Messenger-Dienste: Funktionalität oder Sicherheit

Datenschutz ist kein Grund von WhatsApp zu Telegram zu wechseln

Symbolfoto: pixabay.com

Seit Beginn des Jahres sind immer mehr Smartphone-Nutzer auf der Suche nach einer Alternative zum WhatsApp Messenger, dem beliebtesten Sofort-Nachrichten-Programm der westlichen Welt. Grund für die Wechselabsichten war die Aufregung um ein Fenster, welches allen Benutzern beim Öffnen der Applikation angezeigt wurde. Darin forderte Facebook – der Eigentümer von WhatsApp – auf, den neuen Datenschutzbestimmungen zuzustimmen. Diese ermöglichen dem Konzern, die Daten des Dienstes auch mit anderen Facebook-Unternehmen oder Werbepartnern zu teilen. Ein Schritt, den Facebook bei der Übernahme von WhatsApp im Jahr 2014 noch ausdrücklich ausgeschlossen hatte.

Dabei ist die Debatte um einen WhatsApp-Boykott durchaus interessant. Denn sie lässt ein altbekanntes Dilemma durchblicken, bei dem es am allerwenigsten um den Datenschutz geht. Vielmehr vereinfachen neue Dienste die Kommunikation und verdrängen schließlich etablierte Programme. MySpace war ein großer Name bis Facebook kam, ICQ hatte den Sprung in die Smartphone-Ära verpasst und WhatsApp hat ab 2013 die klassische Textnachricht (SMS) verdrängt.

Bereits seit einigen Monaten erfreut sich nun schon Telegram wachsender Beliebtheit. Und im Januar dieses Jahres hatten sich erstmals mehr Menschen den Messenger von Pawel Durow installiert als den Dienst aus dem kalifornischen Mountain View. Der Telegram-Entwickler hatte dazu zwischenzeitlich mitgeteilt, dass sein Dienst aktuell rund 500 Millionen monatlich aktive Nutzer verzeichnet.

Erstaunlich ist, dass Telegram zwar tatsächlich mehr Funktionen anbietet als WhatsApp, sich in erster Linie aber als vermeintlich sichere Alternative etablieren konnte. „Große Firmen im Internet, wie beispielsweise Facebook oder Google, haben in den letzten Jahren massiv die Privatsphäre der Nutzer eingeschränkt. Riesige Marketingabteilungen versuchen bis heute, Nutzer davon zu überzeugen, dass oberflächliche Einstellungen der Privatsphäre, wie beispielsweise das Verstecken von öffentlichen Beiträgen vor Leuten in der Umgebung, ausreichend sind. Solche Funktionen dienen leider nur der Besänftigung. Im Hintergrund werden weiter eifrig Nutzerdaten mit Marketingunternehmen und anderen Firmen geteilt“, heißt es dazu von Telegram.

Dabei sind Chats in Telegram – anders als in WhatsApp – nicht standardmäßig Ende-zu-Ende verschlüsselt. Lediglich bei den sogenannten geheimen Chats, die der Nutzer explizit auswählen muss, ist diese Verschlüsselung aktiv. Erst dann wird die Nachricht bereits auf dem Telefon des Senders verschlüsselt und beim Empfänger wieder entschlüsselt. Bei dieser Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kann während der Übertragung niemand die Nachricht lesen, auch nicht der Betreiber, über dessen Server die Daten verschickt werden.

Reguläre Chats sind zwar auch verschlüsselt, werden aber durch die Cloud-Funktion auf Telegram-Servern zwischengespeichert und könnten dort vom Anbieter – oder Dritten, die sich zu diesen Zugang verschafft haben – eingesehen werden. Das heißt, dass im Fall der Fälle auch Behörden, Geheimdienste oder andere Akteure mitlesen können. Und während sich das Entwickler-Team nach eigenen Angaben in Dubai befindet, ist der Standort der Server unklar.

Darüber hinaus erlaubt sich Telegram auch Daten zu erheben, welche für das Verschicken von Nachrichten nicht notwendig sind, und diese bis zu zwölf Monate zu speichern. Welche Daten dies allerdings genau sind, lassen die Betreiber offen. Auch wird der Messenger oft als quelloffenes Programm beworben, was bedeutet, dass es von Dritten auf Sicherheitslücken untersucht werden kann. Das gilt allerdings nur für Telegram selbst. Der Servercode ist nicht öffentlich zugänglich, sodass unklar ist, was dort geschieht. Und da der Standort der Telegram-Server nicht bekannt ist, kann auch keine Aussage über die dort geltenden Datenschutzgesetze getroffen werden.

Dem Datenschutz-Alptraum gegenüber hat Telegram natürlich auch Vorteile, sonst würde der Dienst nicht von 500 Millionen Menschen genutzt werden. Und die zusätzlichen Funktionen machen den Messenger bedeutend mächtiger als WhatsApp. So lassen sich mit Telegram nicht nur Fotos und Videos, sondern Dateien aller Art bis zu zwei Gigabyte teilen. Auch können Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern betrieben werden und durch Erweiterungen (Bots) können beispielsweise Unternehmen direkten Kundenkontakt anbieten, Newsletter versenden oder Privatanwender sich ganz einfach Facebook-Videos herunterladen lassen.

Doch die vermeintlich größte Vereinfachung, die Telegram leistet, ist die Cloud-Synchronisation. Egal ob iPhone, Windows-PC oder Android-Smartphone: Überall sind die Gesprächsverläufe synchron und die Unterhaltungen nahtlos fortführbar. Erkauft ist dieser Vorteil durch den Verzicht auf die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Denn um diesen Komfort anzubieten, müssen einerseits sämtliche Tastatureingaben auf den Telegram-Servern gespeichert werden und andererseits können Nachrichten nur auf den Wegen zwischen Sender und Cloud sowie Cloud und Empfänger verschlüsselt werden. Die Nutzer müssen also darauf vertrauen, dass Telegram seine Server ausreichend sichert.
Nutzer, die hingegen nicht aus Gründen der Funktionalität, sondern der Sicherheit WhatsApp den Rücken kehren wollen, sind bei Signal oder Threema deutlich besser aufgehoben. Signal wurde mit dem Gedanken entwickelt, einen sicheren Messenger anzubieten, der auf dem Prinzip der Datensparsamkeit basiert und bei dem der Betreiber keinerlei Zugriff auf Nut-zerdaten hat. Empfohlen wurde der in den USA entwickelte Dienst unter anderem von Edward Snowden und Elon Musk.

Doch auch bei Signal ist eine Anmeldung mit der Mobilfunknummer notwendig und damit die Aufgabe der Anonymität. Der in Zürich entwickelte Messenger Threema erlaubt hingegeben die anonyme Nutzung. Ferner betreibt das Unternehmen eigene Server in der Schweiz und hat Ende des vergangenen Jahres den Quellcode von Threema veröffentlicht, was bislang der letzte große Kritikpunkt von Datenschützern war. Und während Facebook vor sieben Jahren WhatsApp für etwa 82 Milliarden Lei gekauft hat und dieser Preis sich natürlich früher oder später bezahlt machen soll, ist bei Threema die Finanzierung offensichtlich: der Messenger kostet 14,99 Lei.

US-Regierung will Zerschlagung von Facebook

Die amerikanische Regierung und mehr als 40 Bundesstaaten werfen Facebook unfairen Wettbewerb vor und wollen vor Gericht die Abspaltung von Instagram und WhatsApp erreichen. Das Unternehmen habe die Foto-Plattform und den Messenger gekauft, um seine Dominanz vor den Rivalen zu schützen, argumentieren sie in den im Dezember eingereichten Klagen. Die US-Handelskommission, die in den USA für Verbraucherschutz zuständig ist, begann ihre Klage dann auch mit der Feststellung, dass Facebook das dominierende Online-Netzwerk sei und Monopolmacht habe. Zusammen mit Instagram, WhatsApp und dem zweiten Chatdienst Messenger kommt Facebook auf 2,54 Milliarden Nutzer am Tag.

Weiterhin fordern die Justizminister von 48 US-Bundesstaaten und Territorien in ihrer Klage, dass Face-book sie über alle Übernahmen mit einem Wert von mehr als zehn Millionen Dollar informieren solle. „Facebook hat seine Monopolmacht genutzt, um kleinere Rivalen zu vernichten und die Konkurrenz auszulöschen, alles auf Kosten alltäglicher Nutzer“, kritisierte New Yorks Justizministerin Letitia James. Die Klage solle eine klare Botschaft an Facebook und andere Unternehmen senden: dass Versuche, Wettbewerb zu ersticken, Innovationen zu behindern oder den Schutz der Privatsphäre zu beschneiden, mit aller Macht verfolgt würden.

Facebooks Chefjuristin Jennifer Newstead konterte: „Kartellgesetze existieren, um Verbraucher zu schützen und Innovationen zu fördern, nicht um erfolgreiche Unternehmen zu bestrafen.“ Facebook habe Milliarden Dollar investiert, um Instagram und WhatsApp erfolgreich zu machen. Newstead verwies auch da-rauf, dass die FTC selber die Übernahmen einst genehmigt habe. Die Klage sende nun das Signal aus, „dass kein Kauf jemals endgültig ist“.