Mehr Entlassungen als Anstellungen

Ein (unvollständiger) Rückblick auf den Arbeitsmarkt 2012 im Banater Bergland

Der Bürgermeister von Karansebesch, Ion Marcel Vela, bemüht sich, für seine Stadt Investoren anzuziehen.

In Karansebesch werden Arbeitsplätze nicht abgebaut, sondern geschaffen.
Fotos: der Verfasser

Mit dem Neujahr 2013 sind 101 Arbeitnehmer des Stahlerzeugers Ductil Steel Ferdinandsberg/Oţelu Roşu, die zeitlich befristete Arbeitsverträge hatten, nach dem „technisch bedingten“ Dezemberurlaub 2012 nicht mehr ins Werk zurückbeordert worden. Die bei Ductil Steel Verbliebenen der ursprünglich 561 Arbeitnehmer zittern um ihre Posten, denn die Russen der Mechel-Gruppe machen ernst mit ihrer Rückzugsabsicht aus Rumänien. Nur: Einen Käufer für die fünf rumänischen Standorte haben sie noch nicht gefunden. Dazu sind ihre Preisvorstellungen, gemessen an der Konjunkturlage auf dem Rohstahl-Weltmarkt, (noch?) zu unrealistisch, heißt es.

Kollateralschäden durch schwächelnde Hidroelectrica

Dabei ist die Lage im jüngst von Grund auf modernisierten Stahlwerk Ductil Steel hinsichtlich der Entlassungen noch gar nicht die schlimmste im Banater Bergland und auch die Verkaufsaussichten sind grund-sätzlich nicht so schlecht. Sollten zu den gegenwärtigen Bestellungen noch einige dazukommen, dann kann das Werk von Ferdinandsberg – an dem traditionell die Bewohner eines ganzen Tals in Richtung Siebenbürgen hängen – noch schön und gut und lange so funktionieren wie bisher.
Anders der immer noch staatliche Wasserkraftwerkserbauer SC Hidroconstrucţia in Karansebesch. Beim größten Bauunternehmen des Banater Berglands sind im Oktober 229 der 543 Arbeitnehmer entlassen worden, obwohl man sich seit Jahren mit der Verzweiflung des Realisten bemüht, nicht ohne Erfolg seine Aktivitätspalette zu diversifizieren und die vorhandenen Ausstattungen auch anderweitig einzusetzen, im Straßenbau und in der Grundüberholung urbaner Straßennetze beispielsweise, oder beim Umbau der Siedlungswasserwirtschaft.

Und all dies, ohne die ursprüngliche Aktivität aufzugeben – sofern der Staat dafür Geld fließen lässt, denn immer noch ist die Hydroenergiewirtschaft, allen voran die seit geraumer Zeit dem Zerbröseln ihres Monopols zusehende Hidroelectrica, fest in staatlicher Hand. So kommt es, dass Hidroconstrucţia kurz vor Jahresende, trotz vorheriger Entlassungen, auch eine wasserwirtschaftliche Investition übergeben konnte, einen Zuleitungsstollen des Sebeş-Baches zum Stausee des Wasserkraftwerks Turnu Ruieni.

Aber nach Meinung der Leitungsebene der Karansebescher Hidroconstrucţia – die es vorzieht, anonym ihre Meinung zu äußern – bleibt als einzige realistische Perspektive die schon seit Jahren von den Politikern kontrovers diskutierte, aber aus reiner Wirtschaftsperspektive unvermeidliche Privatisierung des hydroenergetischen Sektors – denn dem Staat fehlen meist in den wichtigsten Augenblicken die Gelder für große Investitionen (weshalb es in den Karpaten immer noch offene Baustellen von Wasserkraftwerken gibt, die bereits vor 1989 eröffnet wurden – auch im Banater Bergland).Die Investitionsinitiativen im hydroenergetischen Bereich in den Jahren 2000 bis 2004, während der Regierungszeit Adrian Năstases, sind bislang singulär geblieben. Und inzwischen sind auch schon wieder zehn Jahre und ein halbes Dutzend Bukarester Regierungen Vergangenheit.

Insolvenzverwalter umschifft Katastrophenklippen

Auch das Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR, das heute der in der Schweiz registrierten Inet AG gehört und dessen Inhaber dem Kreis der von Präsident Traian Băsescu wiederholt angegriffenen „gscheiten Jungs/băieţii deştepţi“ zugerechnet werden (allerdings ohne dass die oft nebeligen Andeutungen des allwissenden Präsidenten bislang irgendwelche ernst zu nehmenden staatsanwaltlichen Folgen gehabt hätten!), ist immer noch im Insolvenzverfahren und hat 2012 rund 300 Arbeitnehmer entlassen müssen. Womit aber die Probleme nicht gelöst sind, ist UCM Reschitza doch, ähnlich wie Hidroconstrucţia Karansebesch, zu einer Art Anhängsel des staatlichen Stromlieferanten Hidroelectrica (an dem die „gscheiten Jungs“ laut Băsescu wie die Zecken saugen) umfunktioniert worden. Von Leuten aus dem engsten Umkreis der „gscheiten Jungs“, die bis Ende 2010 die Führungsebene von UCMR bildeten. An ihrer Spitze vor Ort befindet sich, nicht nur nach Meinung der Medien, der ehemalige UCMR-„Präsident-Generaldirektor“ Adrian Chebuţiu, der unter anderem im schweizerischen Freiburg studiert hat, dort wo zwei der „gscheiten Jungs“, ein Schweizer und ein Rumäne, herkommen ...

Und da es bekanntlich auch Hidroelectrica schlecht geht infolge der in Rumänien für Staatsunternehmungen typischen Auslaugepraktiken (auch) seitens ihrer Spitzenangestellten und Ministerialverantwortlichen beziehungsweise der per Ministerialbeschluss eingesetzten parteitreuen Leitungen, kann es dem Reschitzaer Maschinenbauwerk in seiner Grundkompetenz, dem Bau von Wasserkraftwerksausrüstungen, nicht gut gehen (die ADZ berichtete wiederholt). Dass bislang „nur“ 300 Arbeitnehmer entlassen wurden, ist einerseits eine Folge der Tatsache, dass die Löhne vergleichsweise schändlich niedrig sind (eine Art „Soziallöhne“), also im Finanzhaushalt des Unternehmens nicht allzu schwer in die Waagschale fallen, andrerseits, dass die Steuerbehörden und staatlichen Finanzeintreiber mit UCMR „nachsichtig“ umgehen und nicht zuletzt, dass das Werk einen (wirklich: ausnahms-weise!) kompetenten gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter hat (auch darüber wurde in der ADZ berichtet), der sich nach Kräften bemüht, das Schlimmste zu vermeiden, ja sogar versucht, dem Werk Perspektiven zu eröffnen. Denn eine Schließung und wortwörtliche Liquidierung von UCM Reschitza wäre nicht nur für die Stadt Reschitza eine Katastrophe: Plötzlich stünden über 2000 Menschen auf der Straße.

Halbierungen des Arbeitnehmerbestands

Massive Entlassungen, gemessen an der Zahl der Beschäftigten, haben auch weitere Unternehmen des Banater Berglands im vergangenen Jahr vorgenommen: TMK Hydroenergy Power, das zum tschechischen Energiekonzern CEZ gehört, hat 46 der insgesamt 72 Arbeitnehmer entlassen, die CEZ 2010 beim Kauf (vom Reschitzaer Stahlwerk TMK) vorgefunden hat. Nach der intensiven Modernisierungsphase, die CEZ gegenwärtig durchführt, ist ab der zweiten Jahreshälfte 2013 zu erwarten, dass die Leistung der Wasserkraftwerke am Semenik um ein paar Megawatt steigen wird, aber auch, dass sie mit noch weniger Menschen betrieben werden können. Erstmals in der Geschichte des Banater Montangebiets wird die Wasserwirtschaft separat vom Verhüttungswesen als unabhängige  Energiewirtschaft betrieben und erstmals finden in diesem Bereich so massive Arbeitskräftereduzierungen statt.

Die Griechen von Pantehniki haben 2012 mit 23 der insgesamt 79 Arbeitnehmer fast ein Drittel auf die Straße gesetzt, Burgerrom 15 von 38 Angestellten. Auch Romsilva hat über 100 Arbeitnehmer entlassen, aber beim staatlichen Forstunternehmen fällt diese Zahl, gemessen an der Gesamtzahl der Beschäftigten im gegenwärtig noch waldreichsten Gebiet Rumäniens (Romsilva hat hier über 3000 fest oder saisonbedingt angestellte Arbeitnehmer) weniger spektakulär ins Gewicht.

Entwicklungspol Karansebesch

Gegenüber solchen Nachrichten kann sich das Banater Bergland rückblickend auf das Jahr 2012 auf dem Arbeitsmarkt nicht mit vielen positiven Nachrichten melden. Die Neuanstellungen laufen zwar bürokratisch über das Arbeitsamt (AJOFM) aber sie werden kaum von diesem vermittelt (die Firmen ziehen es meist vor, sich nicht in die Karten schauen zu lassen). Trotzdem bleibt es die sicherste Informationsquelle bezüglich Neuanstellungen.

Ergo kann man die Lage der Neuanstellungen nur nach dem beurteilen, was praktisch geschieht, also bei AJOFM verzeichnet ist. Und eigentlich bewegt sich bloß in Karansebesch wirklich etwas. Nicht nur, dass dort eine neue Montagehalle für Automotive eingeweiht wurde und mittelfristig 2000 neue Arbeitsplätze existieren werden, auch die Schweizer von Globernica machen ernst mit ihrer Pelletfabrik und Biomassenzentrale (die ADZ berichtete über die 40-Millionen-Euro-Investition) und Bürgermeister Ion Marcel Vela verriet auf seiner letzten Pressekonferenz vor der Jahreswende im Vertrauen, mit einem halben Dutzend weiteren Firmen im Gespräch zu sein, wegen der Eröffnung von Niederlassungen in Karansebesch. Jetzt schon gibt es Pendlerbusse aus allen Himmelsrichtungen, die zum Schichtbetrieb in Karansebesch (etwas über 20.000 Einwohner) oder von dorther kommend unterwegs sind. Auch aus dem viermal größeren Reschitza.