Mein neues Leben auf der Blumenwiese

Wie Elena Vasiliu ihren Traum vom Wohnen im Einklang mit der Natur realisierte

Das Krokushaus aus Lehm-Stroh-Ziegeln auf der Blumenwiese am Rande von Piscu (mehr zum Projekt: www.poianaflorilor.org)

Permakultur bedeutet nicht nur, kein Umgraben und viel Kompost, sondern Harmonie zwischen Nutz- und Zierpflanzen.

Elena Vasiliu: „Ich musste erst lernen, mich selbst zu lieben!“

Ein Kachelofen, selbstbemalte Holzmöbel und Mosaike zieren das Krokushaus. Die alte Einrichtung musste hinten bleiben...

Glückliche Kinder, auch auf kleinstem Raum
Fotos: George Dumitriu

Wir verlassen das Dorf und biegen in den Feldweg, der über die weite Ebene bis zum Waldrand führt. Links und rechts reichen junge Sonnenblumenplantagen bis zum Horizont. Dann ein Kornfeld, dessen saftiggrüne Ähren sich sanft in der Abendbrise wiegen. Einsam auf weiter Flur  steht es auf einmal da: Das Krokushaus, wie Elena es auf ihrer Webseite genannt hat. Lindgrün gekalkt, mit abgerundeten Ecken, einem Schindeldach und zarten Blumenornamenten um Türen und Fenster, wirkt es wie ein Feendomizil. Ein schwarzweißer Kater posiert dekorativ auf dem geschlängelten Steinplattenweg.

Als wir in den Hof mit dem handgemalten Schild „Poiana florilor“ (Blumenwiese) einrollen, parken wir vor einer seltsamen Gartenecke in einem riesigen eingezäunten Feld. Ein Pfad aus erdgefüllten Autoreifen führt durch frisch angelegte, mit Gras und Pflanzenschnipseln bedeckte,ornamental verschlungene Beete mit Salatpflänzchen, Gewürzen, Blumen und Ziersträuchern: Nutzen und Schönheit in einträchtiger Harmonie. Eine junge Frau in Jeans und weißer Bluse eilt uns freudig entgegen. Es ist ihr Traum, der sich an diesem idyllischen Ort nach und nach materialisiert...

Doch wer ist die Träumerin? Wir begegneten Elena Vasiliu in den letzten Tagen gleich mehrmals an verschiedenen Orten. Auf dem Bio-Markt vor der Hornbach-Filiale in Săftica, auf der „Body, Mind&Spirit“-Messe im Pavillion der Romexpo, auf der Immobilienmesse im Parlamentsgebäude oder der Ausstellung „Bau und natürliche Materialien“im Bukarester Dorfmuseum (bis zum 16. Juni)... Mit ihrem strahlenden Lächeln unter dem handgemalten Schild bietet sie selbstgezogene Sprossen, bemalte Tischchen und Stühlchen aus Holz, verteilt ihren liebevoll gestalteten Prospekt „Poiana florilor“ ... und übt sich in Geduld. Der Erfolg fällt nicht gleich vom Himmel. Doch Elena weiß, dies ist erst der Anfang.

Mit überschäumender Freude berichtet sie von ihrem ersten Mosaik-Workshop, der am Nachmittag im heimischen Garten stattgefunden hat. Ein Sammelsurium an verschiedenen Aktivitäten, und doch bedingen sie einander: das Immobilienprojekt mit natürlichen Erdhäusern am Rande des Dorfes Piscu, kreative Workshops mit Kindern und Erwachsenen aus der Stadt, der Permakultur-Garten, der zuerst ihr und ihrer Familie, nach und nach aber dem gesamten Wohnkomplex Obst und Gemüse in Bio-Qualität sichern soll. All dies hat Plan und Ziel, gehört zu Elenas Konzept von „Poiana florilor“.

Sechs Monate im Zelt

Während der am Horizont untergehende Sonnenball indigofarbene Streifen auf den leicht bewölkten Himmel zeichnet, während Alex (6) und Sofia (4) auf der Ofenbank ihre Vanille- und Schokoladenpuddinge miteinander vermischen und  Andrei (9) geduldig ein Mosaik fertig legt, während mein Mann knipsend durch den  Garten zieht und ein Hundebaby an der Terassentür fiept, sitzen wir uns im schlichten Wohnzimmer gegenüber. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Begegnung! Als von dem heute schmucken Häuschen aus Lehm-Stroh-Ziegeln noch nicht einmal das Steinfundament fertig war.

Als die ganze Familie von Juni bis Ende November in einem großen Zelt mitten auf der Blumenwiese wohnte, Elena im Freien wusch und kochte und ihr Mann trotzdem täglich mit frischgebügeltem Anzug in die Arbeit fuhr. „Es war die schönste Zeit unseres Lebens“, schwelgt sie in Erinnerungen. „Sie hat uns unheimlich zusammengeschweißt“. Sie lächelt über das gemeinsame Matratzenlager, den Ofen im Zelt, die klirrend kalten Morgen im Spätherbst. Die drei Kinder, die sie seit ihrem beherzten Fortgang aus der Luxuswohnanlage Felicity in Băneasa im Sommer letzten Jahres noch nie so rundum glücklich erlebt hatte. „Mein Projekt wurde aus meiner Lebensgeschichte geboren“, beginnt Elena Vasiliu, als ich schließlich mein Aufzeichnungsgerät einschalte.

Von der Raupe zum Schmetterling

„Es ist eine sehr schöne Geschichte...“, versetzt sie mit einem Leuchten im Gesicht, das selbst dann anhält, als sie in die dunkelsten Tiefen ihrer Vergangenheit eintaucht. In die Zeit, als alles über ihr zusammenbrach, obwohl sie – wie die Menschen um sie herum kritisierten – gar keinen Grund für Probleme haben sollte: Von klein auf ein hochbegabtes Mathematiktalent, zwei Studiengänge absolviert, dann der Beruf als Bankdirektorin, Mann und Kind, ein Ferienhaus im Delta und eins in den Bergen... Oberflächlich betrachtet, mangelte es ihr an nichts.

Auch in ihrer Ehe fiel Elena die Rolle der Handelnden, der Entscheidnungsträgerin zu. „Ich fragte mich damals oft selbst, was mit mir nicht stimmte, warum ich so unglücklich war“, erinnert sie sich. Heute weiß sie: „Ich trug immer eine Maske und hatte nie den Mut, zu sagen, was ich eigentlich wollte“. Nachdem die Probleme, anstatt sich irgendwann aufzulösen, in allen Bereichen überhandnahmen – Beruf, Ehe, Gesundheit – wurde ihr klar, dass etwas geschehen musste. Gerade mal 30 Jahre alt, fühlte sie sich in einer Sackgasse des Lebens gefangen. Doch die Selbsterkenntnis brachte einen Stein ins Rollen.

 Noch immer versuchte sie, ihre Ehe zu retten, doch nach eineinhalb Jahren Paartherapie wusste sie, es hatte keinen Sinn. Es folgten Scheidung, Vorwürfe der Eltern... zunächst wurde es nicht leichter. Doch Elena Vasiliu begann, an sich selbst zu arbeiten. Sie befasste sich mit Gartenbau und Feng Shui, ging zum Homöopathen, dann zum Psychotherapeuten. Sie begann zu lesen: Osho, Doreen Virtue. „Fünf Jahre dauerte es, bis ich verinnerlicht hatte, worauf es eigentlich ankommt: Mich selbst bedingungslos zu lieben!“, bekennt die junge Frau. Das Schwerste an ihrer Transformation? Die Erkenntnis, dass man Menschen, die diese Entwicklung nicht verstehen, manchmal zurücklassen muss. „Ich habe gewählt, nicht mehr zu leiden“, sagt sie überzeugt und akzeptiert keine Vorwürfe mehr von Angehörigen. Die alten Freunde sind verschwunden, aber neue dafür aufgetaucht. Menschen, die mit der neuen Elena resonieren.

Vorleben, was man predigt

Im Hintergrund toben die Kinder kreischend auf einer Matratze, während sie die Philosophie der Permakultur und ihre Pläne mit der Blumenwiese erläutert. „Als ich das Gelände – noch in der Zeit meiner ersten Ehe – gekauft hatte, hatte ich zunächst nur an ein Immobilienprojekt gedacht“. Doch nach und nach fühlte sie, dass der Ort ihre Präsenz verlangte. So entstand  das Konzept für einen Wohnkomplex mit natürlicher Architektur in Kombination mit Permakultur. Sie engagierte einen Architekten und einen Ingenieur, ließ auf dem eigenen Gelände Lehmziegel herstellen, erdachte eine Infrastruktur mit Zentralkomplex,  Restaurant, Geschäftsräumen, Schwimmbad... Doch die ersten Pläne waren viel zu kompliziert, die Häuser zu teuer, von den zwar vorhandenen Interessenten konnte sich noch keiner so recht entschließen. Außer einer Blumenwiese gab es ja auch nicht viel zu sehen.

„Erst als wir mit dem Zelt auf das Gelände zogen, nahm das Projekt an Fahrtwind auf“, begeistert sich die mutige 40-Jährige. Die neuen Modelle - eines davon das Krokushaus - hat Elena selbst gestaltet. Noch immer ist sie die treibende Kraft, das Projekt ihr Ideenkind. Doch an der Seite ihres neuen Seelenpartners darf sie auch einfach Frau sein. Dazu gehört, zu akzeptieren, dass nicht wie früher sie, sondern der Mann die Familie ernährt: der 45-jährige Doru Mălureanu. Wie sie ist er ein Suchender mit einem bewegten Lebensweg: drei Fakultäten – Ingenieurwesen, Recht und Theologie. „Im Moment arbeitet er als Notar“, erzählt sie, als sei dies etwas Vorübergehendes.

Nach einer Zusatzausbildung als Mediator denkt er nun an, sich in Zukunft mehr in diese Richtung zu entwickeln. Auch Elena hat noch berufliche Ambitionen: Sie möchte Menschen auf der Suche nach sich selbst coachen. Eine Ausbildung zum Persönlichkeitsentwickler hat sie schon absolviert, erster Kunde ist ein begeisterter Kurskollege. Ob ihr eigenes Leben ein guter Lehrmeister ist? Musterlösungen gibt es nicht, meint Elena: „Den Weg zum ganz persönlichen Glück muss jeder selber finden“. Doch was könnte authentischer sein, als  vorzuleben, dass es tatsächlich geht?

Vorleben ist denn auch ihre Strategie bei der Entwicklung von „Poiana florilor“: „Die Interessenten sehen an unserem Beipiel, dass man tatsächlich so leben kann“,erklärt  Elena Vasiliu und fügt mit Nachdruck hinzu: „Sie müssen dieses Leben spüren können!“  So ist auch „Poiana florilor“ längst kein kommerzielles Projekt mehr, sondern eine Stiftung mit dem Ziel zur Förderung einer bewussteren Lebensweise im Einklang mit der Natur, die sich selbst tragen soll. „Die Idee gewinnorientierten Strebens passt einfach nicht mehr zu mir“, erklärt die einstige Bankdirektorin fröhlich.