Minderheiten, die eine Tageszeitung haben, sind stärker

Vertreter der MIDAS-Publikationen trafen sich in Bratislava

Mária Vrabec ist Trägerin des MIDAS-Journalistenpreises.

Constanze Letsch nimmt von Karl von Habsburg den Otto-von-Habsburg-Preis entgegen. Fotos: MIDAS

Tageszeitungen der ethnischen Minderheiten in Europa haben in MIDAS, der Europäischen Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen, einen wichtigen Förderer, der sich u. a. um den Informationsaustausch zwischen den 28 Mitgliedspublikationen, um die Unterstützung der durch politische oder finanzielle Ursachen gefährdeten Zeitungen sowie die Weiterbildung von Jungjournalisten bemüht. Ihre Arbeit kann MIDAS vor allem durch die Unterstützung der Region Tretino-Südtirol und der Europäischen Akademie in Bozen (EURAC), entfalten, worauf der Generalsekretär der Organisation, Günther Rautz, in seinem Jahresbericht ausdrücklich hinwies.

In diesem Jahr wurde die jährliche Generalversammlung der Organisation auf Einladung der ungarischen Zeitung in der Slowakei „Új szó“ in Bratislava ausgerichtet. Angesichts der allgemeinen Wirtschaftskrise in Europa fiel das Schwergewicht auf die Finanzierung der Publikationen. Edita Slezáková, Geschäftsführerin des Zeitungsverlags, erinnerte bei der Begrüßung der Gäste daran, dass die MIDAS-Generalversammlung nach genau 10 Jahren wieder in der slowakischen Hauptstadt stattfindet. Sie führte die Journalisten, die aus zahlreichen Ländern angereist waren, mit berechtigtem Stolz durch die neue, performante Druckerei des Verlags, die wesentlich zur finanziellen Absicherung der ungarischen Zeitung beiträgt und es der Redaktion ermöglicht, den Lesern ein modernes Farbblatt von hoher Qualität anzubieten.

Die Wirtschaftskrise sei an den Minderheitenzeitungen nicht unbemerkt vorbeigegangen, hob MIDAS-Präsident Toni Ebner, Chefredakteur der „Dolomiten“ aus Bozen in Südtirol, hervor. Die meisten Publikationen haben den Rückgang der Auflage und der Werbung hinnehmen müssen. Aus diesem Grund sei die Förderung der Tageszeitungen lebensnotwendig, Minderheitenzeitungen könnten nicht die gleichen Schwierigkeiten wie große nationale Zeitungen überwinden. Tageszeitungen bieten nicht nur Information und Unterhaltung, sie sind gleichzeitig ein wesentlicher Bildungsfaktor. Für die Minderheiten ist es wichtig, durch Tageszeitungen informiert zu werden, denn Studien haben gezeigt, dass Leser von Tageszeitungen besser und gesünder leben und essen, sie investieren ihr Geld besser, sie haben halt einen Informationsvorteil. Minderheiten, die Tageszeitungen haben, sind stärker, das Bewusstsein für ihre Sprache und Kultur ist besser ausgebildet, sie können ihre Rechte und Pflichten besser wahrnehmen, hob Toni Ebner hervor. Das Gleiche belegte Prof. Tom Moring von der Universität Helsinki in seinem Referat. Die Tageszeitung habe in der Organisierung der Minderheit eine größere Bedeutung als das Radio oder das Fernsehen.

Wenn die deutschen Minderheiten im Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart bereits einen erprobten Partner haben, so muss sich auch die Europäische Union in diesen Prozess der Erhaltung der Tageszeitungen in den Sprachen der ethnischen Minderheiten implizieren, damit die sprachliche Vielfalt in Europa erhalten bleibt. Es geht um das Überleben von Sprachen, Kulturen und Traditionen. Eine Arbeitsgruppe der MIDAS will eine EU-Richtlinie zu Finanzierungsmöglichkeiten in diesem Bereich ausarbeiten, mehrere EU-Parlamentarier aus Italien und Deutschland hätten bereits Interesse bekundet und ihre Unterstützung zugesagt. Auch soll dafür gewirkt werden, dass Minderheitenzeitungen nicht mehr weiter diskriminiert werden, indem einträgliche Werbung der EU meist nur in den großen nationalen Tageszeitungen erscheint.

Schwerpunktthema von Attila Lovász vom Slowakischen Rundfunk und Fernsehen war die Finanzierung der Minderheitenmedien. Ihre Unterstützung ist eine notwendige Dienstleistung an den Angehörigen der Minderheiten. Bezüglich Projekten mit EU-Geldern äußerte er seine Bedenken. EU-Fonds führten in den neuen EU-Ländern verstärkt zur Korruption, behauptete er schlichtweg, das sei tragisch, aber es funktioniere einfach nicht wie im Westen. Eindringlich sagte er in die Runde, dass nicht vergessen werden dürfe, dass das Medium der heutigen Jugend das iPad sei, wer das nicht beachte, mache seine Zeitung kaputt.

Tatsächlich bieten viele Zeitungen außer der Druckausgabe und einer auszugsweisen Internetfassung die Zeitung mit großem Erfolg auch in elektronischer Form an. Abonnenten greifen oft und gerne zu diesem Mittel. Nicht sämtliche Inhalte der Zeitung sollten durch die kostenlose Internetseite verschenkt werden, wurde gewarnt.

Das Treffen war eine günstige Gelegenheit, Einblick in die Lage der ethnischen Minderheiten in der Slowakei, vorwiegend der slowakischen Ungarn zu nehmen. Menschenrechts- und Minderheitenexperten beklagen die Tatsache, dass die Regierung des Landes keine langfristige Strategie in diesem Bereich habe, dass sich nach einer den Minderheiten zugewandten Politik öffentlich wieder ein fremdenfeindlicher, nationalistischer Diskurs bemerkbar mache. Eine Regierungsbehörde, dessen Aufgabengebiet Menschenrechte und ethnische Minderheiten waren, ist inzwischen Vergangenheit, das Gesetz über die Benutzung der Minderheitensprachen habe sich mehrere Male verändert, ohne die Minderheiten zu befragen. Die ungarische Minderheit in der Slowakei schrumpft allmählich, sie wird heute mit 8,5 Prozent der Gesamtbevölkerung von 5,34 Millionen Einwohnern angegeben. Zudem würden ungarische Eltern ihre Kinder oft in slowakische statt in ungarische Schulen schicken. Durch eine administrative Neueinteilung des Landes hätte man erreicht, dass es in keiner Verwaltungseinheit mehr als 15 Prozent Ungarn gebe und die katholische Kirche schließe sich diesem Prozess an, indem sie die Diözesen neu strukturierte. Angehörige der Minderheiten leiden wohl meist nicht unter Gewalt oder unter direkter Diskriminierung, es werden jedoch Maßnahmen getroffen, die die Minderheiten verunsichern und Frustration auslösen.

Die Ungarn in der Slowakei werden zwar von dem Mutterland unterstützt, doch die Art, wie das geschieht, kritisierte Péter Huncik. Budapest würde nur die „guten Ungarn“, sprich die nationalistischen, fördern. Er sprach sich für eine einheitliche Förderungspolitik für die ungarische Minderheit aus, die auch längerfristige Gültigkeit habe und sich nicht mit jeder Regierung ändere. Auch die europäische Gesetzgebung nahm er unter Beschuss. Sie sei ungenau, spreche nur Empfehlungen aus, nichts sei bindend und in Sachen Länge und Form der Gurken sei sie viel entschiedener.

Ungarn in der Slowakei können genau wie die anderen außerhalb der ungarischen Grenzen, also wie auch jene in Rumänien, die ungarische Staatsbürgerschaft annehmen. In der Ausübung des Wahlrechts ist ihnen Budapest entgegengekommen. Die Slowakei hat die Annahme der slowakischen Bürgerschaft zwar erleichtert, doch untersagt sie die Doppelbürgerschaft. Ungarn aus der Slowakei, die sich für die ungarische Staatsbürgerschaft entschieden haben, müssen auf die slowakische Staatsbürgerschaft verzichten.

Höhepunkt des MIDAS-Treffens war auch in diesem Jahr die Preisverleihung. Den MIDAS-Journalistenpreis 2012 erhielt Mária Vrabec von „Új Szó“ für ihre Berichte über eine junge Ungarin, die von slowakischen Skinheads angegriffen und verletzt wurde, hingegen von der slowakischen Justiz und den öffentlichen Behörden diskreditiert wurde. Den Otto-von-Habsburg-Preis überreichte sein Sohn Karl von Habsburg an die Journalistin Constanze Letsch, die mit ihren beeindruckenden Beiträgen in „The Guardian“ über die Bedeutung der kurdischen Frage für den Friedensprozess in der Türkei hohe Anerkennung erntete.

Zwei Resolutionen wurden von den Teilnehmern an der Generalversammlung angenommen. Die eine beschäftigt sich mit dem Recht auf Unterricht in der Muttersprache der Sorben im Land Brandenburg und eine weitere mit der Rolle der katalanischen Sprache auf den Balearen, die von der Regierung der autonomen Gemeinschaft Spaniens durch eine Gesetzesänderung verdrängt wird.