Mehr Donau. Mehr Europa

Notizen, Bemerkungen, Beobachtungen und Lehren bei der offiziellen Wiedereröffnung des Donauschwäbischen Zentralmuseums Ulm

Moderator Markus Brock (erster.v.l.) hatte zur feierlichen Eröffnung der neuen Dauerausstelung(en) des DZM drei Gesprächsrunden organisiert. Hier nehmen daran teil (v.l.n.r.): Reinhard Johler, Ibolya Hock-Englender, Christian Glass und Ovidiu Victor Ganț. | Fotos: der Verfasser

Prof. Dr. Reinhard Johler

Ministerialdirektorin Maria Bering

Die Umbauzeit der Dauerausstellung des Donauschwäbischen Zentralmuseums (DZM) in Ulm dauerte erheblich länger als geplant – hauptsächlich pandemiebedingt. Es gab – soweit uns bekannt – mindestens zwei Termine für die offizielle Eröffnungsfeier, die aufgeschoben werden mussten. Schließlich bestimmte man die Periode des alle zwei Jahre stattfindenden Donaufests von Ulm (heuer: 1. – 10. Juli) zur offiziellen Eröffnungszeremonie, mit Ehrengästen, einem Festredner, und einer Führung durch Museumsleiter Christian Glass – der viel Lob für das neue Konzept erntete, an dem er maßgeblich beteiligt war. Das Museum zeigt schließlich zwei parallele und doch ineinander verwobene, aufeinander zurückgreifende Dauerausstellungen, eine über die „Donau. Flussgeschichten“, vom Quellgebiet bis zur Mündung, relativ einfach, aber auch interaktiv gestaltet, und eine über die „Donauschwaben. Aufbruch und Begegnung“, das Wesentliche heraushebend,  was heutige vor allem junge Besucher interessieren sollte/könnte.

Einerseits geht es um den Donauraum, seine Geschichte, Gegenwart, seine Zukunftsprognosen/Veränderungs- und Anpassungspotenziale (und hier spielen Ulm und Baden-Württemberg durch das Konzept der von der EU angenommenen „Donauregion“ und den daraus entwickelten Zusammenarbeits- und Nachhaltigkeitskonzeptionen eine sozial, politisch, wirtschaftlich und zwischenmenschlich herausragende Rolle).

 Andrerseits um ein „zeitgemäßes“ Gedenken an die Donauschwaben, um angedeutete Parallelen zwischen den Aus- und Rückwanderern aus und nach Deutschland (vor Jahrhunderten, nach dem Zweiten Weltkrieg, unmittelbar nach der Wende und bis heute) und heutigen Migranten- und Flüchtlingsschicksalen und -problemen, auch um die (gewünschte oder real gespielte) Rolle deutscher Minderheiten in Europa und in Deutschland, teilweise auch in der Welt.

Migration als „Déjà vu“

Angereist sind u. a. Maria Bering, die Leiterin der Abteilung „Geschichte und Erinnerung“ bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, die die „Brücken zu jungen Menschen“ lobte, welche das DZM in seiner neuen Ausstellungskonzeption zu schlagen vermochte/versucht hat, was, ihrer Meinung nach, eine Hauptbedingung für das gute Funktionieren von Museen sei. Desgleichen lobte sie die „gelungene Verflechtung“ von europäischer Geschichte mit „Erinnerungskultur in der Einwanderungsgesellschaft“, wodurch das DZM eine eigene, durchaus überlegenswerte Sicht auf die „Geschichte des europäischen Raums“ biete. 

Julian Würtenberger, bis vor Kurzem als Staatssekretär im Baden-Württembergischen Innenministerium tätig und Vorsitzender des Stiftungsrats des DZM (an der Stiftung sind paritätisch die Bundesregierung, die Landesregierung Baden-Württember und die Stadt Ulm beteiligt), betonte, ähnlich Maria Bering, die gesetzliche Verpflichtung des Bundeslandes (und der anderen in der Stiftung Vertretenen) zur Unterstützung des DZM, zumal dieses Bundesland erheblich auch von den Ein- und Rückwanderern profitiert habe, menschlich, wirtschaftlich, in der europäischen Integration. Auch Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch, er selbst ein Nachkomme von Flüchtlingen und Vertriebenen der Nachkriegszeit, unterstrich die starken Gegenwartsbezüge des neuen Ausstellungskonzeptes, „da man hier, vor allem wegen der Ukraine, irgendwie ein `Déjà vu` vor sich“ habe, einen schlagenden Beweis, dass sich Geschichte wiederhole, was zum „Nachdenken“, zu „Konsequenzen“ anrege, aber auch „Identifikation“ herausfordere.

Das DZM ist identitätsstiftend

Museumsdirektor Christian Glass hatte auch zwei prominente Vertreter von „Donauschwaben“ eingeladen. Eine war Ibolya Hock-Englender, die Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen in Budapest. Sie schlug eine Brücke vom DZM zum „Ungarndeutschen Landeslehrpfad“ in Baja an der Donau und zu dessen Motto „Vergangenheit hat Zukunft“, das sie in die Nähe von „Aufbruch und Begegnung“, der Übertitelung des DZM-Ausstellungssegments über die Donauschwaben, versetzte. Ihrer Meinung nach – sie ist von der Ausbildung her Lehrerin – sollte man anregen, dass im Interesse der in ungarischen Lehrplänen als Fakultativfach vorgesehenen Heimatkunde mehr Lehrer aus Ungarn diese Ausstellung im DZM von Ulm sich anschauen und daraus inspirieren lassen, denn „Wir erleben Schicksale auf verschiedene Art und Weise, die uns berühren und zum Nachdenken anregen.“

Der zweite Ehrengast aus dem Donauraum war der rumäniendeutsche Parlamentsabgeordnete Ovidiu Victor Ganț, der implizite als Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen aus Rumänien auftrat. Ganț unterstrich auf seine geschmeidig-intelligente Art, dass „unter Umständen, wo wir wohl kaum auf die Gründung eines Banatschwäbischen Museums hoffen können“, das Donauschwäbische Zentralmuseum von Ulm auch für die Banater Schwaben „identitätsstiftend“ geworden sei, zumindest so lange, wie es noch feste Bindungen zwischen den nach Deutschland rückgewanderten und den im Banat verbliebenen Banater Schwaben gibt. 

Mehr noch: „Die Nachkommen der Donauschwaben leben heute auf der ganzen Welt. Für uns ist das DZM als weltweit einziges Museum über die Geschichte der Donauschwaben und die Bedeutung des Donauraums von enormem Wert für den gemeinsamen Austausch.“ Wünschenswert wäre auch künftig eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit, nicht zuletzt im Hinblick auf die Europäische Kulturhauptstadt 2023, Temeswar.

Donau und Schwaben, Donauschwaben

Ein Highlight der offiziellen Eröffnungsfeier der neuen Dauerausstellung des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm war der Vortrag des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats des DZM, Prof. Dr. Reinhard Johler, der am Tübinger Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (IDGL) tätig ist ud das „Ludwig Uhland“-Institut leitet. 

Der Österreicher, ein Völkerkundler, Kulturwissenschaftler und Kulturanthropologe begann seine Festrede am linken Donauufer mit dem Satz: „Die Donau fließt seit kurzem durch das DZM.“ Das mache, „zum richtigen Zeitpunkt das DZM nicht nur für Besucherinnen und Besucher deutlich attraktiver, sondern ordnet Geschichte und Gegenwart der Donauschwaben auch in einen erweiterten – und für die Gegenwart und Zukunft – kulturell und politisch wichtigen und daher sehenswerten Kontext ein.“ Durch einnehmende Selbstironie, aber grundsätzlich steif professoral – will sagen: wissenschaftlcih solide fundiert – sprach Prof. Johler, immer augenzwinkernd, wie es einem Festvortrag gut steht, über Schwaben und Donau, deto: Donauschwaben, über die „Zukunft der Donau“ und über das „erste Donaumuseum“ im Kontext und Großraum der Donaustadt Ulm. Den Festvortrag veröffentlicht die ADZ, leicht gekürzt, in ihrem kommenden ADZ-Kalender auf das Jahr 2023, wenn die Hauptstadt des Banater Schwabenlandes Kulturhauptstadt Europas sein wird. Deswegen sollen hier nur ein paar wenige Ideen, die im Umfeld einer feierlichen Neueröffnung eines Museums fällig sind, unterstrichen werden. 

Grundsätzlich hält sich Prof. Johler an ein Zitat, das er dem Temeswarer Robert Reiter, alias Franz Liebhard, entlehnt hat: „Ich habe gelernt im Sinne von mehreren Völkern zu denken“, was Liebhard/Reiter die „Donau-Mentalität“ nennt, ein Begriff, den Johler voll und ganz übernimmt. Im Liebhard´schen Sinn betrachtet Prof. Johler die „Donauschwaben“ (mit der Bemerkung, dass der 1922 von Geographen lancierte Begriff sich bis heute bei den damit Genannten – Ausnahme: die Jugoslawiendeutschen – nicht durchsetzen konnte; daher haben wir auch heute u. a. Banater und Sathmarer Schwaben...) als diejenigen, die sich die genannte Fähigkeit und Mentalität in Jahrhunderten verinnerlicht haben und so ideale „Brückenbauer“ geworden seien, oder „Übersetzer zwischen den Kulturen“.

Die Geschichte der „Donauschwaben“ sei „für alle Beteiligten und Betroffenen eine singuläre Geschichte“, doch keineswegs einzigartig. Ihre Geschichte sei als „ein Phänotyp einer grundlegenden historischen Erfahrung des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts“ zu begreifen, zitiert Johler Karl-Ernst Jeismann, eine „Lernerfahrung für alle. So sei die aufgefrischte Dauerausstellung des DZM mit dem Titel und Thema „Donauschwaben. Aufbruch und Begegnung“ zu betrachten. 

Es habe sich „gelohnt, kein Museum für Donauschwaben, sondern ein – europäisch und hochinformativ angelegtes – Museum über Donauschwaben zu schaffen.“ 


Adresse
Donauschwäbisches Zentralmuseum
Schillerstraße 1
89077 Ulm
Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag
11 – 17 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertage
10 – 18 Uhr

„Die Geschichte der Donauschwaben ist ein Beispiel für europäische Migration, verbunden mit Aufbrüchen und Begegnungen. Das Museum zeigt Leben und Kultur der Auswanderer und nachfolgender Generationen in der Vielvölkerregion an der Donau. Es veranschaulicht die Folgen vonNationalismus und Zwangsmigrationen im 20. Jahrhundert und möchte auf diese Weise einen Beitrag zur Verständigung in Europa leisten.
Diese Ausstellung ist das Herzstück des Museums. In 13 Abteilungen wird von der Auswanderung im 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart die Geschichte der Deutschen an der mittleren Donau veranschaulicht. Der Rundgang ist eine Entdeckungsreise in die Lebenswelt der Donauschwaben.
Ein Medienguide mit Schauspielszenen und Hintergrundinformationen in deutscher und englischer Sprache kann im Museum ausgeliehen werden.“ (DZM)