 Intendant wurde, und heute Fotos: DSTT/Ovidiu Zimcea

Das Archiv und die Plakate, die stillen Zeugen düsterer Zeiten: Wegen Einreichung des Ausreiseantrags musste die Besetzung kurzfristig geändert werden. Der Regisseur ließ das nicht mit sich machen und ging auch. Wegen knapper Kasse gab es keine neuen Plakate, sondern Schriftzüge, die auf das Original geklebt wurden. Foto: DSTT

Das Stück „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ ist ein Theaterstück des amerikanischen Dramatikers Eugene O’Neill, das 1957 mit dem Pulitzer-Preis für Theater sowie dem Tony Award ausgezeichnet wurde und auf Vorschlag Vărșăndans in die „Spielzeit 20. Jahrhundert“ aufgenommen wurde. Foto: DSTT

Fünf Premieren, drei Wiederaufnahmen, standen oder stehen in der Spielzeit 2023-2024 auf dem Programm des Deutschen Staatstheaters Temeswar. Dieses gibt es in Temeswar seit über 70 Jahren und das soll vom 27. bis 29. Juni mit einer Jubiläumsveranstaltungsreihe gefeiert werden. Das Geschehen auf und hinter der Bühne des DSTT gestaltete und bestimmte Lucian Manuel Vărșăndan zunächst als Dramaturg und dann als Intendant in den letzten über 25 Jahren mit. Zum Jubiläum gilt es, ein bisschen Rückschau zu halten. So sprachen Tatiana Sessler und Benjamin Neurohr mit ihm über Geschichte und Gegenwart Vărșăndans am einzigen Deutschen Staatstheater Rumäniens.

Sie sind seit 2007 mit einigen Unterbrechungen Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar. Was motiviert Sie?

Die Aufgaben, die man in dieser Situation hat und die Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Amt, welches kein leichtes ist. Man hat die Möglichkeit, schön zu träumen und zusammen mit dem Team und mit der Belegschaft des Deutschen Staatstheaters, die etwa 100 Menschen umfasst, zu versuchen, diese Träume Wirklichkeit werden zu lassen.

Sie seien angesichts Ihrer Fachausrichtung ein Quereinsteiger ins Theatermanagement, hat man Ihnen irgendwann sogar vorgeworfen, aber Sie haben seit 1999 im Theater als Dramaturg gearbeitet. War das eigentlich ein Vorteil, eine Sicht von außen zu haben?

Erst einmal muss ich die Ansicht zurückweisen, dass ein ausgebildeter Germanist an einem Theater ein Quereinsteiger ist. Es stimmt, dass an vielen Theatern Direktoren in der Regel aus dem theaterpraktischen Bereich kommen, also sind es Schauspieler oder Regisseure, auch Bühnenausstatter, an Musiktheatern Dirigenten oder Solisten. Ob es denn vorteilhaft war, dass ich aus der Literatur- und Theatertheorie kommend und nicht aus der Praxis diese Stelle besetzt habe, ich würde sagen, ja. Es war auch vorteilhaft, dass meiner Amtszeit etwa siebeneinhalb Jahre Dramaturgiezeit vorangegangen war. Denn als Dramaturg ist man in der Situation, dass man einen Gesamtblick auf das Theater entwickelt, dass man bei den Repertoire-Vorschlägen, bei den Überlegungen über die Ausrichtung des Theaters schon eine starke Bedeutung dem Ensemble in seiner Vielseitigkeit zuspricht. Die letzten erfolgreichen Intendantinnen dieses Hauses, die Jarcsek-Schwestern, haben eher ihre schauspielerische Tätigkeit, so empfinde ich das, ein bisschen in den Hintergrund rücken lassen oder zumindest gegen Ende ihrer Amtszeit, dann weit unter ihrem schauspielerischen Potenzial gespielt.

Waren die Jarcsek-Schwestern für Sie auch Vorbild?

Ja, durchaus. Wobei sie auch als Personen, als Direktorinnen, als Kolleginnen unterschiedlich waren. Wahrscheinlich auch gerade deswegen, fand ich, dass sie sehr wichtig waren, es noch sind, für das, was das Deutsche Theater bedeutet. Und wenn man sich so ihr Lebenswerk anschaut, denn wie kann man sonst so eine Arbeit bezeichnen, dass man über Jahrzehnte einem Hause treu geblieben ist, dass man sich dann um die deutschen Schauspielklassen bemüht hat, verpflichtet das auch. Das bedeutet auch, nicht nur, dass dieses Theater einen sehr starken Überlebenswillen hat und dass es entsprechend stark ist, sondern auch, dass solche Lebenswerke entsprechende Achtung verdienen.

Und da gibt es noch etwas, was ich von beiden gelernt habe und was ich auch geschätzt habe an der jeweiligen Beziehung: Die inhaltliche Auseinandersetzung über den Weg, den das Theater einschlagen soll, über Spielplanpositionen, die Gestaltung von Spielzeiten, das war in der Zusammenarbeit mit ihnen beiden eine sehr große Bereicherung für mich, beruflich, aber auch menschlich. Da hat man tatsächlich gespürt, man zieht an einem Strang, da gab es keine anderen Prioritäten oder keine anderen Zielsetzungen. Da ging es nur um dieses Haus.

Ja, das war bereichernd. Wahrscheinlich wäre dieses Haus heute, sollte es das Theater überhaupt noch geben, auch ein ganz anderes gewesen, wenn es sie nicht gegeben hätte. Und was würdigend hinzugefügt werden muss, ist die Tatsache, dass beide ausgezeichnete Schauspielerinnen sind, beziehungsweise war im Falle Ildikos. Oft heißt es, ja, man ist entweder ein guter Leiter oder ein guter Künstler. Aber im Falle beider kann man sagen, dass die künstlerische Leistung der Tätigkeit als Direktorin nichts nachsteht.

Wenn ich zurückdenke, noch in den Endneunzigern, mit welchen Schwierigkeiten dieses Theater zu kämpfen hatte, dann ist das aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar. Es waren finanzielle Nöte, immer noch, es gab Schwierigkeiten unterschiedlicher Art mit dem Aufführungssaal, das Ensemble war zahlenmäßig nicht so stark usw. Auf der anderen Seite gab es eine gewisse Schlichtheit und eine bessere und einfachere, etwas übersichtliche Organisation, die ich manchmal vermisse. Heute ist der Theaterbetrieb manchmal überbürokratisiert und die Verwaltung nimmt viel Zeit und Energie in Anspruch. Eine Frage, auf die ich keine Antwort habe, ist, ob man vielleicht durch diese Einfachheit doch nicht manchmal zumindest näher an die Essenz rankam. Heute gibt es schließlich viele Versuchungen auch im Theater: Dass man ständig Inszenierungen macht, die auch einen innovativen Charakter aufweisen, dass man Videokunst miteinbaut, dass man neue Theatermittel einsetzt, dass man koproduziert usw. Und da läuft man manchmal Gefahr, bei dieser ganzen schönen und marketingeffizienten Verpackung, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.

Ja, das war eine schöne Zeit mit den Intendantinnen, eine sehr intensiv gelebte Zeit, die Zeit des Umbruchs, der neuen Weichenstellung. Man bringt als junger Mensch auch seine eigene Energie in so einen Betrieb mit hinein oder man versucht auch eigene Standpunkte durchzusetzen. Ildiko Jarcsek-Zamfirescu habe ich mal vorgeschlagen, man müsse einen erweiterten künstlerischen Beirat ansetzen, wo man sich austauscht, berät, dass man sich mit Inhalten auseinandersetzt, Verbesserungs- oder Änderunsvorschläge einbringt. Oder die Tatsache, dass man darauf eingegangen ist, auf meinen Vorschlag hin, im ersten Jahr des neuen Jahrhunderts, im Jahr 2001, relevante Texte aus der Dramatik des soeben verstrichenen Jahrhunderts ins Repertoire aufzunehmen. Oder: Ida und ich sind, nachdem sie Intendantin wurde, nach Hermannstadt gegangen, um uns die Lizenzinszenierung des Radu Nica an der deutschen Abteilung anzusehen. Das war auch der Beweggrund, dass dann Ida an Radu Nica eine Einladung ausgesprochen hat, um hier zu inszenieren und daraus ist „Feuergesicht“ entstanden, eine sehr schöne Inszenierung, sehr treffend und feinfühlig und mit Szenen äußerster Raffinesse, mit Georg Peetz, Isolde Cobeș und mit den damals noch sehr jungen Schauspielern Ioana Iacob und Alex Mihaescu. Und auf dem Rückweg, im Zug zwischen Hermannstadt und Temeswar, haben wir das Programm für die nächste Spielzeit besprochen. Da ging es eben um mögliche Stückoptionen, um Schwerpunkte, um mögliche Regisseure, die in Frage kämen usw. Als wir dann in Temeswar ankamen und der Zug im Temeswarer Nordbahnhof einfuhr, da habe ich es noch vor Augen, hat Ida ihren Notizblock zugemacht und hat gesagt: „So, und jetzt hätten wir dann diese Spielzeit besprochen.“ Das war der Ausgangspunkt für eine Programmentwicklung, die ich als sehr wertvoll betrachte. Es war dann eine Spielzeit, wo wir einen ersten Shakes-peare gemacht haben, nach langer Zeit: „König Cymbelin“ unter der Spielleitung von Alexander Hausvater, mit dem wir nach längerer Zeit wieder im Nationaltheater Bukarest präsent waren, oder „Die Stühle“ von Ionesco, inszeniert von Viktor Ioan Frunză, mit der Ausstattung der Adriana Grand, die für diese Ausstattung auch den UNITER-Preis bekommen hat.

Wie hat das totgesagte Deutsche Staatstheater Temeswar überlebt?

Es ist wahrscheinlich so, dass die Theaterabteilung beim lieben Gott dieses Theater doch sehr lieben muss, wenn man trotz Schwierigkeiten und Brüchen merkt, wie sich doch im Laufe der Zeit, manchmal über große Zeitabstände, gewisse förderliche Umstände zugunsten dieses Theaters gefügt haben: Zum einen die langjährige Präsenz und das Wirken künstlerisch wie in leitender Funktion der Ildiko Jarcsek-Zamfirescu und der Ida Jarcsek-Gaza, wo beide beschlossen haben, ent- gegen der Wünsche der meisten anderen Deutschen in Rumänien nicht auszuwandern; dass dieses Theater im Jahre 1956 schon ein eigenständiges Theater wurde, das ist von immenser Bedeutung. Man wird sich, so oft die Rede darauf kommt, und sie kommt leider immer wieder, dass man spart, dass man zusammenlegt, dass man eine Abteilung irgendwessen wird, mit allen Mitteln dafür einsetzen und dafür kämpfen müssen, dass dieses Theater seine eigene Rechtspersönlichkeit beibehält.

Eine weitere Überlebenschance gewannen wir dadurch, dass es in all diesen Jahren, und es sind jetzt über 20 Jahre, eine sehr gute Beziehung gegeben hat zur Lenau-Schule, die theaterpädagogische Arbeit, die Schultheaterbewegung und die bekannten, berühmten, beliebten Nils. Das ist mittlerweile so eine Symbiose, dass die Existenz des Theaters an sich ohne diese Bewegung nicht mehr vorstellbar wäre. Es ist eine begeisterte Arbeit, obzwar sie auch keine leichte Arbeit ist, mit Hunderten von Schülern im Laufe der Jahre, Aufführungen, Festivals, mit den Ausfahrten dieser Jugendlichen; und einige Menschen dieser Gemeinschaft sind schon seit Jahren unsere Kollegen. Andere sind Schauspieler in anderen Theatern. Und andere sind dann in ihrem ganzen Lebensweg dadurch geprägt, egal wo sie wirken und in welchen Berufen, dass sie einen ganz anderen Draht zu dieser ganz besonderen Ideen- und Gefühlswelt des Theaters bekommen. Das ist überhaupt nicht wenig, geschweige denn, dass all die Früchte dieser Arbeit im Dienste und mit den Mitteln eines deutschsprachigen Theaters und eines Berufstheaters zur Geltung kommen.

Wie kam Ihre Liebe zum Theater zustande?

Die Liebe zum Theater kam eigentlich durch die benachbarte Einrichtung, durch die Oper, zustande. Ich habe als Kind, dank der Familie, allen voran dank meiner Großmutter väterlicher-seits und meiner Mutter, sehr oft die Oper besucht. Im Durchschnitt sechs bis acht Mal pro Monat: Oper, Operette, Ballett, Musical, alles, sogar die Pflichtstücke habe ich gesehen, die zeitgenössischen Musikwerke mit sozialistischer Thematik. Wir sprechen von den 80er Jahren, wo in vielfacher Hinsicht das Musikleben der Stadt und das Programm der Oper beachtlich war. Und das ging so acht Jahre lang bis zur Wende. Die Oper war ein Leuchtturm in meiner Kindheit. Das war immer ein Erlebnis. Es schien die schöne, glänzende Welt zu sein, im Gegensatz zu der tristen Welt außerhalb der Theatermauern. Die Oper und die Lenau-Schule, die haben mich nachhaltig als Mensch geprägt. Es kam eine wirtschaftlich schwere Zeit, obzwar sie im Kulturbetrieb, sollte ich später erfahren, auch vor der Wende schwer war. Die Einrichtungen mussten einen beträchtlichen Anteil ihres Haushalts einspielen. Aber nach der Wende war es dann gerade für die Oper umso schwieriger, als viele einheimische, gute Solisten die Möglichkeit genutzt hatten, um ins Ausland zu kommen. Und dann hatte die Oper eine Zeit lang nicht mehr den Glanz, den sie in meinen Augen davor gehabt hatte. Ich bin dann vermehrt auch ins Sprechtheater gegangen, ins Deutsche hauptsächlich. Ich kannte schon das Deutsche Theater aus der Zeit vor der Wende. Ich war als Schüler da, hatte Märchenstücke besucht. Was ich spannend an dieser Welt finde, ist die Tatsache, dass man Geschichten auf die Bühne bringt. Später, als ich hier arbeiten sollte, gab es im Theater irgendwie immer die Faszination der Arbeit an einem Haus, das in den 90er Jahren schon totgesagt worden war. Und ich bin ein dickköpfiger Skorpion und mein Ehrgeiz war ein bisschen auch damit verbunden. Selbst heute hat der eine oder andere Erfolg für mich oder für manchen vielleicht noch älteren Kollegen ein bisschen so noch die Konnotation dessen, dass man sagt: „Wir haben es wieder der Welt oder den Menschen um uns herum gezeigt, dass es das Theater gibt und nicht nur, dass es es irgendwie gibt, sondern auch, dass es ankommt“, dass man ein bisschen auch den Fortbestand des Theaters mitfeiert. Die jüngeren Kollegen können das so nicht nachvollziehen, denn sie haben mittlerweile nur die Zeit erlebt, wo sich hier die großen Namen der Regie die Klinke reichten.

Beeinflussen Ihre persönlichen Vorlieben das Repertoire?

Nein. Wobei gesagt werden muss, dass dieses Haus im Hinblick auf die Repertoireauswahl kein leichtes Haus ist, weil man ein Nischentheater ist, weil man auf Deutsch spielt und weil man den Ehrgeiz hat, von diesem Gebot nicht abzulassen. Und auch, weil wir für unterschiedliche „Unterbereiche“ der darstellenden Kunst in der Region keine spezialisierten Häuser haben: kein spezialisiertes Kinder- oder Musiktheater auf Deutsch, wie das Figurentheater in Hermannstadt, oder die ungarische Staatsoper Klausenburg. Folglich muss man ein sehr ausgeglichenes Repertoire machen. Es gab auch eine Musical- und Operettentradition am Deutschen Staatstheater. Schon in den Jahren des Sozialismus hat es viele Stücke mit Musik gegeben. Und wir versuchen, soweit es geht, diese Tradition weiterzuführen. Die jüngste Musicalproduktion für Kinder allerdings geht auf das Jahr 2017 zurück, mit einer Wiederaufnahme mit aufgefrischter Besetzung 2022: „Das Dschungelbuch“ in der Inszenierung und Choreografie von Răzvan Mazilu. Von ihm stammt auch „Cabaret“ von Joe Mastaroff mit mehreren UNITER-Preis-Nominierungen bei der Gala des Rumänischen Theaterverbandes.

Was mögen Sie an Ihrem Beruf?

Das Schöne an diesem Beruf ist, dass man als Dramaturg und eben als Intendant jetzt, an der Entwicklung und auch Gestaltung, an der Prägung solcher Ideen maßgebend beteiligt war bzw. ist. Übrigens, ich kann jetzt nach mehreren Jahren in diesem Amt sehen, und ich könnte es mir auch vorstellen, wie schwer es ist für einen Direktor, der zugleich Schauspieler oder Regisseur ist, beides zu machen. Denn das ist mehr als eine Vollzeitstelle, eine Aufgabe, genau gesagt, die man fast ständig mitnimmt und bei sich hat und die sich auch in den Pausen und an den Wochenenden nicht von einem loslösen lässt. Denn man fühlt sich verantwortlich, nicht nur für 100 Menschen, die an diesem Hause arbeiten, sondern auch für die Mitarbeiter, für das gute Gelingen, für die gute Annahme durch das Publikum.

Es geht uns gut! Und ich denke, gerade in der heutigen Zeit, wo sich Menschen bekriegen, wo sich Länder bekriegen, wo es Erdbeben gibt, wo es schwer zugeht, ist es angebracht, dass man schätzt, was man hat, wie es einem geht.

2017, als Sie von der Stadtverwaltung unrechtens entlassen wurden, hatten Sie bereits die Anerkennung der Fachwelt. Was hat der viele Zuspruch für Sie bedeutet?

Es war beehrend. Ich war teilweise überrascht. Andererseits war das auch mit ein äußerst motivierender Grund, um da weiterzumachen, in dem damaligen angehenden Rechtsstreit und ebenso nach meiner Rückkehr 2021. Das hat Kraft und Mut gestiftet. Und es ist nicht egal, ob man weiß, dass die Menschen, zumindest die meisten Menschen aus dem Kollektiv, dem man entrissen wurde, einfach gleichgültig diesen Weggang zur Kenntnis nehmen oder es versuchen, soweit es ging, sich stark zu machen oder zumindest laut zu sein und durch ganz sichtbare Zeichen zu signalisieren, dass sie das ebenso wie ich als eine Ungerechtigkeit empfunden hatten. Und es war zugleich auch ein für mich schöner Anlass festzustellen, wie einige Größen des Theaters zu meinem Wirken standen. Da gab es von Rumänien bis nach Deutschland, Luxemburg und den USA äußerst beehrende Stellungnahmen von Künstlern, von Regisseuren, von Theatermenschen, ja, die mich sehr beeindruckt haben.

Was ist zur Feier 70 Jahre DSTT geplant?

Es ist eine verschobene Feier, denn bekanntlich wurde das Deutsche Staatstheater im Jahre 2023 70 Jahre alt oder jung. Und wenn wir sie schon aus von uns unabhängigen Gründen haben verschieben müssen, dann haben wir gedacht, wir setzen den neuen Termin just auf den Tag genau, an dem im Jahre 1953 die allererste Inszenierung der damaligen deutschen Sektion des Staatstheaters über die Bühne gegangen ist: „Die Karlsschüler“ von Heinrich Laube am 27. Juni. Daher beginnt am 27. Juni 2024 diese dreitägige Feier und umfasst drei Inszenierungen, die in den letzten Spielzeiten entstanden sind: „Leonce und Lena“ wird am Donnerstag gespielt, am 28. Juni das Stück „Wolkentektonik“ von José Rivera, und nicht zuletzt am Samstag ein diesem Theater gewidmeter Abend mit dem Stück „Das Theater“, das im Jahr der Kulturhauptstadt entstanden ist und auf den Erfahrungen und Bekenntnissen der Schauspieler aus diesem Ensemble beruht. Der Text und die Spielleitung stammen vom französischen Spielleiter Pascal Rambert. Zusätzlich gibt es eine Ausstellung unseres Kollegen Ovidiu Zimcea und einen Film über die Geschichte des Deutschen Staatstheaters Temeswar, von Christel Ungar, der am Abend des 27. Juni vor der Vorstellung gezeigt wird. Mit ehemaligen Künstlern dieses Hauses, die aus diesem Anlass nach Temeswar anreisen und hier erwartet werden, findet ein Rundtischgespräch in unserem Theaterfoyer statt.

Wo sehen Sie die Aufgabe des Theaters in diesen herausfordernden Zeiten?

Das Theater ist eine sehr lebendige Kunst dadurch, dass sich das Bühnenschaffen immer wieder unmittelbar vor dem Zuschauer reproduziert. Das ist nur den darstellenden Künstlern eigen und ich denke, darin besteht auch die Überlebenschance der Gattung Theater. Wichtig ist, dass jedes Theater sehr genau darauf achtet, für welches Publikum es spielen will, für welche Publikumsschichten es Inszenierungen produziert. Die weitere Gefahr ist die Veränderung des Theaterverhaltens, in unserem Bereich ist es jene der inflationären Überproduktion. Es wird, selbst in Rumänien, aber auch in anderen Ländern, sehr viel produziert, es gibt unzählige Festivals, es gibt ein Überangebot an Veranstaltungen, an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten. Und da ist es schon ganz wichtig am Theater, dass man schaut, wie kann sich ein Angebot des eigenen Theaters von allen anderen unterscheiden. Es ist wichtig, dass man sich die Zeit und die Ruhe nimmt, neue Gebiete zu erforschen, zu ergründen, mehr Zeit in eine gewisse Art von künstlerischer Raffinesse zu investieren. Wenn man diesen Spaß nicht verliert, sich an die Theaterarbeit zu machen, mit der gleichen Hingabe, mit der sich zum Beispiel ein Juwelier an sein Handwerk macht, dann hat man eine Chance, ein qualitatives Publikum anzusprechen, das mit einem mitgeht und das mit einem ebenso diese Bereitschaft entwickelt, das Theater richtig zu erleben. Und richtig erleben kann man das Theater dann, wenn man selbst empfindet. Und das Theater hat nun mal dieses Potenzial, diese Kraft, die nur ihm eigen ist, auf unverwechselbare Weise auf der Bühne Geschichten zu erzählen, die beeindrucken, die berühren, die einen durch die Bildhaftigkeit der Bühne, durch die Poesie der Sprache, durch die magische Welt des Bühnenlichtes zum Beispiel, weiter verfolgen können. Das alles kann Theater, wenn man sich mit der Freude und mit der entsprechenden Begeisterung darauf einlässt.

Vielen Dank für das Gespräch!